Green Book: ein Film über Rassismus und Freundschaft

Die begehrteste Auszeichnung, der Oscar, ging 2019 an Green Book, den Wohlfühlfilm mit Viggo Mortensen und Mahershala Ali. Unabhängig davon, ob wir mit dieser Entscheidung zufrieden sind oder nicht: Der Film hält, was er verspricht. Green Book ist unterhaltsam, aber hat gleichzeitig eine moralisierende Absicht.
Green Book: ein Film über Rassismus und Freundschaft
Leah Padalino

Geschrieben und geprüft von der Filmkritikerin Leah Padalino.

Letzte Aktualisierung: 01. Mai 2023

And the Oscar goes to … wenig überraschend an Green Book für den besten Film 2019. Diese Auszeichnung wurde von vielen bereits erwartet und schien näher zu rücken, als Roma einen Oscar für den besten fremdsprachigen Film gewann. Aber dessen Regisseur Cuarón konnte nun mal nicht alle Oscars einsacken, weshalb Green Book schlussendlich als Sieger aus der Topkategorie hervorging.

Ein Ergebnis, das offenbar nicht alle zufrieden stimmte. Aber das heißt nicht, dass es sich bei Green Book um einen schlechten Film handelt, der nicht seinen Zweck erfüllt. Dieses politisch korrekte Roadmovie behandelt ein Thema, das wir bereits unzählige Male im Kino gesehen haben. Nein, Green Book ist nichts Neues, aber schafft es, die Zuschauer in Bann zu ziehen.

Wir alle sehen auf der Leinwand gern Geschichten, die uns glauben lassen, der Film spiele mit uns. Unabhängig von unserem persönlichen Geschmack – ob wir eher Fantasyfans sind oder Dramen bevorzugen – wollen wir überrascht werden.

Aber wir müssen zugeben, dass selbst noch so nonkonformistische Zuschauer hin und wieder eine leichte Komödie oder Geschichte schätzen, die für ein oder zwei Stunden unterhält. Das Kino ist Kunst, aber dient auch der Unterhaltung.

Green Book zeigt uns die Grausamkeit von Rassismus, mildert diese aber durch den Wert der Freundschaft ab. Das Tandem Viggo Mortensen und Mahershala Ali (der einen Oscar für seine Rolle als Don Shirley gewann), funktioniert perfekt und bringt uns nicht nur zum Schmunzeln.

Wer bis ins Unermessliche nachdenken und sich überraschen lassen will, für den ist Green Book wohl nicht der richtige Film. Aber er ist einer jener Filme, den man sich an einem grauen, verregneten Tag anschauen möchte, um abzuschalten.

Green Book: zwei ziemlich menschliche Charaktere

Das Roadmovie basiert auf einer wahren Geschichte: der Beziehung zwischen Tony Lip und Don Shirley. Ersterer ist ein italienischstämmiger Amerikaner von bescheidener Herkunft, der mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in der Bronx lebt. Tony verliert seinen Job und stürzt sich in ein neues Abenteuer: Er wird der Chauffeur Don Shirleys, eines schwarzen Musikers, den er auf dessen nächster Tour begleitet.

Don ist ein Mann, der die gehobene Kultur liebt. Sein Status als anerkannter Musiker hebt ihn in gewisser Weise von der restlichen schwarzen Community ab. Allerdings passt er auch nicht so ganz zu den Weißen. Der vorherrschende Rassismus ist so festgefahren, dass ihm nicht einmal sein besonderer Status nützt. Tony hingegen ist ein rauer Typ, aber dafür beliebt.

Die Konfrontationen zwischen den beiden lassen nicht lange auf sich warten – sei es wegen der Vorurteile oder weil keiner dazu bereit ist, aus seiner Komfortzone herauszutreten. Es handelt sich also um keine neuen Charaktere: Tony und Don stellen typische Persönlichkeiten dar, die wir bereits aus anderen Filmen kennen. Aber anstatt langweilig zu sein, werden sie durch die beiden talentierten Schauspieler zu zwei ziemlich realen Personen.

Botschaft des Films

Der Schwarze ist der Reiche und Gebildete, während der Weiße in finanziellen Schwierigkeiten steckt und ignorant ist. Obwohl diese Ignoranz relativ ist, weiß Tony Dinge, die Shirley nicht weiß und umgekehrt. Der eine findet sich perfekt in elitären Kreisen zurecht, wohingegen der andere das alltägliche Leben zu bewältigen weiß.

Don stößt bald auf zahlreiche Konflikte; selbst in Situationen, in denen er der ‚King‘ sein sollte. Green Book vermittelt dabei eine ganz klare Botschaft: nein zu Rassismus. Mit der passenden Hintergrundmusik und entlang kilometerlanger Autobahnen sowie in Hotels, in denen nach Rasse getrennt wird, konstruiert Green Book eine Geschichte mit Moral. Gleichzeitig bietet der Film eine gute Unterhaltung und positive Gefühle.

