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Verborgene Gefahr: Emotionale Erpressung in der Beziehung

8 Minuten
Ein erpressender Partner handelt manipulativ, übernimmt die Opferrolle, um Kontrolle auszuüben, und richtet sein Verhalten darauf aus, deine Wünsche zu untergraben. Solche Persönlichkeiten neigen dazu, dich zu isolieren, einzuschüchtern und dir Schuldgefühle zu machen – und gefährden damit dein emotionales Wohlbefinden.
Verborgene Gefahr: Emotionale Erpressung in der Beziehung
Macarena Liliana Nuñez

Geprüft und freigegeben von der Psychologe Macarena Liliana Nuñez

Geschrieben von Redaktionsteam
Letzte Aktualisierung: 04. Mai 2025

Emotionale Erpressung in Beziehungen basiert auf Zwang und Manipulation. Das Konzept, das die Therapeutin und Dozentin Susan Forward 1997 erstmals vorstellte, beschreibt eine mächtige Form der Kontrolle, bei der eine Person durch Drohungen oder Druck versucht, einer anderer ihren Willen aufzuzwingen. Dies kann direkt oder indirekt geschehen. Die Taktiken, die dabei eingesetzt werden, umfassen Einschüchterung, Schuldgefühle und Zwang.

Das Ziel dieser Manipulation ist es, den Partner so zu beeinflussen, dass er oder sie genau das tut, was der Erpresser verlangt. Dabei spielt der Erpresser geschickt mit seiner eigenen Opferrolle und nutzt die Schwächen und Ängste der anderen Person aus, um sie emotional zu kontrollieren. Häufig stellt die erpressende Person ihre eigenen Bedürfnisse und Prioritäten über das Wohl des Partners, ohne jegliche Rücksicht auf dessen Gefühle oder Bedürfnisse zu nehmen.

Wie erkennst du, ob dein Partner diese manipulative Taktik anwendet? Im Folgenden erläutern wir einige der häufigsten Warnzeichen. Es ist wichtig zu betonen, dass diese Konzepte vor allem im Rahmen von Psychoedukation, Therapie oder Beratung verwendet werden. Eine professionelle klinische Beurteilung ist entscheidend, um die Schwere und die Auswirkungen der Situation zu verstehen.

1. Passiv-aggressive Verhaltensweisen

Passiv-aggressive Verhaltensweisen sind ein häufiges Zeichen emotionaler Erpressung. Dabei werden negative Gefühle indirekt und auf subtile Weise zum Ausdruck gebracht. Es gibt eine Diskrepanz zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was durch das Verhalten kommuniziert wird. Die manipulierende Person beteuert oft, dass sie nicht verärgert ist, obwohl das Verhalten das Gegenteil zeigt. Passiv-aggressives Verhalten wird häufig mit Persönlichkeitsmerkmalen wie Narzissmus in Verbindung gebracht, kann aber auch ein wiederkehrendes Muster in Beziehungen sein.

Beispiel: Luisa fährt mit ihrem Auto, und ihr Freund Jonas sitzt auf dem Beifahrersitz. Obwohl sie nach einer Meinungsverschiedenheit beteuert, nicht wütend zu sein, dreht sie das Radio auf maximale Lautstärke, um ihn zu verunsichern.

2. An Schuldgefühle appellieren

Ein weiteres typisches Anzeichen für emotionale Erpressung ist das gezielte Schüren von Schuldgefühlen, um den Partner zu manipulieren. Dabei wird vorgetäuscht, sich für ein bestimmtes Verhalten schuldig zu fühlen, obwohl es eigentlich nur darum geht, den anderen zu erpressen und zu einem bestimmten Handeln zu bewegen. Der Erpresser nutzt diese Schuldprojektion, um die andere Person emotional unter Druck zu setzen und zum Nachgeben zu bringen.

Beispiel: Nachdem John Susanna vor einer Gruppe von Freunden kritisiert hat, sagt er: “Schatz, es tut mir leid, dass ich dich vor den Jungs blamiert habe. Du musst mir nicht verzeihen, ich habe das nicht verdient. Wenn du Schluss machen willst, verstehe ich das. Du solltest mit jemandem zusammen sein, der besser ist als ich.” Diese Entschuldigung kommt nicht aus einem echten Bedauern, sondern vielmehr aus dem Wunsch, die Verantwortung für sein Verhalten zu vermeiden und Susanna zu manipulieren. Es ist nicht das erste Mal, dass John dieses manipulative Verhalten anwendet.

3. Einschüchterung

Einschüchterung ist eine besonders perfide Form der emotionalen Erpressung. Sie erzeugt Angst, weil du glaubst, dass deinem Partner etwas zustoßen könnte – oder dass er dir aktiv schaden wird. Und du sollst dich auch noch dafür verantwortlich fühlen. Dieses Verhalten ist meist nicht einmalig, sondern wird über längere Zeit aufgebaut und aufrechterhalten, um dich zu kontrollieren und zu lähmen.

