Glanzlichter und Wunschperlen – Erfahrungen des «Unmöglichen»
Glanzlichter und Wunschperlen. Die Kraft der Sehnsucht und die unserer tiefen Wünsche erfüllt uns in Zeiten von Gleichgültigkeit oder Hoffnungslosigkeit besonders. Also immer dann, wenn wir Gefahr laufen, den Anschluss an uns selbst und an das Leben zu verlieren. Nicht umsonst werden wir mit individuellen Gaben und Talenten geboren, die wir im Laufe des Frühjahrs und Sommers unseres Lebens zum Erblühen bringen und im Herbst und Winter deren Früchte ernten wollen. Wir fühlen uns zu Dingen und Menschen hingezogen, die uns begeistern und auf einer tieferen Ebene berühren.
In unserer Kindheit und Jugend haben wir meistens noch einen direkten Zugang zu unseren persönlichen Glanzlichtern und Wunschperlen. Im Laufe unseres weiteren Lebens müssen wir aber manchmal gezielt innehalten und uns fragen, wovon wir eigentlich früher geträumt haben? Und was macht uns heute wirklich glücklich, wofür schlägt unser Herz? Was zieht uns magisch an, was bewegt und berührt uns?
Manchmal erkennen wir etwas Wertvolles erst, wenn wir es verloren haben. Welche Freude, wenn wir es unerwartet wiederfinden!
So berichtet Susanne: «Im Urlaub in Italien habe ich den Ring meiner geliebten Schwester im Meer verloren. Ich war zu Tode betrübt! Einen Tag später gingen meine Tochter und ich am Meer entlang, an einer ganz anderen Stelle. Wir sind gut zwei Kilometer durch das flache Wasser gewatet und da: Meine Tochter ruft mich zu sich und hält etwas Glitzerndes in der Hand. Sie hatte wirklich und wahrhaftig meinen Ring wiedergefunden! Hätte ich ihn nicht wieder an der Hand, könnte ich es selbst nicht glauben.»
Wie können wir unseren persönlichen Glanzlichtern und Wunschperlen folgen, sodass wir die Zeichen erkennen, die uns den Weg zu ihnen zeigen? All diesen Überlegungen liegt eine Begegnung zugrunde: Die mit unserem Selbst und dem, was wir von uns in die Welt ausdrücken und geben und in Resonanz mit anderen Menschen oder in einer größeren Verbundenheit empfangen möchten. In dieser Begegnung wollen wir entdecken, kommunizieren, lieben und leben. Genau hier liegt unsere Sehnsucht und die Kraft unserer persönlichen Glanzlichter und Wunschperlen.
In Lebensphasen, in denen wir spüren, dass die alten, oft geübten Tritte nicht mehr tragen, sagt manchmal eine leise, manchmal aber auch eine lauter werdende Stimme in uns: Ich habe eine tiefe Sehnsucht, und ich möchte in diesem Leben noch etwas anderes erleben. Was bis dahin noch als richtig erschien, gerät plötzlich in Unordnung. Wir erwachen, etwas rüttelt uns auf. Wir befinden uns zunächst in einem luftleeren Raum, in einem Übergang, der uns erst einmal überfordern kann. Die Lyrikerin Hilde Domin macht uns aber Hoffnung: „Ich setzte den Fuß in die Luft, und sie trug“ (Domin 1959).
Manchmal scheitern wir an unseren Aufgaben. Entweder, weil wir nicht die richtigen fanden, die zu unseren Gaben und Talenten wirklich passen, oder weil wir uns für oder durch sie nicht weiterentwickelt haben. Der eigene Wille muss in diesen Zeiten zum Leben erweckt werden. Ein erfülltes und authentisches Leben verlangt von uns, dass wir unseren Geist frei machen und unsere Gaben als Auftrag ansehen, nämlich das Beste aus ihnen zu machen. Das können wir. Wir können es, wenn wir unserer Sehnsucht und den persönlichen Glanzlichtern und Wunschperlen folgen und auf unser Herz hören.
Bei der Begegnung in Resonanz mit dem, was in uns selbst und dem, was in anderen Menschen oder in einer größeren Verbundenheit ist, sollten wir den Schlüssel zu dem finden, was unsere tiefen Anliegen und die der persönlichen Umgebung sind.
Es genügt nicht, dass wir in dieser Welt nur funktionieren oder uns fremden Autoritäten unterwerfen. Es macht auch keinen Sinn, in Krisen in Katastrophenstimmung zu verfallen. Stattdessen sollten wir das annehmen, was in den Ereignissen zu uns spricht. Wir können unsere persönlichen Talente und Fähigkeiten entdecken und entwickeln, die uns in eine gute Beziehung nicht nur zu uns selbst, sondern auch in eine dynamische Resonanz zu unserer Umwelt und anderen Menschen bringen. Wir brauchen diese Resonanz, um uns selbst zu erkennen und unsere Persönlichkeit zu formen.
Es schlummern Fähigkeiten in uns, durch die sich neue Erkenntnisse erwerben lassen. Was diese Erkenntnisse für uns bedeuten können, ist sicher höchst individuell und unterschiedlich. Für den einen mag es der Glaube, den anderen eine nicht an eine Glaubensrichtung gebundene Spiritualität, für den nächsten die eigene Selbstwirksamkeit und für wieder jemand anderen die Erforschung des Seelenlebens oder der wissenschaftlichen Inhalte sein, was nur ein Auszug aus einem noch größeren Spektrum darstellt.
Was auch immer es ist, das über uns selbst hinausgeht und uns in eine tiefere Daseinsqualität führt, es könnte die Kraft sein, die Blüten und Früchte auf dem Weg zu unseren Glanzlichtern und Wunschperlen hervorbringt. Wir tragen sicher keine unendliche, aber eine große Entfaltungsmöglichkeit in uns.
