Hochgradig beziehungsorientierte Menschen
Wir leben in einer Kultur, in der es wichtig ist, unabhängig und autark zu sein, Bindungen oder emotionale Abhängigkeit um jeden Preis zu vermeiden. Die Verherrlichung des “Ich zuerst” funktioniert jedoch nicht immer. Wir sind soziale Wesen und deshalb auf Beziehungen zu anderen angewiesen. Es handelt sich um Räume, in denen wir nicht nur unsere Ängste lindern, Stress abbauen, interagieren und lernen können, sondern auch Fürsorge und Liebe erhalten. Hochgradig beziehungsorientierte Menschen benötigen jedoch immer jemanden an ihrer Seite: Sie repräsentieren das andere Extrem.
Diese Personen sehnen sich nach Geselligkeit, Gesprächen, emotionaler Wärme und dem Gefühl, hilfreich zu sein. Man könnte sie auch als Beziehungshypochonder bezeichnen, denn sie fürchten sich davor, zu versagen, andere zu enttäuschen oder mit der Einsamkeit konfrontiert zu werden. Erfahre heute Interessantes über dieses Persönlichkeitsprofil.
Hochgradig beziehungsorientierte Menschen engagieren sich für andere, sind großzügig und zeichnen sich durch einen bescheidenen Charakter aus.
Hochgradig beziehungsorientierte Menschen und ihre Merkmale
Hochgradig beziehungsorientierte Menschen konzentrieren sich auf ihre Beziehungen zu anderen, reagieren jedoch oft sensibel oder reaktiv. Obwohl sie den Umgang und Austausch mit anderen benötigen, können sie sich emotional ausgelaugt fühlen.
Es ist anzumerken, dass es sich um ein Persönlichkeitsprofil handelt, das nicht wissenschaftlich definiert ist. Dieses Konzept wurde von Dr. Melanie Joy vorgeschlagen, die es mit der Eigenschaft der hohen emotionalen Sensibilität vergleicht. Diese Menschen könnten bei Beziehungsreizen mit der gleichen Intensität wie hochsensible Menschen bei hellem Licht oder lauten Geräuschen reagieren. Diese interessante Idee wird auch in dem 2018 erschienenen Handbuch Ergonomics and Psychology: Developments in Theory and Practice¹ von Olexiy Ya Chebykin beschrieben.
Ein Merkmal stark beziehungsorientierter Menschen ist ihre Hypervigilanz. Sie haben Angst, andere zu enttäuschen und analysieren deshalb jedes Gespräch, jedes Wort und jede Geste.
Das Leben ist besser, wenn du immer jemanden an deiner Seite hast
Wer könnte das bestreiten? Es liegt auf der Hand: Einen Partner, Freunde und eine Familie zu haben, macht unser Leben angenehmer und glücklicher. Es gibt jedoch Menschen, die Momente der Einsamkeit kaum ertragen können und ständig sozialen Anschluss brauchen. Das äußert sich im Durchschnitt folgendermaßen:
- Sie haben das Bedürfnis, jede noch so unbedeutende Erfahrung mit anderen zu teilen.
- Jeder Gedanke, Wunsch oder Traum wird für sie wertvoller, wenn er mit einer anderen Person laut ausgesprochen wird.
- Sie sind sehr zugänglich und gehen auch auf Fremde zu, was es ihnen leicht macht, schnell und dauerhaft Freundschaften zu schließen.
Wir sprechen von freundlichen, zugänglichen und bescheidenen Menschen. Ihre Kontaktfreudigkeit beruht auf Authentizität. Das Problem ist, dass sie oft davon ausgehen, dass andere genauso sind.
Sie spüren sofort, was die andere Person braucht
Ein entscheidendes Merkmal von Menschen hochgradig beziehungsorientierten Menschen ist ihre soziale Intelligenz. Eine von der Universität Cambridge veröffentlichte Studie definiert diese Kompetenz als die Fähigkeit, jede soziale Interaktion zu verstehen und effektiv darauf zu reagieren. Sie sind in solchen Situationen sehr effektiv.
