Der Tiger und die Angst, die du selbst fütterst
Stell dir vor, dass du mit einem kleinen Tiger zusammenlebst, der hungrig ist. Er erweckt den Eindruck, dich fressen zu wollen, oder zumindest denkst du das. Es ist ein kleiner Tiger, aber er ist furchterregend. Also gibst du ihm Fleisch, um ihn von dir fernzuhalten. Für kurze Zeit lässt dich der Tiger tatsächlich in Ruhe. Doch du kannst dich nur kurz in Sicherheit wägen, denn wenn der Tiger frisst, wächst er auch.
“Der Irrtum des Intellektualismus besteht darin, anzunehmen, dass der menschliche Geist einem allgemeinen Bedürfnis nach Erklärungen gehorcht.”
Pascal Boyer
Dein Tiger ist jetzt größer und gefährlicher und er hat wieder Hunger. Du gibst ihm deshalb mehr Futter und er entwickelt sich prächtig. In kurzer Zeit ist die wilde Großkatze, die du eigentlich kontrollieren wolltest, riesig.
Deine Angst ist ein Tiger, der dich verschlingen möchte. Du kannst dich jedoch bemühen, in deinem Urteil flexibler zu sein, um zu erreichen, dass dich dein Tiger nicht mehr stört. Allerdings musst du akzeptieren, dass er sich nicht zurückziehen wird.
“Was du leugnest, unterwirft dich, was du akzeptierst, verwandelt dich.”
Carl Gustav Jung
Der Versuch, unsere Gedanken und Gefühle um jeden Preis zu kontrollieren, kann zu einem Unbehagen führen, das uns dazu bringt, stehenzubleiben.
Der Tiger und die Angst
Der Tiger kommt als Metapher für Angst in den neuen Therapien der dritten Generation häufig zum Einsatz. Diese Therapien unterscheiden sich von anderen dadurch, dass sie nicht versuchen, Gedanken zu ändern oder gegen sie anzukämpfen, sondern eine natürlichere Beziehung zu ihnen aufzubauen und ihre Existenz zu akzeptieren.
Wenn du Angst oder ein unangenehmes Gefühl spürst, ist es besser, dieses Gefühl zuzulassen, als dagegen anzukämpfen. Je mehr Aufmerksamkeit du ihm schenkst, desto präsenter wird es.
Oft ist das Gefühl, Angst zu haben (Meta-Bewusstsein), schlimmer als die Angst selbst. Außerdem schließt sich häufig der Kreis, indem die Wahrnehmung der Angst exponentiell zunimmt.
Wenn du deine Angst nährst, wird sie nicht nur deinen Körper, sondern auch deinen Geist kontrollieren. Sie wächst ständig und bedroht dich immer mehr. Schließlich beschäftigst du dich ständig mit ihr und fühlst dich schon Tage vor der eigentlichen Angstsituation unruhig und nervös.
Wenn du die Angst als etwas Lästiges, Unnötiges und Abnormales erlebst, wird dein Geist der Angst selbst mehr Aufmerksamkeit schenken als deinem Verhalten (Exposition). Füttere den Tiger (die Angst) nicht, denn er wird stärker und kontrolliert schließlich alles, was du tust.
Der ungebetene Gast
Eine weitere Metapher illustriert, wie sich die Angst verhält: “Der ungebetene Gast”. Der Gastgeber hat auf seiner unterhaltsamen Party ständig einen hoffnungslosen Gedanken und schenkt diesem seine ganze Aufmerksamkeit. Er versucht, ihn zu verdrängen, doch er kehrt immer wieder zurück. Der Gedanke nimmt den Gastgeber schließlich gefangen und hält ihn davon ab, an der Party teilzuhaben.
Dann trifft der Gastgeber eine Entscheidung, die uns allen zeigt, wie wir mit Angst umgehen können. Schau dir dieses Video an, das zeigt, wie du mit deinem “ungebetenen Gast” vorgehen kannst.