Ego-State-Therapie – Ego-States erkennen und wertschätzen

Bei der Ego State Therapie bei Traumafolgestörungen handelt es sich um eine neuartige Therapieform, die körperorientiert und ressourcenfokussiert ist.
Ego-State-Therapie – Ego-States erkennen und wertschätzen

Geschrieben von Redaktionsteam

Letzte Aktualisierung: 09. Oktober 2024

Ein Trauma ist eine seelische Wunde. Täter und Opfer stehen in Beziehung zueinander. Das Selbst des Opfers wird durch die Gewalteinwirkungen des Täters bedroht. Stress entsteht, durch den sich das Selbst aufspalten kann. Psychische Strukturen können sich spalten, wenn eine Person seelisch schwer verletzt wird. Die Ego-State-Therapie dient dazu, das Selbst zu reintegrieren und dadurch zu heilen. Die Fragmentierung soll aufgehoben werden, damit Patienten sich von dem Erlebten lösen und ihre Ego-States anerkennen und wertschätzen können.

Doch seit wann wird die Ego-State-Therapie in der Psychotherapie angewendet und wie funktioniert diese? Dieser Artikel liefert Antworten!

Wann wurde die Ego-State-Therapie entwickelt?

Bei der Ego State Therapie bei Traumafolgestörungen handelt es sich um eine neuartige Therapieform, die körperorientiert und ressourcenfokussiert ist. In der Regel wird die Methode bei Posttraumatischen Belastungsstörungen, Traumafolgestörungen, Borderline-Störungen, Angststörungen und Sexualstörungen eingesetzt. Außerdem eignet sich die Ego-State-Therapie zur Behandlung von dissoziativen Identitätsstörungen.

Angewendet wird die Ego-State-Therapie seit den 1980er Jahren. Die Entwickler John und Helen Watkins befassten sich mit abgespaltenen Ich-Zuständen von bindungstraumatisierten Menschen. Mit der von ihnen entwickelten Therapieform ließen sich diese schnell offenlegen.

Im Kern beschäftigt sich die Ego-State-Therapie mit der Aufspaltung der inneren Welt. Diese Aufspaltung kann sich auf Ich-Zustände und auf Repräsentanzen beziehen. Die Therapie dient dazu, die Ich-Zustände zu identifizieren und zu integrieren.

Das Psychologenpaar beschrieb diese Therapie in einem Buch. Anschließend wurde die Therapieform gemeinsam mit anderen weiterentwickelt.

Wie funktioniert Ego-State-Therapie?

In der Ego-State-Therapie wird ein multizentrisches Selbst angenommen. Dieses Selbst kann durch Traumata fragmentiert werden. Die Ich-Zustände werden wertgeschätzt und in Beziehung gesetzt.

Der Hintergrund: Wer psychische Traumata erlebt, verzeichnet häufig eine Spaltung des Selbst. Es entstehen Persönlichkeitsanteile, die autonom funktionieren. Darüber hinaus nimmt die Prägung Einfluss auf die Persönlichkeit. Gleiches gilt für Persönlichkeiten, auf die wir im Leben treffen. Die Persönlichkeitsanteile werden als Ego-States bezeichnet.

Das Alltags-Ich wird nach Jung als Komplex von vielen verschiedenen Komplexen betrachtet. Es dominiert, während alle anderen Ich-Zustände unbewusst vorhanden und damit schwer zu kontrollieren sind. Laut Jung laden sich Komplexe mit psychischer Energie auf. Durch die Therapie sollen die Komplexe nicht verschwinden. Allerdings sollen unerwünschte Begleiterscheinungen der Komplexe eliminiert werden.

Helen und John Watkins beziehen sich in ihrem Entwurf der Ego-State-Theorie auf Jung und seine Komplextheorie. Sie zogen aber auch andere Modelle heran und erschufen so eine Therapieform, die breit angewendet werden kann.

Unsere Ich-Zustände beschreiben Laien häufig mit Metaphern wie das “innere Kind”. Menschen mit multiplen Persönlichkeiten (auch als dissoziative Identitätsstörung bezeichnet) geben ihren Persönlichkeiten auch häufig Namen. Das bedeutet, dass sie jedem Persönlichkeitsanteil einen Charakter zuweisen. Manchmal werden die Persönlichkeiten als Untermieter oder Teufelchen auf der Schulter wahrgenommen.

In der Therapie lernen Betroffene, ihre Ich-Zustände nicht nur als Personen, sondern auch als Energiephänomene zu begreifen. Fällt das Energieniveau zu Beginn gering aus, kann dies durch die Schaffung von Sicherheit im Außen und die Krisenüberwindung wieder zunehmen. Dissoziative Phänomene können sich zurückbilden. Das Alltags-Ich wird stärker.

