Die unsichtbare Last: Angst bei Kindern und Jugendlichen

Angststörungen können bereits in jungen Jahren auftreten. Erfahre Wissenswertes über mögliche Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten.
Die unsichtbare Last: Angst bei Kindern und Jugendlichen
Leonardo Biolatto

Geschrieben und geprüft von dem Arzt Leonardo Biolatto.

Letzte Aktualisierung: 18. März 2024

Dieses allgegenwärtige Phänomen betrifft Menschen jeden Alters, ist jedoch bei Kindern und Jugendlichen besonders schwer zu erkennen. Angst ist eine natürliche Reaktion auf eine Bedrohung, die echt oder irrational sein kann. Dieses Gefühl ist unangenehm, doch notwendig, um uns in gefährlichen Situationen zu schützen. Diese Emotion wird in verschiedenen Lebensabschnitten unterschiedlich wahrgenommen: Bis zum Alter von zwei Jahren haben viele Trennungsängste, mit rund sechs Jahren entwickeln Kinder oft Angst vor imaginären Wesen.

Nur bei übermäßiger, irrationaler Angst spricht man jedoch von einer Phobie. Statistiken zufolge haben etwa 7 % der Kinder und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren eine Angsterkrankung. Schätzungsweise leiden zwischen 3 und 15 % der Weltbevölkerung an einer spezifischen Phobie.

Wir betrachten heute, wie sich Angst bei Kindern und Jugendlichen bemerkbar macht, welche Gründe sich dahinter verbergen und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.

Übermäßige Angst bei Kindern und Jugendlichen

Jedes Kind hat in bestimmten Situationen Angst, denn wie bereits erwähnt, handelt es sich um eine physiologische Reaktion. Manche Kinder und Jugendliche entwickeln jedoch übermäßige Ängste, die auf multifaktorielle Ursachen zurückzuführen sind:

  • Psychologische Faktoren: Erfahrungen in der Kindheit können Traumata auslösen (Dinge, die wir erlebt oder nicht erlebt haben).
  • Biologische Faktoren: Ein Ungleichgewicht von Neurotransmittern wie Serotonin oder Dopamin kann die Emotionsregulierung beeinflussen. Es können auch Veränderungen im Reaktionsmodus des autonomen Nervensystems, insbesondere bei der Aktivierung des Sympathikus, entstehen.
  • Genetische Faktoren: Es gibt Hinweise darauf, dass es Gene gibt, die mit der Entwicklung von Angststörungen und Depressionen in Verbindung stehen. Manche Menschen reagieren auch aufgrund vererbter Temperamentseigenschaften überempfindlich auf Stress. Die Genetik ist jedoch nicht allein ausschlaggebend, die Interaktion mit Umweltelementen ist entscheidend.
  • Soziale Faktoren: Das familiäre Umfeld kann einen starken Einfluss auf die Bewältigung des Kindes haben. Der Erziehungsstile ist entscheidend: Überbehütung und vermeidende Bindung werden mit extremen Ängsten in der Kindheit in Verbindung gebracht. Im Gegenteil wirkt eine sichere Bindung mit Zuneigung und Grenzen schützend. Auch das unterstützende soziale Netzwerk, einschließlich der Freunde, sollte hier erwähnt werden.

Arten von Ängsten bei Kindern

Angststörungen können sich in der Kindheit auf unterschiedliche Weise manifestieren. Die häufigsten Erscheinungsformen sind:

  • Panikstörung: Dies ist die akute Form der Angst. Die Symptome treten plötzlich auf und äußern sich durch körperliche Anzeichen wie Herzklopfen und Kurzatmigkeit.
  • Soziale Angststörung: Hierbei handelt es sich um die Angst vor sozialen Situationen. Viele Betroffene möchten nicht in die Schule gehen oder vermeiden den Kontakt mit Gleichaltrigen, da sie Angst vor der Verurteilung haben.
  • Generalisierte Angststörung (GAD): Dies ist eine extreme und schwere Form. Betroffene haben zahlreiche Symptome wie Albträume, häufiges Weinen, Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Appetitlosigkeit.
  • Trennungsangst: Diese Angst ist in der Entwicklung des Kindes normal. Sie entsteht in der Regel im Alter von etwa acht Monaten, wenn das Kind allein gelassen wird oder seine Eltern aus den Augen verliert. Wenn dieses Verhalten über das Vorschulalter hinaus anhält, muss es behandelt werden.

Warum treten Angstzustände in der Jugend auf?

Jugendliche haben oft Schwierigkeiten, ihre Gefühle aus der Kindheit zu bewältigen. Die Pubertät ist eine Zeit der emotionalen Labilität, sodass das Risiko, psychische Störungen zu erleiden, höher ist. Die Hormone spielen in diesem Fall eine wichtige Rolle. Der Cortisolspiegel (Stresshormon) ist in der Jugend hoch, was sich auf die emotionale Verarbeitung und die Entscheidungsfähigkeit auswirkt.