Beispiel: Daniel möchte nach einer turbulenten Beziehung endlich einen Schlussstrich ziehen und bittet Andrea um die Scheidung. Doch sie lehnt ab – mit der Drohung, ihm die Kinder zu entziehen. Dabei beruft sie sich auf das Gesetz.

4. Leere Versprechen: “Ich werde mich ändern”

Eines der bekanntesten Muster emotionaler Erpressung ist das Versprechen, sich zu ändern – das nie eingehalten wird. Der Partner verspricht dir das Blaue vom Himmel: Er wird sich bessern, sein Verhalten reflektieren, sich dir gegenüber fair verhalten. Doch sobald du bleibst, bleibt alles beim Alten. Dieses Versprechen ist oft nur ein Mittel, um dich zum Bleiben zu bewegen – nicht, um echte Verantwortung zu übernehmen.

Beispiel: Sofia hat Alexander mehrmals verziehen – obwohl er sie anlügt und vor ihrer Familie bloßstellt. Als sie sich endlich trennen will, fleht er sie an: „Bleib bei mir, ich verspreche, alles wird anders.“ Doch nichts ändert sich.

5. Gefühle gezielt manipulieren

Ein weiteres Warnzeichen: Dein Partner bringt dich dazu, deine Entscheidungen in Frage zu stellen, indem er deine Gefühle manipuliert. Wenn du nachgibst, überschüttet er dich mit Lob und Zuneigung. Wenn nicht, folgt Kritik – oder sogar emotionale Erpressung. Du wirst in eine Zwickmühle gebracht, in der du nur dann “gut” oder “liebenswert” bist, wenn du dich unterordnest.

Beispiel: „Wenn du mich wirklich liebst – warum kannst du dann nicht tun, worum ich dich bitte?“ Solche Sätze zielen direkt auf dein Gewissen und deine emotionale Bindung ab.

6. Isolation von deinem sozialen Umfeld

Eines der deutlichsten Anzeichen emotionaler Erpressung ist der schleichende Rückzug aus deinem Freundes- und Familienkreis – nicht freiwillig, sondern manipuliert. Anfangs subtil, mit Kommentaren wie „Ich vermisse dich, wenn du mit anderen unterwegs bist“, später deutlich fordernder. Ziel ist es, dich emotional und sozial abhängig zu machen.

Beispiel: „Du verbringst lieber Zeit mit deiner Familie als mit mir“, „Deine Freunde sind dir anscheinend wichtiger als ich“, oder: „Zeig mir, dass du mich liebst – bleib heute nur bei mir.“

7. Gaslighting: Wenn du an dir selbst zweifelst

Gaslighting ist eine gefährliche Form psychologischer Manipulation. Dabei wirst du so beeinflusst, dass du deinen eigenen Erinnerungen, Wahrnehmungen und Gefühlen nicht mehr traust. Der manipulierende Partner verzerrt gezielt die Realität, um dich zu verunsichern – oft gepaart mit emotionalem Rückzug oder “Eiszeit”, wenn du dich nicht so verhältst, wie er es will.

Beispiel: Paul ist chronisch unzuverlässig und lässt Ana schon wieder hängen – diesmal bei einem Arzttermin. Statt sich zu entschuldigen, behauptet er: „Ich hab dir doch gestern gesagt, dass ich nicht pünktlich sein werde. Du hörst mir nie zu.“ Ana beginnt, sich selbst zu hinterfragen.

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8. Angriffe auf dein Selbstwertgefühl

Ein weiteres klares Warnsignal: Dein Partner greift dich auf emotionaler Ebene an, indem er dein Selbstwertgefühl systematisch untergräbt. Vergleiche mit dem/der Ex, spöttische Bemerkungen über dein Aussehen oder das Lächerlichmachen vor anderen – all das soll dich klein halten. Diese Form der Erniedrigung folgt oft auf Situationen, in denen du dich geweigert hast, nach seiner Pfeife zu tanzen.

Mit der Zeit verlierst du dein Selbstvertrauen und wirst emotional abhängig – genau das, was dein Gegenüber bezweckt.

Beispiel: Ricardo reagiert auf Lauras Kritik mit: „Du bist so dramatisch – mein Ex war viel entspannter.“ Und: „In dem Kleid fühl ich mich unwohl, wenn du neben mir stehst. Wenn du dich nicht umziehst, geh ich lieber alleine aus.“

9. Selbstmorddrohungen als Druckmittel

Nicht jede Äußerung über Selbstmord ist emotionale Erpressung – manchmal stecken ernsthafte psychische Probleme dahinter, die professionelle Hilfe erfordern. Dennoch: Wenn dein Partner dich wiederholt mit seinem Leben bedroht, um dich gefügig zu machen oder dich am Verlassen zu hindern, handelt es sich um eine zutiefst manipulative Strategie.

