Stark angepasste Kinder verlieren einen Teil ihrer Identität

Wenn ein Kind zu brav, zu höflich und zu gehorsam ist, kann es sein, dass sein Verhalten zu angepasst ist. In diesem Artikel erklären wir dir, welche Auswirkungen das hat.
Stark angepasste Kinder verlieren einen Teil ihrer Identität
Elena Sanz

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Elena Sanz.

Letzte Aktualisierung: 17. Januar 2023

Wir lernen bereits in der ersten Kindheit durch den Austausch mit unseren Bezugspersonen und mit der Umwelt verschiedene Verhaltensweisen. Das Ziel dieser Sozialisation ist, in der Gesellschaft zurechtzukommen, uns anzupassen und Erwartungen zu erfüllen. Wenn dieser Anpassungsprozess jedoch über das Maß hinausgeht, entwickeln sich zu stark angepasste Kinder. 

Die Probleme entstehen meist erst im Erwachsenenalter, denn es handelt sich in der Regel um gelehrige Kinder, die in der Schule gute Leistungen erzielen und den Eltern wenig Probleme bereiten. Sie entwickeln all jene Verhaltensmuster, die von der Gesellschaft belohnt werden, allerdings auf Kosten ihrer eigenen Identität und ihres Wohlbefindens.

Stark angepasste Kinder

Zu stark angepasste Kinder bezeichnen wir auf den ersten Blick als vorbildhaft und als Musterschüler. Sie tun, was von ihnen erwartet wird. Diese Kinder stören nicht, unterbrechen nicht, sind gehorsam, brav und verantwortungsbewusst. Diese Eigenschaften, die von Erwachsenen als so positiv wahrgenommen werden, sind in Wirklichkeit ein Warnzeichen. Denn Kinder sind von Natur aus laut, stürmisch, spontan und manchmal auch störend.

In ihrem Prozess des Erwachsenwerdens und der Entwicklung ihrer Identität brauchen Kinder Raum und Freiheit, um sich entwickeln zu können. Wenn sie ihre Authentizität aufgeben, um den Erwartungen anderer zu entsprechen, sind sie eingeschränkt, was erhebliche psychologische und emotionale Auswirkungen haben kann.

stark angepasste Kinder haben im Erwachsenenalter oft Probleme

Wichtigste Anzeichen und Symptome

Wie bereits erwähnt, bleibt diese zu ausgeprägte Anpassung meist unbemerkt. Du kannst zu stark angepasste Kinder jedoch an folgenden Verhaltensmustern erkennen:

  • Sie sind brav, korrekt, höflich und respektvoll.
  • Zu stark angepasste Kinder sind außerdem passiv und neigen zur Isolierung. Sie widmen sich oft Aktivitäten, die sie allein durchführen können, denn meist sind sie schüchtern, ruhig und zurückgezogen.
  • Diese Kinder sind in der Regel in der Schule gut, sehr leistungsfähig und zeigen Produktivität und Gehorsam. 
  • Sie neigen dazu, ihre Gefühle und Emotionen zu unterdrücken, um ihre Bezugspersonen nicht zu verärgern oder zu stören.
  • Zu stark angepasste Kinder widersetzen sich der Autorität nicht. Sie sind nicht rebellisch, sondern versuchen, perfekte Kinder zu sein und zu tun, was von ihnen verlangt wird.

Stark angepasste Kinder: Welche Folgen entstehen?

Das beschriebene Verhaltensmuster kann verschiedene Folgen haben, an denen die Betroffenen ihr ganzes Leben lang leiden werden. Wir erläutern nachfolgend die häufigsten Konsequenzen.

Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion

Stark angepasste Kinder entwickeln große Angst vor Ablehnung. Daher können sie Schwierigkeiten haben, Kontakte zu knüpfen. Sie ziehen es vor, sich zu isolieren und zurückzuziehen und vermeiden die Gesellschaft anderer. Es fällt ihnen auch schwer, selbst die Initiative zu ergreifen.

Betroffene haben das Bedürfnis, es anderen immer recht zu machen. Sie tun sich schwer dabei, Nein zu sagen oder Grenzen zu setzen. Bei den ersten Liebesbeziehungen können die Folgen verheerend sein.

Perfektionismus und übermäßiger Stress

In vielen Fällen stellen Betroffene sehr hohe Ansprüche an sich selbst. Sie sind perfektionistisch und setzen sich selbst unter Druck. Dies führt nicht nur zu Stress, sie können auch Kritik von den Eltern oder Lehrer nur schwer akzeptieren.

Passivität und Abhängigkeit

Diese Kinder orientieren sich an den Erwartungen und Forderungen anderer und können deshalb ihre eigene Identität nicht richtig entwickeln. Sie sind deshalb nicht in der Lage, Entscheidungen für sich selbst zu treffen und geraten oft in abhängige Beziehungen.

Psychosomatische Krankheiten

Verdrängte Emotionen und Impulse manifestieren sich schließlich im Körper, da sie nicht natürlich verarbeitet werden. Unerklärliche Kopfschmerzen, Magen-Darm- oder Hautprobleme sind häufige Folgen.

Zu stark angepasste Kinder: Wie kommt es dazu?

Kinder mit dem beschriebenen Verhaltensmuster haben oft Angst, die elterliche Liebe zu verlieren. Deshalb tun die angepassten Kinder, was ihre Eltern von ihnen verlangen. Außerdem glauben d ie Eltern oft, dass ihre Kinder ihre Forderungen und Wünsche erfüllen müssen und ermöglichen es ihnen nicht, selbst Verantwortung zu übernehmen.

Angepasste Kinder müssen sich der anspruchsvollen Familiendynamik unterwerfen und Belastungen ertragen. Sie müssen funktionieren und Erwartungen erfüllen. Die Eltern verlangen von ihnen Gehorsam.

Zu stark angepasste Kinder: Wie kommt es dazu?

Wie kann man dieses Verhaltensmuster verhindern?

Wenn ein Kind zu stark angepasst ist, richtet sich die Intervention in erster Linie an die Eltern. Sie müssen ihren Erziehungsstil ändern und die Entwicklung ihres Kindes zulassen, damit es eine eigene Identität aufbauen kann. Oft erkennen Betroffene dieses Verhaltensmuster jedoch erst im Erwachsenenalter. Falls du dich damit identifizierst, solltest du dir unbedingt erlauben, authentisch zu sein. Du musst dich selbst entdecken, deine Wünsche und Grenzen, deine Gefühle und deine wahre Identität.

Dieser Prozess ist nicht einfach, du solltest dir deshalb von einem erfahrenen Therapeuten helfen lassen, um Veränderungen zu erzielen und dich von der Last der Vergangenheit zu befreien.


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