Zoom-Dysmorphie: Wie sich Videochats auf unsere Psyche auswirken
Videokonferenzen und Online-Vorlesungen gehören seit einigen Jahren zum Alltag. Wir betrachten uns dabei selbst und nehmen im Gespräch mit anderen vermehrt unsere eigenen Makel wahr. Jedes Fältchen und jeder Pickel kommen während des Vergleichs mit den anderen Teilnehmern auf dem Bildschirm besonders zur Wirkung und übernehmen die Hauptrolle. Wissenschaft ler nennen diese verzerrte Selbstwahrnehmung, die sich negativ auf die Psyche auswirkt, Zoom-Dysmorphie.
Zoom-Dysmorphie: Was ist das?
Videochats führen oft dazu, dass wir auf unser eigenes Gesicht starren und uns vermehrt mit anderen vergleichen. Eingebildete oder reale Defekte des Erscheinungsbildes werden dadurch besonders deutlich, und das kann zu einem erheblichen Leidensdruck führen, den wir als körperdysmorphe Störung bezeichnen.
Die Dermatologin Dr. Shadi Kourosh prägte den Begriff Zoom-Dysmorphie, nachdem sie in ihrer Klinik nach der postpandemischen Wiedereröffnung eine enorme Nachfrage für kosmetische Verfahren beobachten konnte. Viele waren an Laserbehandlungen, Botoxbehandlungen und anderen Schönheitsverfahren interessiert. Die veranlasste die Dermatologin, als Co-Autorin eine Studie über diesen Trend durchzuführen.
Eine Umfrage, an der 134 Hautkliniken und Dermatologen teilnahmen, ergab, dass 56,7 % der Befragten im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie eine deutliche Zunahme der Nachfrage an kosmetischer Beratung verzeichneten. 86,4 % der Experten nannten Videokonferenzen als Grund für das zunehmende Verlangen nach Schönheitsbehandlungen.
80 % der Befragten äußerten, dass sich die Anfragen auf die Stirn konzentrierten, 78 % nannten die Augenpartie als Ziel der Schönheitsbehandlungen. Des Weiteren waren viele um Falten im oberen Gesichtsbereich, dunkle Augenringe, Hautflecken und schlaffe Haut im Halsbereich besorgt.
Die verzerrte Wahrnehmung bei Videochats
Rice, Graber und Kourosh (2020) argumentieren, dass wir bei Gesprächen in der realen Welt unser Gesicht nicht sehen oder mit anderen vergleichen können, wie dies bei Videochats der Fall ist. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass Kameras eine verzerrte Darstellung des tatsächlichen Erscheinungsbildes präsentieren.
Forscher haben herausgefunden, dass Selfies aus einer Distanz von 30 cm die Nase bei Männern um 30 % und bei Frauen um 29 % größer wirken lassen. Im Gegensatz dazu ist bei einem Foto aus einer Distanz von fünf Metern praktisch keine Größenverzerrung wahrzunehmen.
Bei Videochats nehmen wir ein verzerrtes Kamerabild wahr, das nicht der Wirklichkeit entspricht. Deshalb werden Unvollkommenheiten besonders deutlich.
Zoom-Dysmorphie und Selbstwertgefühl
Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl sind vermehrt auf die Anerkennung und Meinung anderer angewiesen. Das Selbstbild ist für diese Personen besonders wichtig, denn sie glauben, dass davon die Akzeptanz und Wertschätzung seitens ihrer Mitmenschen abhängen.
Die Körperwahrnehmung und die damit verbundenen Gefühle beeinflussen jedoch das Selbstkonzept und das Selbstwertgefühl. Die Zoom-Dysmorphie macht deutlich, wie sehr sich die verzerrte Wahrnehmung und der ständige Vergleich mit anderen auf die Psyche auswirken.
Was tun, um die Zoom-Dysmorphie zu vermeiden?
Folgende allgemeine Tipps können hilfreich sein:
- Vermeide den ständigen Blick auf die Kamera deines Handys oder Computers. Schalte die Kamera aus oder decke das Bild von dir selbst mit einem Stück Papier ab, wenn das nicht möglich ist.
- Ändere deine Perspektive und versetze dich in die Lage der anderen: Glaubst du, sie sind tatsächlich an deinen Unvollkommenheiten interessiert? Viel wahrscheinlicher ist, dass sie deine Meinung zu einem Thema hören möchten.
- Vergiss nicht, dass auch andere mit ihrem Selbstbild beschäftigt sind und sich wenig um dein Aussehen kümmern. Es geht ihnen so wie dir: Sie entdecken im Vergleich mit dir ihre eigenen Makel und interessieren sich nicht für deine Unvollkommenheiten.
Konzentriere dich auf die Inhalte des Gesprächs, so wie du das auch in einer Konversation in der realen Welt tust. Lass nicht zu, dass dir die verzerrte Selbstwahrnehmung in Videochats dein Selbstwertgefühl raubt. Du bist ein Gesamtkunstwerk und keinesfalls nur ein Bild in einer virtuellen Welt.
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- ‘I believe it’s a mental health issue’: the rise of Zoom dysmorphia. Disponible en: https://www.theguardian.com/fashion/2021/sep/01/i-believe-its-a-mental-health-issue-the-rise-of-zoom-dysmorphia.
- Rice, S. M., Graber, E., & Kourosh, A. S. (2020). A Pandemic of Dysmorphia: “Zooming” into the Perception of Our Appearance. Facial Plastic Surgery & Aesthetic Medicine, 22(6), 401–402. doi:10.1089/fpsam.2020.0454
- Ramphul, K. (2022). “Zoom Dysmorphia”: the rise of a new issue amidst the pandemic. Acta Bio Medica: Atenei Parmensis, 92(6).