Ein weiterer Faktor ist die Familie: Sie kann als Unterstützungsnetzwerk versagen und deshalb ängstliches Verhalten begünstigen.

Des Weiteren spielt auch die digitale Vernetzung eine Rolle bei Angststörungen. Junge Menschen sehen in den sozialen Medien unrealistische Bilder, denen sie nacheifern, und lassen sich durch Likes und Kommentare einfach beeinflussen.

Wie wird Angst bei Kindern und Jugendlichen diagnostiziert?

Die Diagnose einer Angststörung beginnt in der Regel mit einem Gespräch, in dem die Psychologin oder der Psychologe wichtige Informationen über die Symptome und ihre Dauer sammelt. Standardisierte Fragebögen helfen bei der Bewertung, unter anderem folgende:

  • Allgemeine Angststörung-7 (GAD-7): Wurde für Erwachsene entwickelt, eignet sich aber auch für Heranwachsende.
  • Preschool Anxiety Scale (PAS): Nur für die Beurteilung von Ängsten bei Kindern im Vorschulalter.
  • Searching for Child Anxiety Related Emotional Disturbances (SCARED): Skala, die die Symptome in verschiedenen Bereichen bewertet.
  • Spence Child Anxiety Scale (SCAS): Erfasst verschiedene Arten von Ängsten, wie z. B. Trennungsangst, soziale Phobie, generalisierte Ängste und andere spezifische Störungen.

Die Skalen werden als integraler Bestandteil der Diagnose verwendet, sind jedoch allein nicht ausreichend für eine umfassende Beurteilung. Die Ergebnisse müssen im Kontext des einzelnen Patienten bewertet werden.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Kognitive Verhaltenstherapie und der Einsatz von Medikamenten mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern haben sich bei der Behandlung von Angststörungen im Kindesalter als wirksam erwiesen, so der Clinical Practice Guideline der American Academy of Child and Adolescent Psychiatry.

Die kognitive Verhaltenstherapie beinhaltet eine abgestufte Exposition gegenüber gefürchteten Situationen, die kognitive Umstrukturierung und das Erlernen von Bewältigungsstrategien. Bei jüngeren Kindern ist die Spieltherapie eine gute Alternative.

Was die medikamentöse Behandlung angeht, so werden am häufigsten Fluoxetin und Sertralin verschrieben. Fast immer wird das Mindestalter für die Indikation von 6 Jahren eingehalten.

Familiäre Unterstützung

Familiäre Unterstützung ist von entscheidender Bedeutung für Kinder mit Angststörungen, da sie Sicherheit, Geborgenheit und Verständnis benötigen, um ihre Ängste zu überwinden. Es ist wichtig, dass Eltern aktiv in die Therapie eingebunden werden, insbesondere wenn ihr eigenes Verhalten die Ängste des Kindes verstärkt.

Strategien zur Begleitung Jugendlichen

Auch hier ist die familiäre Unterstützung wesentlich. Eine offene und ehrliche Kommunikation hilft Jugendlichen in dieser Situation. Sie benötigen einen sicheren Raum, um über ihre Sorgen zu sprechen und ihre Ängste bewältigen zu können. Die Eltern müssen deutlich machen, dass sie zur Verfügung stehen und immer da sind, wenn sie gebraucht werden.

Eine hilfreiche Möglichkeit für Jugendliche ist das therapeutische Schreiben. Diese Methode unterstützt sie dabei, ihre Gefühle besser zu verarbeiten. Sie können dafür zum Beispiel ihr Handy verwenden, wenn sie die digitale Welt bevorzugen.

Angst ist multifaktoriell und das Umfeld ist der Schlüssel

Eine Angststörung kann nicht auf eine einzige Ursache zurückgeführt werden, insbesondere nicht bei Kindern und Jugendlichen.

Ist es möglich, das Problem zu verhindern? Durch eine offene, durchsetzungsfähige und sicherheitsgebende bindungsorientierte Familienkommunikation ist es zumindest möglich, das Risiko zu verringern, dass Kinder oder Jugendliche unter extremen Ängsten leiden.

Es ist immer ratsam, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Verschiedene Ansätzen umfassen Stressbewältigungstechniken, Entspannungsmethoden, Atemübungen und Achtsamkeitsübungen. Psychologische Fachkräfte arbeiten mit dem Kind oder Jugendlichen auch an den spezifischen Situationen, die Angst auslösen und helfen ihnen, negative Denkmuster und kognitive Verzerrungen zu verändern.


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