Anosmie, eine unangenehme Riechstörung

Wir leben inmitten von faszinierenden oder unangenehmen Gerüchen und Düften, die alles durchdringen. Menschen mit Anosmie nehmen keine Gerüche wahr, was ihre Lebensqualität stark beeinträchtigt.
Anosmie, eine unangenehme Riechstörung
Gorka Jiménez Pajares

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Gorka Jiménez Pajares.

Letzte Aktualisierung: 03. März 2023

Stell dir vor, du lebst in einer Welt ohne Gerüche. Menschen mit Anosmie sind mit einer komplexen Situation konfrontiert, denn der Geruchssinn ist, wie alle anderen Sinne, überlebenswichtig. Er warnt uns vor bestimmten Bedrohungen in der Umwelt und lässt auch Erinnerungen in unserem Gedächtnis entstehen.

Gerüche wirken direkt auf das limbische System, das für Emotionen und Triebe verantwortlich ist. Es handelt sich um einen höchst komplexen chemischen Prozess, der in der Nase beginnt, in der zwischen zehn und 30 Millionen Nervenzellen angesiedelt sind, die Rezeptoren für rund 350 Duftstoffe besitzen. Wir können die verschiedenen Duftmoleküle sehr rasch identifizieren und ihnen einen Namen geben: “Es duftet nach Rosen” oder “Vorsicht: Rauch!”

“Alle Gerüche, ob sie angenehm sind oder nicht, wecken außergewöhnliche Erinnerungen.”

Primo Levi

Frau leidet an Anosmie
Gerüche sind eng mit unseren Erinnerungen verbunden.

Der Geruchssinn

Der Geruchssinn schenkt uns nicht nur unvergessliche Erlebnisse und Erinnerungen, sondern warnt uns auch vor potenziell lebensbedrohlichen Situationen. Wir können damit beispielsweise bedrohliches Feuer riechen oder Lebensmittel erkennen, die nicht mehr gut sind.

Sobald unsere Nase Geruchsmoleküle einatmet, gelangen die Informationen zu den Riechschleimhäuten in der Nasenscheidewand, die mit Riechsinneszellen ausgestattet sind. Die Geruchszellen docken an die Geruchsrezeptoren an und werden nach der Umwandlung der chemischen in elektrische Signale in den Riechkolben oberhalb der Nasenwurzel weitertransportiert. Hier werden die Informationen gesammelt und verarbeitet. Die Signale gelangen schließlich über die Riechbahn in das Großhirn, wo sich die Riechrinde befindet. Die Kombination der rund 350 Rezeptortypen ermöglicht es uns, etwa 10.000 verschiedene Gerüche wahrzunehmen. 

“Du hast den Geruch des Waldes und den Geschmack des Lebens mitgenommen.”

Antonio Gala

Anatomie des olfaktorischen Kortex

Der olfaktorische Kortex ist das große Zentrum, welches das Orchester der Gerüche dirigiert. Dieses Gehirnareal versetzt uns in die Lage, Gerüche zu identifizieren und zu erkennen und unterschiedliche Gerüche, die wir gleichzeitig wahrnehmen, zu differenzieren. Wir skizzieren kurz die Instrumente dieses Orchesters:

  • Area piriformis: Diese Region hat die Aufgabe, die anteriore Struktur zu unterstützen, damit wir Geruchsmoleküle unterscheiden und kennzeichnen können.
  • Tuberculum olfactorium: Ist an der Verarbeitung der olfaktorischen Reize beteiligt.
  • Kortikomediale Kerngebiete der Amygdala: Gerüche werden hier mit verschiedenen Emotionen assoziiert, so kann der Geruch nach Rauch beispielsweise Angst auslösen. 
  • Area entorhinalisDiese Struktur, die das Geruchsgedächtnis beherbergt, hilft uns bei der Beantwortung von Fragen wie: Warum assoziieren wir einen bestimmten Geruch mit einer Person? Warum geben wir bestimmte Düfte ab? Weshalb können Düfte bei Menschen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung die traumatischen Erfahrungen aktivieren?
  • Nucleus olfactorius anterior: Dieses Instrument macht uns bewusst, was wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt riechen. Er verleiht uns auch die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Arten von Gerüchen zu unterscheiden, zum Beispiel “süß” oder “blumig”.

