Fettphobie, der einzige Elefant im Raum

Fettphobie ist eines der perversesten sozialen Konstrukte. Menschen fürchten dabei eine menschliche Eigenschaft: die Vielfalt der Körperformen.
Fettphobie, der einzige Elefant im Raum
Sergio De Dios González

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Sergio De Dios González.

Letzte Aktualisierung: 16. Mai 2023

Das Leben jenseits der “Normalität”, so wie sie von der Gesellschaft wahrgenommen wird, fordert seinen Tribut. Es gibt viele gesellschaftliche Regeln und Barrieren zu überwinden. Viele davon sind Mythen und außerdem schädlich. Die  Fettphobie ist ein Beispiel, das zu Frustration, Schmerz und zur Identitätsverzerrung führt. Dieses Phänomen berührt Menschen, deren Body Mass Index (BMI) über den “normalen” Werten liegt.

Gesellschaftliche Wahrnehmungen führen auch dazu, dass diese Menschen häufig ausgenutzt werden, indem Unternehmen versuchen, sich durch spezifische Produkte an ihnen zu bereichern. Wir laden dich heute ein, mit uns über das Thema Fettphibie nachzudenken.

“Ich habe heute Schwarz getragen, weil ich schon so oft gehört habe, dass es schlank machen soll. Aber stattdessen bin ich diese Sphäre der Dunkelheit, die durch die Hallen schleicht.”

-David Levithan-

Eine Frau die glücklich ist


Vorurteile und Ursprung der Fettphobie

Viele Menschen denken, dass eine Person mit einem BMI, der höher ist als das, was die meisten als normal ansehen, unzufrieden ist. Tatsächlich könntest auch du einer von diesen Menschen sein. Das ist verständlich, da es das ist, was dir deine Kultur beigebracht hat. Du nimmst es einfach an. Du glaubst vielleicht auch fälschlicherweise, dass es schweren Menschen an Willenskraft mangelt und sie nicht auf bestimmte Lebensmittel verzichten oder ins Fitnessstudio gehen können oder wollen.

Die Kultur bestärkt diese egozentrische Sichtweise. Wenn du dich also von diesen Menschen abgrenzt, fühlst du dich selbst besser. Schließlich bist du stark und kannst auf dich selbst aufpassen. Deshalb bist du ja auch dünner. Du gehst einfach davon aus, dass eine schwerere Person ihren Körper nicht mag, ihn jedoch nicht ändern will, weil ihr Wille nicht stark genug ist. Du bist überzeugt, dass sie zu schwach sind, wenn es darum geht, auf Junkfood zu verzichten.

Diese Denkweise ist viel einfacher, als zuzugeben, dass eine schwere Person sich möglicherweise selbst mag. Vielleicht müsstest du dir eingestehen, wie sehr du dich selbst unterdrückst. Auf wie viele angenehme Dinge du bereit bist, zu verzichten. Außerdem ist es viel einfacher, anzunehmen, dass diese Menschen sich nicht ändern können, selbst wenn sie es wollten, weil alles eine Frage der Willensstärke ist.

So nährt diese Denkweise die Vorstellung, dass jeder seinen Körper kontrollieren kann. Dass niemand jemals dick sein wird, wenn er “alles richtig macht”. Aber die Realität ist ganz anders.

Die Reaktionen der Menschen

Die meisten Menschen reagieren auf übergewichtige Menschen mit Mitleid und Mitgefühl. Es ist in etwa so, wie manche auf eine Person reagieren, die gesteht, dass sie eine unheilbare Krankheit hat. Anstatt “Schön, dich kennenzulernen”, sagen manche “Es tut mir leid” oder “Sie schaffen das schon”. Vielleicht möchten sie dieser Person auch den Bekannten vorstellen, den jeder hat, der viel abgenommen und nicht wieder zugenommen hat.

Fettphobie ein Konstrukt unserer Gesellschaft

Wenn es dich verletzt

Die Fettphobie ist eine der einschränkendsten Phobien von allen. Das liegt daran, dass es dabei um die Selbstablehnung geht, darum, einen Teil von sich zu hassen. Der Versuch, dies zu tun, würde dir jedoch schaden, da du dafür sterben müsstest. Viele versuchen aber, genau diesen Weg zu gehen. In der Tat distanzieren sie sich von ihrem Körper und versuchen, ihn zu ignorieren. Genau so, wie man einen unangenehmen Menschen ignorieren würde.

Der Preis, den sie dafür zahlen, ist jedoch sehr hoch. Menschen, die ihren Körper hassen, achten nicht mehr auf seine Signale. Sie bemerken Schmerzen erst, wenn es zu spät ist und die Folgen unumkehrbar sind. Dann verknüpfen sie die Krankheit einfach mit ihrem Übergewicht. Das ist der Anfang vom Ende.

Viele Übergewichtige, die auch unter Fettphobie leiden, hören auf, bestimmte Aktivitäten wie Sport, einen Tag im Schwimmbad und sogar eine lange Dusche zu genießen. Es geht ihnen nicht darum, dass andere Menschen sie sehen; sie wollen vor allem sich selbst nicht sehen und den Körper verstecken, den sie einfach nicht ausstehen können.

Sie hören auf, ihren Körper zu akzeptieren und achten auch nicht mehr auf ihn. Ihr Leben wird so zu einem Kampf. Fettphobie ist oft das Ergebnis von unerfülltem Verlangen und erlernter Selbstzensur. Immer bestraft von jenen strengen Richtern, die selten mitfühlend, verständnisvoll und liebevoll sind, nicht einmal zu sich selbst.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.