Eine weitere auffällige Eigenschaft ist, dass sie wissen, was ihr Gegenüber fühlt und benötigt. Sie zeigen nicht nur ein hohes Maß an emotionalem Einfühlungsvermögen, sondern zögern auch nicht, zu reagieren, um die andere Person zufriedenzustellen. Wenn sie merken, dass jemand besorgt ist oder sich langweilt, zögern sie nicht, ihre Haltung oder ihr Gespräch zu ändern, um das Wohlbefinden der Person zu fördern.
Übermäßige Sorge um jede Verbindung
Sehr beziehungsorientierte Menschen können in einen Zustand großer Angst abdriften. Sie analysieren nach einem Gespräch oft im Geist jedes Wort, jede Geste, denn sie befürchten, dass sie die andere Person irgendwie beleidigt haben könnten. Diese Art von Beziehungshypochondrie, die nach Fehlern und Problemen sucht, lässt sich durch das ständige Bemühen erklären, sich um jede Beziehung zu kümmern. In diesem Bestreben können hochgradig beziehungsoritentierte Menschen jedoch besessen und sogar blind werden. Sie sehen nur, was sie tun, aber nicht, wie sie von anderen behandelt werden.
Hochgradig beziehungsorientierte Menschen gehen meistens ängstliche Bindungen ein.
Unfähigkeit, mit Unstimmigkeiten und zwischenmenschlichen Konflikten umzugehen
Hochgradig beziehungsorientierte Menschen erleben jede noch so kleine Unstimmigkeit mit großer Angst. Es reicht schon, wenn ihnen jemand widerspricht oder einen subtilen Vorwurf macht, damit sie nicht mehr schlafen können. Diese emotionale Reaktion auf Konflikte bereitet ihnen großes Leid und ist eine Variable, die sie nur schwer regulieren oder bewältigen können.
Wenn eine Beziehung oder Freundschaft endet, benötigen sehr viel Zeit (manchmal sogar Jahre), um über die Trennung hinwegzukommen. Sie stecken lange in einer Denkschleife fest und versuchen, die Gründe zu verstehen.
Emotionale Erschöpfung
Hochgradig beziehungsorientierte Menschen kümmern sich intensiv um andere: Sie versuchen hilfreich zu sein, Probleme zu lösen, Bedürfnisse vorwegzunehmen und alles zu tun, damit die Beziehung funktioniert. Das Ergebnis ist oft eine enorme emotionale Erschöpfung. Sie sind unfähig, Grenzen zu setzen, erleben deshalb jedoch häufig Enttäuschungen.
Worauf sind diese Eigenschaften zurückzuführen?
Weshalb konzentrieren sich manche Menschen so sehr auf andere, dass sie sich selbst vergessen? Ähnlich wie hochsensible Menschen genießen sie es zutiefst, ihr Leben mit anderen zu teilen. Jede emotionale Verbindung ist magisch, aber sie hat ihren Preis.
Das Problem liegt in ihrer Unfähigkeit, Grenzen zu setzen, der Angst vor dem Verlassenwerden und einer starken ängstlichen Bindung. Dieses Persönlichkeitsprofil ist fast wie ein Rohdiamant: Betroffene sind attraktiv, denn sie haben gute Kommunikationsfähigkeiten, Einfühlungsvermögen und sind bescheiden. Allerdings weisen sie emotionale Lücken auf, die geheilt und gepflegt werden sollten, damit sie ein erfülltes und glückliches Leben führen können.
Literaturempfehlung
- Ergonomics and Psychology: Developments in Theory and Practice, Olexiy Ya Chebykin, Routledge 2019
Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.
- Ergonomics and Psychology: Developments in Theory and Practice (Ergonomics Design and Management. CRC Press
- Kihlstrom, J., & Cantor, N. (2000). Social Intelligence. In R. Sternberg (Ed.), Handbook of Intelligence (pp. 359-379). Cambridge: Cambridge University Press. doi:10.1017/CBO9780511807947.017