Eine der Strukturen, auf die diese Regionen ihre Informationen projizieren, ist der orbitofrontale Kortex. Wenn diese Region eine Läsion erleidet, kann die Person nicht mehr unterscheiden, welchen Geruch sie wahrnimmt.

“Patienten mit Läsionen im orbitofrontalen Kortex können die An- oder Abwesenheit eines Geruchs erkennen, sind aber nicht in der Lage, zwischen verschiedenen Gerüchen zu unterscheiden.”

Oris Lam de Calvo

Eine Annäherung an die Ätiologie der Anosmie

Anosmie beschreiubt das Fehlen oder den vollständigen Verlust der Riechfähigkeit. Damit geht auch der Genuss des Essens verloren, denn ohne Geruchswahrnehmung schmeckt das Essen fahl und geschmacklos. Dieser Zustand nennt sich im Fachjargon Ageusie. Es gibt verschiedene Stufen des Geruchsverlustes (Chaves-Morillo, 2017):

  • Normosmie oder normale Fähigkeit zu riechen.
  • Hyposmie oder verminderte Fähigkeit zu riechen.
  • Hyperosmie oder erhöhte Geruchsfähigkeit.
  • Dysosmie oder eine Veränderung der normalen Geruchswahrnehmung. Sie kann z. B. im Rahmen einer Schizophrenie auftreten.

Zu den Symptomen der Anosmie gehört eine psychiatrische Vorgeschichte, wie z. B. Defizite im Kurzzeitgedächtnis (Guerra, 2016). Außerdem gibt es eine neurologische Vorgeschichte, oft ein Kopftrauma. Auch die Wirkung bestimmter viraler Erreger kann damit im Zusammenhang stehen, etwa SARS-COV-2 .

Verschiedene Krankheiten können das Geruchssystem beeinträchtigen und Anosmie auslösen
Es gibt verschiedene Arten von Anosmie.

Ursachen für Anosmie

Die Ursachen für diese Geruchsstörung sind Verletzungen oder Entzündungen von Gehirnstrukturen. Sie sind sehr vielseitig und komplex. Folgende Auslöser sind bekannt (Guerra, 2016):

  • Schädeltrauma
  • Normale Alterungsprozesse
  • Demenz, unter anderem Alzheimer
  • Verstopfung der Nase aufgrund einer Virusinfektion
  • Hirntumor
  • Einnahme von Medikamenten, wie z.B. dem Antipsychotikum Reserpin
  • Operation
  • medizinische Behandlungen gegen Krebs
  • Rauchen

Experten unterscheiden die traumatische Anosmie (z. B. durch ein Schädeltrauma), die virale Anosmie (z. B. durch COVID-19) und die idiopathische Anosmie (unbekannte Ursache). Verschiedene Maßnahmen können zur Rehabilitation beitragen, die für die Sicherheit und das psychische Wohlbefinden der Patienten entscheidend ist.

“Der Verlust des Geruchssinns wird mit der Entwicklung von Gedächtnisstörungen in Verbindung gebracht, die ein Schlüsselfaktor im Verlauf von neurodegenerativen Krankheiten sind.”

Virginia Chaves-Morillo


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  • Chaves-Morillo, V., Gómez-Calero, C., Fernández-Muñoz, J. J., Toledano-Muñoz, A., Fernández-Huete, J., Martínez-Monge, N., … & Peñacoba-Puente, C. (2017). La anosmia neurosensorial: relación entre subtipo, tiempo de reconocimiento y edad. Clínica y Salud, 28(3), 155-161.
  • Guerra Sánchez, M., Escanero Marcén, J., Izquierdo Álvarez, S. (2016). Anosmia. SEQC Ed Cont Lab Clin, 26: 81-91
  • e Calvo O (2016). Fisiología del olfato. Fernández-Tresguerres J.A., & Ruiz C, & Cachofeiro V, & Cardinali D.P., & Escriche E, & Gil-Loyzaga P.E., & Juliá V, & Teruel F, & Pardo M, & Menéndez J(Eds.), Fisiología humana, 4e. McGraw Hill. https://accessmedicina.mhmedical.com/content.aspx?bookid=1858&sectionid=134364259

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