Wechseljahre bei Männern - eine wahre Midlife-Crisis?

Wechseljahre bei Männern - eine wahre Midlife-Crisis?
Raquel Aldana

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Raquel Aldana.

Letzte Aktualisierung: 12. Juli 2023

Wechseljahre bei Männern? Ja, die gibt es. Sie charakterisieren sich durch Hypersensibilität, Angst, Frustration und Zorn. Sie werden mit biochemischen Veränderungen, hormonellen Schwankungen, Stress, und dem Verlust der „maskulinen Identität“ in Verbindung gebracht. Viele Männer erleben ihre Wechseljahre als deutlich definierbaren Lebensabschnitt, auch wenn der Begriff noch neu ist: Die Wechseljahre bei Männern sind eine Realität, mit der alternde Männer zurechtkommen müssen.

2002 veröffentlichte der schottische Wissenschaftler Gerald Lincoln, der auf dem Gebiet der Fortpflanzung für den Medical Research Council arbeitete, die Ergebnisse einer Studie, in der über Jahre der Testosteronspiegel bei männlichen Tieren gemessen wurde. Sie zeigte, dass der zunehmende Hormonmangel die Tiere gereizter und sensibler machte und ihren Sexualtrieb minderte.

Mann, der sein Gesicht mit den Händen verdeckt

Jed Diamond entschied sich, dieses Phänomen genauer zu studieren, weil er Forschungsbedarf auf diesem Gebiet sah. Im Jahr 2004 veröffentlichte er das Buch: Der Feuerzeichen-Mann: Wenn Männer in die Wechseljahre kommen.  In diesem Buch stellt er an Fallbeispielen ein Problem dar, das er in seiner Klinik bei Männern im Alter von 40-50 Jahren sehr häufig beobachtet hat. Es geht um Energie- und Motivationsmängel, einen Rückgang der sexuellen Begierde, deutliche Stimmungsschwankungen, Gereiztheit, Depression und Aggression. Er vergleicht die Stimmung Betroffener mit einem Brummbär, im Englischen “Grumpy”, und nennt diesen Zustand deswegen auch „Grumpy Man“ oder „mürrischer Mann“.

Dr. R. Petty zufolge, einem in der Wellman Clinic tätigen Arzt (London, Vereinigtes Königreich), erlebten 50% der Männer im Alter von über 45 Jahren die männlichen Wechseljahre. Oft würden sie nicht angemessen diagnostiziert, sodass eine Behandlung entweder gar nicht oder nicht gezielt erfolge. Eine Hormontherapie, wie es sie für Frauen bereits gibt, käme auch für Männer infrage.

Trauriger Mann

Der Beschreibung nach könnte man die Wechseljahre bei Männern mit der wohlbekannten Midlife-Crisis verwechseln. Wir müssen dabei in Betracht ziehen, dass die Wechseljahre bei Männern noch keine offizielle Diagnose darstellen. Sie werden momentan erforscht, um ein besseres wissenschaftliches und allgemeines Verständnis der Entität und zugehöriger Symptome zu erreichen. Wir sollten die Ähnlichkeiten zwischen den Wechseljahren und der Midlife-Crisis aber auf keinen Fall heranziehen, um die Emotionen und Gefühle von Männern, die leiden, kleinzureden.

Die sozialpsychologischen und physischen Veränderungen, die Betroffene erleben, sind belastend genug: Es ist die Aufgabe aller, an der Akzeptanz durch die Gesellschaft zu arbeiten.

Wir sollten nicht unsere Hände über dem Kopf zusammenschlagen, nur weil ein „neuer“ Zustand definiert wurde. Er spiegelt die Realität wider, die wir schon kennen. Das Ziel dieses Beitrages ist es, Bewusstsein für die physische und emotionale Gesundheit von Männern zu schaffen, die ebenfalls Aufmerksamkeit und Pflege benötigt.

Was ist der Ursprung der männlichen Wechseljahre?

Die Ausprägung von Symptomen wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst:

1. Hormonelle Schwankungen

Theresa L. Crenshaw, Autorin des Buches Die Alchemie von Liebe und Lust, sagt über das Testosteron: „Testosteron ist der junge Marlon Brando – sexuell, sinnlich, verführerisch, mit einem gefährlichem Unterton.“  Und ja, Testosteron beeinflusst aggressives Verhalten, sogar Gewalt, und Konkurrenzdenken. Diamond zufolge „wissen wir, dass Männer mit einem enorm hohen Testosteronspiegel gereizt und aggressiv sind. Aktuelle Studien zeigen aber, dass die Mehrheit der hormonellen Probleme von Männern durch einem niedrigen Testosteronspiegel entstehen.“

Mann, der sich in einem zerbrechenen Spiegel betrachtet

2. Biochemische Veränderungen im Hirn

Eine andere Substanz, die für die männlichen Wechseljahre verantwortlich ist, ist das Serotonin. Einige Studien zeigen, dass zu den häufigsten Ursachen für einen niedrigen Serotoninspiegels Diät und Essgewohnheitenen zählen. Judith Wurtman und ihre Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology (Massachusetts, USA) fanden heraus, dass eine proteinreiche und kohlenhydratarme Ernährung zu Reizbarkeit bei Männern führen kann. „Sich von Protein zu ernähren, wenn wir Kohlenhydrate benötigen, kann uns mürrisch, unruhig oder reizbar machen“,  betonen die Autoren.

Man fand ebenfalls heraus, dass Alkoholkonsum initial den Serotoninspiegel erhöht, chronischer Alkoholismus diesen aber senkt. Dies kann depressive Zustände, Schlafstöungen und Reizbarkeit auslösen.

3. Mehr Stress

Für unseren Körper bedeuten Veränderungen Stress, egal diese positiv oder negativ sind. Ein Umzug, ein neuer Job, Familienzuwachs. All diese Dinge können wundervolle Veränderungen mit sich bringen. Nichtsdestotrotz können diese Veränderungen Spannungen auslösen. Spannungen führen zu anderen Emotionen, z.B. zu Angst und Reizbarkeit.

4. Wandel der Rolle und Identität

Die Gesellschaft verändert sich. Doch die Informationen, die wir momentan über die Geschlechterrollen, die wir erfüllen müssen, erhalten, sind verwirrend. Die Gesellschaft vertritt eine Doppelmoral. Und die macht es umso schwerer, sich in sie einzugliedern und seine persönliche Freiheit zu bewahren.

5. Versagensängste

Reizbarkeit zeigt sich eher, wenn wir mit unserem Partner nicht verbunden sind. Wie wir wissen, stehen Stress, mangelnde Kommunikation, Missverständnisse bei vielen Menschen auf der Tagesordnung und sind in Beziehungen zur Routine geworden. Diese Faktoren bewirken eine emotionale Distanz zu unseren Partnern.

Wenn du mehr zum Thema erfahren möchtest, empfehlen wir dir die Lektüre des Buches Der Feuerzeichen-Mann: Wenn Männer in die Wechseljahre kommen  von Jed Diamond.


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  • Diamond, J. (2006). El síndrome del hombre irritable: Gestione las cuatro causas de la depresión y la agresión. Editorial AMAT.
  • Noriega, A. T. (2013). La actitud y la Testosterona, la hormona del estilo de vida. Horizonte Médico (Lima)13(2), 46-50.
  • Preston, B. T., Stevenson, I. R., Lincoln, G. A., Monfort, S. L., Pilkington, J. G., & Wilson, K. (2012). Testes size, testosterone production and reproductive behaviour in a natural mammalian mating system. Journal of animal ecology81(1), 296-305.

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