Solche Drohungen erzeugen Schuld, Angst und Verantwortungsdruck – und zwingen dich, in der Beziehung zu bleiben, selbst wenn sie dir schadet.

Beispiel: „Wenn du mich verlässt, bringe ich mich um.“ – Solche Aussagen sollen dich lähmen und emotional binden, auch wenn du innerlich längst einen Ausweg suchst.

Emotionale Erpressung: hilfreiche Strategien

Wenn du die roten Fahnen emotionaler Erpressung in deiner Beziehung erkennst, ist es wichtig, dich ehrlich zu fragen: Gibt es eine echte Chance, die Beziehung zu retten – oder ist es gesünder, loszulassen?

Eine Veränderung ist grundsätzlich möglich, aber sie hängt stark von der Bereitschaft und Reife der erpressenden Person ab. Nicht jede Beziehung lässt sich retten, nicht jede Beziehung lohnt sich.

Entscheidest du dich für eine Trennung, dann bleibe konsequent. Nutze klare Strategien wie den Nullkontakt, um dich emotional und mental zu schützen. Entscheidest du dich dagegen, die Beziehung fortzusetzen, kannst du mit diesen Schritten beginnen:

  • Setze klare Grenzen: Grenzen zu setzen heißt nicht, den anderen zu bestrafen, sondern dich selbst zu schützen. Zeige selbstbewusst auf, welches Verhalten du nicht tolerierst – und bleibe konsequent dabei. Nur so kann eine Beziehung auf Augenhöhe entstehen.
  • Lerne, dich klar auszudrücken: Lass dich nicht in emotionale Fallen ziehen. Sprich offen aus, was du fühlst und denkst, ohne anzugreifen oder zu provozieren. Selbstbewusste Kommunikation ist der Schlüssel, um Manipulation zu durchbrechen.
  • Stärke dein Selbstwertgefühl: Erinnere dich regelmäßig daran, was du kannst, wer du bist und was du verdient hast. Ein stabiles Selbstwertgefühl macht dich widerstandsfähig gegen emotionale Kontrolle. Baue dein Selbstvertrauen gezielt auf – Schritt für Schritt.
  • Hol dir Hilfe: Du musst diesen Weg nicht allein gehen. Psychologische Beratung oder Paartherapie kann dir helfen, Muster zu erkennen und gesunde Verhaltensweisen zu entwickeln. Auch Freunde und Familie geben dir Halt – nutze diese Unterstützung.
  • Stell dein Wohlbefinden an erste Stelle: Keine Beziehung ist perfekt – aber sie sollte dir Frieden, Geborgenheit und Freude geben. Wenn du dich ständig unter Druck gesetzt, klein gemacht oder unsicher fühlst, dann ist es an der Zeit, innezuhalten. Du darfst Priorität in deinem eigenen Leben sein.

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Wie emotionale Erpressung Beziehungen verändert

In einer gesunden Partnerschaft herrschen Respekt, Vertrauen und emotionale Sicherheit. Wird sie jedoch von Erpressung und Manipulation beherrscht, verlierst du deine Authentizität – du beginnst, dich selbst zu hinterfragen und deine Bedürfnisse zu unterdrücken.

Typisch sind ständige Konflikte, bei denen es zu Verletzungen, Misstrauen und Rückzug kommt. Lügen werden zur Strategie, um Konfrontationen zu vermeiden – und das Vertrauen zerbricht langsam. Emotional erpresserische Beziehungen wirken sich nicht nur auf dein Herz aus, sondern auch auf andere Lebensbereiche: Schule, Beruf, soziale Kontakte – alles kann leiden.

All diese Dynamiken nähren Unsicherheiten, zerstören dein Selbstwertgefühl, frustrieren dich, fördern emotionale Abhängigkeit und vermitteln eine verzerrte Vorstellung von Liebe.

Lass dich nicht aus Angst an eine toxische Beziehung binden

Manche Menschen erpressen, weil sie Angst haben, verlassen zu werden. Hinter ihrer Kontrolle steckt oft tiefsitzende Unsicherheit und ein mangelndes Selbstwertgefühl. Aber auch wenn jemand „aus Angst“ oder „aus Liebe“ manipuliert – das rechtfertigt niemals emotionale Erpressung.

Nicht jedes schwierige Verhalten ist gleich Missbrauch – es kommt auf die Häufigkeit, die Absicht und die Wirkung an. Aber: Wenn du dich nicht mehr sicher, geliebt oder respektiert fühlst, ist das Grund genug, etwas zu verändern.

Wahre Liebe verletzt nicht. Wahre Liebe macht dich nicht klein – sie stärkt dich, lässt dich wachsen und schenkt dir Frieden. Und genau diese Liebe verdienst du. Vergiss das nie.


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