Doch aufgepasst: Dies wird nicht als Heilung betrachtet. Vielmehr ist die Stärkung des Alltags-Ichs durch ein gutes Umfeld und Co. als Effekt zu sehen, der vorübergehen kann. Sind Patienten toxischem Stress ausgesetzt, kann die Fragmentierung erneut und innerhalb kurzer Zeit auftreten. Die Persönlichkeitsanteile treten wieder hervor.

Wann wird die Ego-State-Therapie angewendet?

Die Ego-State-Therapie eignet sich insbesondere für die Psychotraumatologie. Grundsätzlich ist die Therapieform als integrativer Ansatz zu bezeichnen. Versucht wird, Ego-States zu integrieren und so die Kommunikation der Persönlichkeitsanteile zu verbessern.

Denn alle Ego-States sind von Bedeutung. Sie ermöglichen das Überleben in brenzligen Situationen, die toxischen Stress auslösen. Die Bedrohung fällt maximal aus. Andere States entstehen unter anderem durch Prägung und damit in der Kindheit oder der späteren Entwicklung des Betroffenen.

Bei der Ego-State-Therapie wird phasenweise vorgegangen. Dies ist in der Traumatherapie üblich. Ein Modell, das angewendet werden kann, ist das SARI-Modell von Maggie Phillips und Claire Frederick. Zunächst wird ein Zugang zu den Trauma-Erfahrungen hergestellt. Dann werden diese aufgelöst, um sie anschließend zu integrieren.

Zu Anfang hat die Stabilisierungsarbeit Priorität, in deren Rahmen möglichst früh Kontakt zu den Ego-States aufgenommen werden sollte. Zunächst nehmen in der Regel wenige Persönlichkeitsanteile an der Stabilisierungsarbeit teil.

Mit der Zeit erhöht sich die Anzahl der Persönlichkeitsanteile meistens, die etwas beitragen. Sie schöpfen Vertrauen. Blockiert wird dies im Laufe der Therapie unter Umständen von Ego-States, den Überlebensanteilen. Hier ist ein Verhandeln notwendig. Eine Herausforderung, denn die Ego-States verspüren häufig Angst voreinander, Abneigung gegenüber anderen States oder Hass.

Intrapsychische Phobien werden zum Beispiel durch Methoden aus der Verhaltenstherapie aufgelöst. Die Ego-States werden sich darüber bewusst, dass andere Ego-States existieren. Ängste werden abgebaut. Dies bildet die Basis für eine spätere Kooperation der Ego-States.

Ego-States vs. Dissoziative Identitätsstörung

Psychologen sind sich uneinig darüber, ob Ego-States und dissoziative Persönlichkeitsanteile das gleiche Phänomen beschreiben. Letztgenannte gehen mit einer schweren Erkrankung einher und können zu einer Berufsunfähigkeit führen.

Betroffene haben maximale Gewalt und einen schweren Missbrauch in der Kindheit erlebt.

Sie versuchen zunächst, Persönlichkeiten zu unterdrücken oder Macht auf sie auszuüben. Das Ziel: die Persönlichkeiten kontrollieren.

Im Rahmen der Ego-State-Therapie erlernen sie dann Wege, ihre Persönlichkeiten anzunehmen und mit ihnen in Kontakt zu treten. Ein inneres Team wird aufgebaut, das zusammenarbeitet. Eine neue Ordnung entsteht. Die Angst davor, mehrere Persönlichkeitsanteile zu besitzen, kann so gemindert werden.

Das Fazit – Die Ego-State-Therapie eignet sich zur Behandlung zahlreicher psychischer Störungen

Seit den 1980er Jahren wird die Ego-State-Therapie angewendet. Hier wird ressourcenfokussiert und körperorientiert vorgegangen, um Posttraumatische Belastungsstörungen, Traumafolgestörungen, Borderline-Störungen, Angststörungen und Sexualstörungen sowie dissoziative Identitätsstörungen zu behandeln.

Im Kern befasst sich die Ego-State-Therapie mit der Aufspaltung der inneren Welt des Patienten durch psychischen Missbrauch, Prägung im Kindesalter sowie im späteren Verlauf oder andere Persönlichkeiten. Die verschiedenen Persönlichkeitsanteile, die Ego-States, nehmen Betroffene in der Regel als Personen wahr. Die Therapie lehrt sie, die States auch als Energiephänomene zu begreifen.

Die Ego-States sollen zum Vorschein treten, miteinander in Kontakt treten, Vertrauen zueinander aufbauen und wertgeschätzt werden. Durch die Annahme ihrer Ego-States und die Akzeptanz dieser als Teamplayer können Betroffene ihre innere Welt neu ordnen und ihr Alltags-Ich stärker in den Vordergrund stellen.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.