Heuristik - Die Short-Cuts des Gehirns
Lange Zeit galt der Mensch als rationales Tier, das seine Umwelt gründlich und genau unter die Lupe nahm. Aber nach den Worten von Shelly E. Taylor seien wir “kognitiv bedürftig”. Sie verwendet in dieser Aussage eine Metapher, um den Menschen als maximalen Optimierer mentaler Prozesse darzustellen. Das bedeutet, dass der Mensch danach bestrebt ist, sich nach einfachen Lösungen umzusehen. Die kognitive Strategie, um dies zu erreichen, nennt man Heuristik.
Heuristiken sind mentale Abkürzungen, mit denen wir die Lösungswege zu komplexen kognitiven Problemen vereinfachen. Es handelt sich um unbewusste Regeln, welche Probleme neu zusammenstellen und sie in einfacheren und fast automatischen Denkstrategien “lösen”. Dank ihnen müssen wir nicht jedes Mal, wenn ein Problem auftaucht, umfangreiche Überlegungen anstellen. Diese Verknüpfungen, die in der Computerwelt auch „Short-Cuts“ genannt werden, sind jedoch nicht immer korrekt und verursachen manchmal Fehler.
Wir können verschiedene Arten von Heuristiken in den kognitiven Prozessen finden, die wir täglich durchführen. In diesem Artikel werden wir uns vorwiegend diejenigen widmen, die wir häufiger verwenden. Genau genommen handelt es sich um diese: die Repräsentativheuristik, die Verfügbarkeitsheuristik, den Ankereffekt und die Anpassungsheuristik sowie die Simulationsheuristik.
Repräsentativheuristik
Bei diesem „Short-Cut“ geht es darum, Rückschlüsse auf die Wahrscheinlichkeit zu ziehen, dass ein Auslöser (eine Person, ein Objekt oder ein Ereignis) zu einer bestimmten Kategorie gehört. Anhand oberflächlicher Merkmale und mit Hilfe unserer vorherigen Erfahrungen führen wir diese Kategorisierung durch. Die Tatsache, dass die verfügbaren Informationen zu unseren früheren Erfahrungen passen können, bedeutet jedoch nicht, dass diese Denkweise notwendigerweise ein korrektes Ergebnis liefere. Wie wir bereits sagten, wir können dabei Fehler machen.
Ein Beispiel für die Repräsentativheuristik ist die folgende Situation: Stell dir einmal vor, jemand stellt dir drei seiner Freunde vor. Bevor sie dir begegneten, wurde dir gesagt, dass einer von ihnen ein Lehrer sei. Nach einer kurzen Unterhaltung sagen dir zwei von ihnen, dass sie keine Kinder mögen, und der Dritte sagt, dass er sie liebe. Wenn du in diesem Fall eine Repräsentativheuristik anwendest, wirst du wohl zu dem Schluss kommen, dass derjenige der Lehrer sei, der sagte, dass er Kinder möge.
Verfügbarkeitsheuristik
Diese Heuristik wird verwendet, um die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses, die Häufigkeit einer bestimmten Kategorie oder die Verbindung zwischen zwei Phänomenen abzuschätzen. Die Schätzung erfolgt anhand der Verfügbarkeit oder Häufigkeit von Fällen, die uns aus unseren Erfahrungen bereits bekannt sind. Mit anderen Worten: Intuitiv erheben wir eine statistische Auswertung der uns bekannten Fälle und leiten daraus eine Antwort ab.
Das tun wir, wenn wir Fragen stellen wie: Gibt es mehr Psychologen oder Psychiater? Um diese Frage zu beantworten, können wir die Verfügbarkeitsheuristik verwenden und sehen dann, welcher der beiden Typen häufiger verfügbar ist. Wenn uns also mehr Psychologen in den Sinn kommen als Psychiater, werden wir darauf antworten, dass es mehr Psychologen gebe.
Ankereffekt und Anpassungsheuristiken
Wenn wir in einer Situation unsicher sind und keine Erfahrung haben, können wir einen Bezugspunkt wählen. Wenn wir dies tun, werden wir den Ankereffekt und die dazugehörige Anpassungsheuristik verwenden. Hier ist der Bezugspunkt als Anker zu verstehen, an dem wir uns festhalten. Wir würden dann im Geiste verschiedene Anpassungen durchgehen, um diese Situation oder das Problem zu lösen.
Wir benutzen diese Heuristik zum Beispiel, wenn wir uns fragen, wie hoch das Durchschnittseinkommen in unserem Land sei. In diesem Fall würden wir wahrscheinlich über unser eigenes jährliches Einkommen nachdenken und beurteilen, ob wir über oder unter dem Durchschnitt liegen. Je nachdem nehmen wir dann noch die entsprechenden Anpassungen vor und erhalten einen Betrag, den wir für das durchschnittliche Einkommen des Landes halten.
Ein Fehler, der bei dieser Heuristik auftritt, ist der Falscher-Konsens-Effekt. Es handelt sich um eine kognitive Verzerrung, die uns unsere Gemeinsamkeiten mit anderen falsch einschätzen lässt. Wir folgern, dass ihre Überzeugungen, Meinungen, Gedanken oder statistischen Merkmale mit unseren eigenen übereinstimmen. In diesem Fall fungiert unsere Sichtweise als der Anker, um das Denken anderer Menschen abzuleiten, obwohl unsere Sichtweise sich gar nicht als Anker eignet.
Simulationsheuristik
Hier geht es um die Tendenz, die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses basierend auf dessen Vorstellbarkeit zu schätzen. Je einfacher es ist, sich ein geistiges Bild von etwas zu machen, desto wahrscheinlicher ist es auch, an die Möglichkeit dieses Ereignisses zu glauben.
Diese Heuristik ist in hohem Maße mit kontrafaktischem Denken verbunden. Denn es ist eine Denkweise, in der wir nach Alternativen zu vergangenen oder gegenwärtigen Tatsachen bzw. aktuellen Umständen suchen, mit dem Ziel, unseren akuten Schmerz zu reduzieren. Was jedoch oft passiert, ist, dass wir diesen Schmerz einfach verstärken. Ein Beispiel für kontrafaktisches Denken ist die oft gehörte Frage “Was wäre, wenn…?”. Das ist unsere typische Reaktion, wenn etwas nicht so ist, wie wir es gerne hätten.
Ein anderes Beispiel können wir im Sport beobachten. Manchmal ist der Zweitplatzierte weniger glücklich als der drittplatzierte Athlet. Wie kann das sein? Nun, für die Person an zweiter Stelle ist es sehr leicht, sich vorzustellen, dass sie auch Erster hätte werden können und das bedeutet für die tatsächliche Situation etwas vergleichsweise Negatives. Auf der anderen Seite ist es für den Dritten leicht vorstellbar, dass er es gar nicht auf das Treppchen hätte schaffen können. Er sieht sich augenblicklich in einer positiveren Situation als in der möglichen Alternative. Daher rührt die größere Zufriedenheit des Drittplatzierten im Vergleich zu der des Zweitplatzierten.
Nun, da wir vieles über Heuristiken gelernt haben, werden dir sicher viele Beispiele einfallen, in denen wir sie in unserem täglichen Leben anwenden. Obwohl sie nicht präzise sind und auf Intuition basieren, sind sie unsere evolutionären “Waffen”, um bestimmte Probleme schnell und effizient zu lösen. Natürlich sollten wir nicht in den Fehler machen, diese mentalen „Short-Cuts“ zu verwenden, wenn wir wichtige Entscheidungen in unserem Leben treffen. In diesen Fällen sollten wir sehr vorsichtig sein.
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