Meister Eckhart unterscheidet den inneren und äußeren Menschen und macht darauf aufmerksam, dass wir unserer äußeren Gestalt nicht unsere Seele opfern sollten. Der äußere Mensch könne wohl aktiv sein, aber der innere Teil sollte frei und unbeweglich davon bleiben, was um ihn herum geschieht. Es sei wie mit einer Türe, die sich bewegt, aber die Angel ruhig und unverändert bleibt (vgl. Mannhard, Anja 2021: Biografiearbeit: Innere Schatzsuche. München: Scorpio).
Das Sinnbild hilft dabei, zwischen dem, was von außen auf uns zukommt und dem, wer wir sind, zu trennen. Dies vor allem in Zeiten, in denen unser Leben in Unordnung geraten ist und wir nach neuen Wegen suchen. Damit geben wir nichts und niemandem die Macht, über unser Inneres zu bestimmen. Mit dieser Qualität an Kraft und Selbstwirksamkeit nutzen wir unseren persönlichen Spielraum, der mindestens in unseren Gedanken zu einer Situation besteht.
Die Begegnung mit unseren Glanzlichtern und Wunschperlen
Unsere Gedanken beeinflussen unsere Gefühle und bestimmen, ob wir ins Handeln kommen. Lähmen sie uns, fühlen wir uns ohnmächtig und hilflos. Wir geben schlichtweg unsere Selbstverantwortung ab. Anders, wenn wir uns als die unbewegliche und stabile Angel und nicht als die Türe darin begreifen. Dann nehmen wir eine aktive Haltung ein und finden Lösungen für Probleme.
Viktor Frankl als Begründer der Existenzanalyse sieht den Sinn als zentrales Konzept unseres Lebens an. Können wir ihn in jeder Situation sehen oder finden, vermittelt dies ein grundlegendes Vertrauen in uns selbst und in das Leben. Den Sinn finden wir in der Begegnung mit unseren Glanzlichtern und Wunschperlen.
Einen unbesiegbaren Sommer hat Albert Camus in sich in einem innerlichen Winter erfahren. An diese Kraftquelle kommen wir mit zukunftsgerichteten und verändernden Einstellungen. Wir überlegen, was wir in unserem Leben sinnvoll tun können und suchen in der Literatur, Kunst, Philosophie, Religion, Spiritualität, Wissenschaft oder Musik nach Antworten auf unsere Fragen.
Der Lyriker Rainer Maria Rilke meint in einem Gedicht, dass wir mit Geduld zum Ungelösten in unserem Herzen eines Tages in die Antworten auf unsere Fragen hinein leben. Es braucht eine Zeit der Reife, die wir sinnvoll nutzen sollten, um im Sinne Rilkes die Antworten in unser Leben zu integrieren.
Unsere Glanzlichter und Wunschperlen ergründen wir, indem wir konkretisieren, was den unbesiegbaren Sommer in uns stärkt. Damit kommen wir dem, was unseren inneren Menschen nach Meister Eckhart ausmacht, näher, und kommen so zu uns. Den Schatz, den wir bergen können, sind wir selbst. Zu uns selbst kommen wir, indem wir unseren Glanzlichtern und Wunschperlen folgen (vgl. Mannhard, Anja 2021: Biografiearbeit. Die innere Schatzsuche. München: Scorpio).
Je innerlicher wir werden und umso mehr wir zu uns selbst finden, umso mehr können wir in eine größere oder tiefere Verbundenheit mit anderen Menschen oder mit der Welt eintreten. Worauf kommt es denn in unserem Leben an?
Manches wird uns geschenkt, manches müssen wir uns erarbeiten
Manches fällt uns zu, manches müssen wir uns erarbeiten oder erobern. Und manches wird uns einfach geschenkt. Das Wesentliche menschlicher Entwicklung scheint doch aber das zu sein, dass wir zu den Quellen unseres schöpferischen Selbst gelangen. Woher nehmen wir die Kraft, wenn Widerstände nicht weichen oder überwunden geglaubte plötzlich wieder auftauchen?
Charles erzählt: «Durch den Beruf meiner Eltern bin ich im Ausland aufgewachsen. Wir verbrachten im Sommer ganze Nachmittage im Schwimmbad, obwohl ich im Gegensatz zu meinem älteren Bruder noch gar nicht schwimmen konnte. Wie es passierte, keine Ahnung. Plötzlich lag ich im tiefen Wasser und sank zu Boden. Meine rudernden Bewegungen machten die Sache nicht besser und irgendwann gab ich auf. Ich hatte einfach keine Kraft mehr. Es überkam mich schnell eine tiefe innere Ruhe, ein absoluter Frieden. Daran erinnere ich mich auch heute noch genau. Irgendwann merkte ich, dass mein Bruder an mir herumzerrte und mich nach oben holte. Der Bademeister machte Wiederbelebungsversuche. Es blieb überhaupt kein Schaden zurück. Heute gehe ich nicht riskant, aber angstfrei durch mein Leben. Ich habe keine Angst vor dem Tod.»
Das Ende einer bewussten Handlung liegt bereits in ihrem Anfang. Noch liegt es nicht entfaltet und nicht offenbar. Die Handlung muss zuerst vollzogen und verwirklicht werden. Das Ende und erreichte Ziel keimt bereits am Anfang für die Zukunft. Mit persönlicher Resilienz und einem tragenden Weg zu unseren Glanzlichtern und Wunschperlen können wir uns immer neue Fähigkeiten aneignen, die unsere angeborenen Gaben unterstützen. Wir haben die Kraft, unser Leben neu zu entwerfen und zu gestalten, wenn wir das wollen. Es lädt uns ein, Wunderbares und scheinbar Unmögliches zu erleben.