Don und Tony ergänzen sich perfekt und überwinden alle Widrigkeiten; die Kombination aus Komödie und einem Hauch von Drama sorgt für den Rest. Ja, der Film ist vorhersehbar, aber die Macher des Films hatten nicht die Absicht, zu überraschen.

Beide Charaktere stellen sich als interessant heraus, vor allem wegen der schauspielerischen Leistung ihrer Darsteller. Dank ihnen nimmt eine Geschichte Gestalt an, in der Menschlichkeit stärker ist als Vorurteile. Beide Persönlichkeiten können viel voneinander lernen: Don muss seinen Snobismus ablegen, hinter dem er sich versteckt, während sich Tony Manieren aneignet und von Vorurteilen verabschiedet.

Don und Tony in einer Bar

Normalisierter Rassismus: der große Feind

Was passiert, wenn Rassismus alltäglich wird und sich in Institutionen etabliert? Mit einem Lächeln und ohne sich seines rassistischen Verhaltens bewusst zu sein wird er zu einem Teil des eigenen Lebens mit all dessen Werten.

Green Book zeigt uns das Gesicht des Rassismus in den 1960er-Jahren der Vereinigten Staaten. Niemand stellt infrage, weshalb Schwarze in anderen Hotels unterkommen müssen, nicht dasselbe Badezimmer wie die weiße Bevölkerung benutzen dürfen und andere Restaurants aufzusuchen haben.

Aber was ist, wenn der betreffende Schwarze bedeutsam ist und mehr Macht als die Weißen um ihn herum hat? Dann werden diese ihn mit einem freundlichen Lächeln dazu einladen, seine Fähigkeiten zu zeigen, um ihn danach wieder beiseitezuschieben. Denn ein Schwarzer wird niemals ein Weißer sein und muss ständig sein Talent unter Beweis stellen.

Don wird dafür bezahlt, in den Salons wohlhabender, gebildeter Personen aufzutreten, die sein Talent bewundern können. Aber er sollte nicht versuchen, sich unter sie zu mischen. Diese kultivierten Menschen sind ein Ausdruck der Heuchelei. Denn während sie betonen, dass Unterschiede gelebt werden sollten, gibt es eine Grenze, die sie nicht überschreiten würden.

Sie kritisieren den Rassismus, den Machismus oder die Homophobie, aber weil sie zur Elite zählen, riskieren sie nicht, diese ins Wanken zu bringen. Das geschieht auf unbewusste Weise, weil eine solche Haltung als normal und harmlos angesehen wird. Die gehobene Kultur war leider immer etwas elitär.

Tony und Don beim Essen

Dieser Elitismus weckt in Don den Wunsch nach Selbstverwirklichung, um nicht nur ein Schwarzer zu sein, obwohl er sich tief in seinem Innern der Realität bewusst ist. Auf der anderen Seite passt Tony mit seiner zweifelhaften Moral auch nicht zu dieser Elite, obwohl er weiß ist.

Er trägt ebenfalls ein Etikett: das des italienischstämmigen Amerikaners und Nachkommen von Einwanderern, der aus der Arbeiterklasse stammt. Trotz seiner offensichtlichen fehlenden Bildung kann auch Tony Musik und eine gute Unterhaltung genießen.

Diese Kontroverse spiegelt sich in Green Book wider und kann auf unsere eigene Realität übertragen werden. Zwar existiert eine derartige Segregation in der heutigen Zeit nicht mehr. Aber die Spuren eines institutionalisierten Rassismus lassen sich nicht so leicht beseitigen.

Denken wir für einen Moment an unsere eigenen Universitäten. Gibt es wirklich Vielfalt? Sicherlich sehr wenig. Wir leben nicht in den Vereinigten Staaten der 60er-Jahre, aber in einer Welt, in der Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechtes, ihrer sexuellen Orientierung und anderer Gründe ausgeschlossen werden.

In Green Book wird weder der Finger in die Wunde gelegt noch das krudeste Bild von Rassismus gezeigt. Aber die Zuschauer bekommen die normalisierte, stille und vielleicht gefährlichste Erscheinungsform von Rassismus zu sehen. Auch wenn der Film nichts Neues bietet, sendet er uns eine Botschaft, die auch heute noch aktuell ist. Es ist nicht mehr das Nein zu Rassismus, sondern das Nein zu Diskriminierung jeglicher Art.

Ob Green Book den Oscar für den besten Film verdient hat, ist eine andere Frage. Auch lässt sich hinterfragen, ob der Film wirklich notwendig ist. Aber er erfüllt seinen Zweck: Green Book sorgt für Unterhaltung und entlockt uns mehr als nur einmal ein Lächeln.

„Gewalt siegt nie, gewinnen kann man nur mit Würde.“

Green Book


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.