Warum haben wir Angst vor dem Tod?

Die Angst vor dem Tod ist bis zu einem gewissen Grad immer vorhanden, da wir von unserem Überlebensinstinkt getrieben werden.
Warum haben wir Angst vor dem Tod?

Geschrieben von Edith Sánchez

Letzte Aktualisierung: 26. Juni 2023

Sterben ist Teil des Lebens, trotzdem haben viele Angst vor dem Tod. In manchen Fällen ist diese Angst so intensiv, dass sie die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt. Wenn sie den Alltag belastet, ist psychologische Hilfe angezeigt, doch oft bewegt sich die Angst vor dem Tod im normalen Bereich. Warum haben so viele Angst vor dem Sterben? Wir laden dich heute ein, mit uns darüber nachzudenken.

“Die Angst vor dem Tod ist die unberechtigtste aller Ängste, denn es besteht keine Gefahr, dass dir nicht gefällt, was nach deinem Tod passiert, weil du einfach nicht da sein wirst, um es zu erleben.”

Richard Dawkins

Warum haben viele Angst vor dem Tod?

Ein in der Fachzeitschrift Frontiers in Psychology veröffentlichter Artikel erklärt, dass wir zwar den Tod als grundlegende Realität des Lebens verstehen, die Angst jedoch aus der Ungewissheit über das Leben nach dem Tod entsteht. Die klinische Angst vor dem Sterben nennt sich Thanatophobie, sie bezieht sich jedoch nicht auf den Tod selbst, sondern auf den damit verbundenen Prozess (Sinof, 2017).

Warum entstehen diese Ängste? Wir analysieren anschließend die häufigsten Gründe.

1. Angst vor dem Unbekannten

Die Angst vor dem Tod entsteht meistens durch die Ungewissheit darüber, was danach kommen wird. Nicht die Vergänglichkeit selbst ist beunruhigend, sondern das Nichtwissen darüber, ob es nach dem Sterben noch etwas gibt oder nicht. Diese Angst vor dem Danach hängt mit den Jenseitsvorstellungen zusammen, die wiederum von der Kultur, in der wir leben, und von unserem Glauben oder Nicht-Glauben geprägt werden.

Die Angst vor dem Unbekannten ist eine natürliche, instinktive Reaktion, die auf unsere primitiven Vorfahren zurückgeht. In der Vergangenheit, als das Überleben von der Fähigkeit abhing, potenzielle Gefahren vorherzusagen und zu vermeiden, waren Ungewissheit und das Unbekannte besonders bedrohlich. Infolgedessen neigt das Gehirn zu Vorsicht und Abneigung gegenüber Unbekannten.

Auch frühere Erfahrungen können diese Angst stärken. Wer negative Erfahrungen in neuen Situationen macht, fürchtet sich in Zukunft vor ähnlichen Umständen eher.

2. Ablehnung des Kontrollverlusts

Das Gefühl, die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren, ist ein weiterer Faktor für die Angst vor dem Tod. Wir wissen, dass der Tod unvermeidbar ist und jederzeit eintreten kann. Deshalb ist der Einfluss des eigenen Willens in dieser Situation sehr begrenzt.

Kontrolle ist ein menschliches Grundbedürfnis, denn sie hilft uns, uns in der Welt zurechtzufinden und nützliche Entscheidungen zu treffen. Fehlende Kontrolle bedeutet Machtlosigkeit und Hilflosigkeit angesichts scheinbar bedrohlicher Szenarien. Das führt oft zu Stress und Angst.

3. Die Sorge um das Schicksal der Menschen, die uns nahestehen

Wir haben oft Angst, da wir uns Sorgen über die Auswirkungen unseres eigenen Todes auf die Umgebung machen. Eine Mutter oder ein Vater macht sich Sorgen, was mit den Kindern passieren wird, sollte dieses Schicksal eintreffen.

Diese Angst ist auch mit dem Wunsch verbunden, geliebten Menschen nicht zu schaden. Außerdem kann eine Angst vor Verlust oder Verlassenheit vorhanden sein, die nicht unbedingt bewusst erlebt wird.

4. Leiden und Qualen

Menschen fürchten körperliches Leid, weil es eine unangenehme und oft unkontrollierbare Erfahrung ist. Ein Artikel in Frontiers in Medicine erinnert deshalb daran, dass die Vorstellung, auf schmerzhafte oder qualvolle Weise zu sterben, Angst bereitet.

Es gibt Fälle, in denen Menschen vor ihrem Tod großes Leid erfahren, und das führt offensichtlich zu Ängsten bei denjenigen, die an ihren eigenen Tod denken.

Die meisten Menschen wünschen sich das friedliche Einschlafen, doch der Tod ist nicht vorhersehbar. Viele erfahren körperliches Leid und diese Perspektiven machen Angst.

5. Die Vorstellung von der Leere

Manche Menschen haben Angst vor dem Sterben, weil sie diese Erfahrung mit der Vorstellung verbinden, dass mit dem Tod alles zu Ende ist, was sie im Leben getan oder erreicht haben, und dass es danach nichts mehr geben wird. Die Beschäftigung mit dem absoluten Nichts erzeugt Angst, denn sie impliziert die völlige Abwesenheit von Existenz, Gedanken, Gefühlen und Bewusstsein.

Auch gläubige Menschen können eine beängstigende Vorstellung vom Leben nach dem Tod haben, wie ein Artikel in Omega: Journal of Death and Dying betont. Viele Religionen lehren, dass in diesem Augenblick das gesamte Leben beurteilt wird, deshalb haben nicht wenige Ängste davor, was sie im Jenseits erwartet.

Ist es möglich, die Angst vor dem Tod zu lindern?

Viele Menschen leben so, als würden sie nie sterben, obwohl sie natürlich wissen, dass der Tod unvermeidbar ist. Dieses Sterblichkeitsparadoxon bringt zum Ausdruck, dass wir den Tod verdrängen. Doch in Wahrheit können wir die Angst vor dem Ende des Lebens nie völlig ausschalten. Wir können sie jedoch rationalisieren,  und zwar durch einen persönlichen Prozess, der Zeit und Nachdenken erfordert.

Über den Tod nachdenken, in der Gegenwart leben, über deine Ängste sprechen, professionelle Hilfe in Anspruch nehmen und Achtsamkeit praktizieren sind Strategien, die dir helfen, deine Ängste zu überwinden und ein erfülltes Leben zu führen.


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