Wie unser Gehirn Erinnerungen wieder aufleben lässt
Wenn wir uns an Vergangenes erinnern, erleben wir oft die gesamte Situation, in der dieses Ereignis stattfand, noch einmal. Eine neue Forschung hat ergeben, was hierbei in unserem Gehirn passiert.
Die von der Zeitschrift Nature Communications veröffentlichte Studie zeigt, dass sich die gesamte Situation vor unserem inneren Auge wieder abspielen kann, wenn jemand versucht, sich an einen Aspekt eines früheren Geschehnisses zu erinnern, wie beispielsweise das gestrige Kennenlernen einer bis dahin unbekannten Person. Dabei erinnern wir uns nicht nur an den Menschen selbst, sondern auch an zusätzliche Informationen, wie den Ort und die Gegebenheiten beim Kennenlernen.
Vergangenes mental noch einmal zu erleben, erlaubt es uns, in die Erfahrung einzutauchen.
„Wenn wir uns an ein vergangenes Lebensereignis erinnern, besitzen wir die Fähigkeit, uns in der Erinnerung und der Erfahrung zu verlieren“, erklärt Doktor Aidan Horner, Leiter der Studie, vom Institut für kognitive Neurowissenschaft des University College in London, Vereinigtes Königreich. „Wir erinnern uns an den Ort des Geschehens, an die Musik, die zu hören war, an unseren Gesprächspartner und an das Gesprochene“, bestätigt Horner.
Erinnerungen werden in verschiedenen Gehirnarealen abgespeichert
Horner erklärt, dass unsere Erinnerungen und all die damit verbundenen Aspekte in verschiedenen Teilen unseres Gehirns gespeichert werden. Dennoch sind wir dazu in der Lage, allesamt zu einem späteren Zeitpunkt wieder abzurufen.
Der Hippocampus spielt eine entscheidende Rolle, wenn es um unser Erinnerungsvermögen geht, denn in ihm verbinden sich all diese unterschiedlichen Aspekte miteinander, sodass das gesamte Ereignis mental noch einmal erlebt werden kann.
Die Forscher fanden heraus, dass die Verbindungen zwischen den verschiedenen Aspekten eines Geschehnisses es uns erlauben, alle anderen Aspekte vor unserem inneren Auge wiederherzustellen. Wenn wir uns beispielsweise an etwas erinnern, was wir gesehen haben, denken wir oft auch an andere Details, was wir z.B. zu diesem Zeitpunkt gemacht haben und wo wir waren. Das bedeutet, dass unsere Erinnerung das gesamte Ereignis aus der Vergangenheit im Ganzen wieder aufleben lässt.
Für die Forschungen wurden Magnetresonanz-Bilder verwendet, die zeigten, dass die unterschiedlichen Aspekte eines Geschehnisses in verschiedenen Bereichen unseres Gehirns Aktivitäten auslösen. Als die Probanden zu einem bestimmten Aspekt eines Ereignisses befragt wurden, wurden Gehirnaktivitäten im Hippocampus gemessen, was gleichzeitig andere Bereiche des Gehirns reaktivierte. Diese Reaktivierung hatte mit dem gesamten Ereignis zu tun, an das sich die Testpersonen erinnert.
Die Rolle des Hippocampus in Bezug auf unser Erinnerungsvermögen
Neil Burgess, ein weiterer Kopf der Studie, erläuterte, dass diese Arbeit eine Simulation am Computer unterstütze, die aufzeige, wie unser Gedächtnis arbeiten könnte, in welchem der Hippocampus es ermöglicht, dass verschiedene Arten von Information zusammengeführt werden können, damit wir sie uns wieder als ein gesamtes Ereignis ins Gedächtnis rufen können, wenn wir uns daran erinnern möchten, was passiert ist.
Außerdem könne dadurch unsere Fähigkeit, uns an Vergangenes zu erinnern, erforscht und verstanden werden, wie dieser Prozess in Krankheitsfällen, wie bei Alzheimer oder einer posttraumatischen Störung, nicht richtig funktionieren kann.
Das Experiment
An der Studie nahmen 26 Probanden teil, die man bat, sich an eine Reihe von Ereignissen zu erinnern, die an verschiedenen Orten stattfanden, berühmte Persönlichkeiten und Objekte enthielten. Danach wurden sie aufgefordert, sich an Details in Form von nur einem bestimmten Merkmal an das Geschehene zurück zu erinnern. Zum Beispiel wurden sie gebeten, in ihren Gedanken ein Ereignis zu erschaffen, in dem der damalige US-Präsident Barack Obama, eine Küche und ein Hammer vorkommen. Dann sollten die Probanden sich an nur einen einzigen Aspekt erinnern, wie beispielsweise wo Obama war, was es in der Küche gab oder welches Objekt Obama besaß. Als sie sich schließlich an verschiedene Aspekte des Ereignisses erinnern sollten, wurde bei den Testpersonen die Gehirnaktivität gemessen.
Die Ergebnisse belegen, dass verschiedene Bereiche des Gehirns eine erhöhte Aktivität aufzeigen, weil sie wohl mit unterschiedlichen Aspekten des jeweiligen Events in Zusammenhang stehen. Der Hippocampus stellt dabei eine Verbindung her, um ein gesamtes Ereignis entstehen zu lassen: Die Studie offenbarte, dass eine erhöhte Aktivität in den jeweiligen Bereichen des Gehirns stattfand, die mit “Obama” und “Küche” verbunden waren, als man sie danach fragte, wo Obama war. Die Testpersonen erinnerten sich sogar an den Hammer, obwohl danach gar nicht gefragt wurde.
Diese Reaktivierung der verschiedenen Gehirnareale in Verbindung mit einer erhöhten Aktivität des Hippocampus lässt darauf schließen, dass dieser dafür verantwortlich ist, sich an ein gesamtes Ereignis zu erinnern. Diese Forschung ist die erste im Bereich der Entstehung von Erinnerungen im menschlichen Hippocampus und untersuchte diese in Zusammenhang mit dem alltäglichen Erinnern an Vergangenes.