Sokrates: "Ich weiß, dass ich nichts weiß"

Sokrates selbst hinterließ keine Schriften, doch Platon und auch Xenophon hielten die wichtigsten Dialoge ihres Meisters schriftlich fest. Wir können von diesem außergewöhnlichen Denker auch heute noch einiges lernen.
Sokrates: "Ich weiß, dass ich nichts weiß"

Letzte Aktualisierung: 03. Oktober 2023

Dieser berühmte Satz von Sokrates wird häufig zitiert, doch oft falsch verstanden. Was bedeutet “Ich weiß, dass ich nichts weiß” und wie kann uns der athenische Philosoph damit heute auf unserem Weg zur Selbstfindung helfen?

Wissenswertes über Sokrates

Der griechische Denker kam um 470 v. Chr. in Athen als Sohn des Bildhauers Sophronikos und der Hebamme Painarete zur Welt und beschäftigte sich damit, die Wahrheit der Dinge zu hinterfragen. Er lehrte auf den Straßen und Plätzen seiner Heimatstadt, wo er auch Platon, seinem bekanntesten Schüler, begegnete.

Sokrates selbst hinterließ keine Schriften, doch Platon und auch Xenophon hielten die wichtigsten Dialoge ihres Meisters schriftlich fest. Sokrates war zu seiner Zeit polemisch und wurde unter anderem beschuldigt, die Jugend zu verderben und die Existenz der Götter zu leugnen. In diesem Zusammenhang verteidigt der platonische Text Apologie des Sokrates¹ den griechischen Philosophen vor den gegen ihn erhobenen Vorwürfen.

Ich weiß, dass ich nichts weiß

Vor Gericht erwähnte Sokrates zu seiner Verteidigung den Grund, der ihn zu seiner philosophischen Lehrtätigkeit veranlasste. Seine Aussage “Ich weiß, dass ich nichts weiß” erlangte in diesem Kontext eine ganz besondere Bedeutung.

Es handelt sich allerdings nur um eine verkürzte Version des Textes, der in der Apologie des Sokrates nachzulesen ist: “Denn es mag wohl eben keiner von uns beiden etwas Tüchtiges oder Sonderliches wissen; allein dieser doch meint zu wissen, da er nicht weiß, ich aber, wie ich eben nicht weiß, so meine ich es auch nicht. Ich scheine also um dieses wenige doch weiser zu sein als er, dass ich, was ich nicht weiß, auch nicht glaube zu wissen.”

Sokrates erklärte, dass er die Aussage des delphischen Orakels analysieren wollte. Das Orakel hatte nämlich auf die Frage der Athener Bürgerschaft geantwortet, dass Sokrates der weiseste aller Menschen wäre. Er war ein selbstständiger Denker, der anderen lehrte, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Der erstaunte Philosoph machte sich auf den Weg, um Weise und Gelehrte zu befragen. Er stellte dabei fest, dass diese Personen in Wahrheit arrogant waren. Sie waren nicht in der Lage, ihre eigenen Grenzen des Wissens zu erkennen.

Die Grenzen des eigenen Wissens

Sokrates interpretierte die Antwort des delphischen Orakels auf paradoxe Weise: Er war der weisere, weil er sich der Grenzen seines eigenen Wissens bewusst war. In diesem Sinne hat Weisheit nichts mit dem Besitz von konkretem Wissen zu tun, sondern ganz im Gegenteil: Nichtwissen ist Wissen.

Die Aussage “Ich weiß, dass ich nichts weiß” macht uns auf unsere eigene Unwissenheit aufmerksam. Sokrates hielt es für einen Fehler, sich Wissen und Kompetenz zuzuschreiben, die man nicht wirklich hat. Die eigene Unwissenheit nicht zu erkennen, ist ein Übel für die Seele. Wir können unser Wissen nur vermehren, wenn wir Irrtum und Unwissenheit überwinden.

Die Suche nach dem Sinn des Lebens

Sokrates formulierte Fragen, die eine gewisse Unsicherheit über das eigene Wissen erzeugen. Diese Unsicherheit enthält jedoch eine Gewissheit: Wir wissen, dass wir nichts wissen, das ist eine Tatsache. Mit seinen Gedanken regt uns Sokrates dazu an, uns nach dem Sinn des Lebens zu fragen. Es fehlt uns an Wissen über den Sinn unserer Existenz.

Sokrates lehrte, dass der Übergang vom Nichtwissen zum Wissen durch Selbsterkenntnis erreicht wird. Daher räumte er der Selbstreflexion einen vorrangigen Platz ein.

Erkenne dich selbst

Eine andere Interpretation des berühmten Zitats erkennt darin die Absicht, anderen zu helfen, sich selbst zu erkennen. Das Ziel ist also die Selbstreflexion. Mit der Metapher der Geburt half Sokrates seinen Schülern, Wissen aus sich selbst heraus zu schaffen. Er schlug zum Beispiel Gesprächsthemen vor, über die seine Schüler glaubten Bescheid zu wissen. Im Dialog zerlegte er jedoch ihr Vertrauen in das vermeintliche Wissen: “Ich weiß, dass ich nichts weiß” ist der Anfang über die Erkenntnis der eigenen Unwissenheit.

Das pädagogische Vermächtnis von Sokrates

Vor mehr als 2.000 Jahren wusste Sokrates bereits, dass der erste Schritt zum wahren Wissen die Erkenntnis der eigenen Unwissenheit ist. Ein Artikel der Zeitschrift Areté erinnert uns daran, dass uns dieser griechische Philosoph lehrte, uns selbst zu dekonstruieren. Wir müssen unsere Überzeugungen und Ideen analysieren, überarbeiten und korrigieren.

“Ich weiß, dass ich nichts weiß” strebt eine Veränderung der Einstellung zum Leben und zu uns selbst an. Es ist eine Aufforderung, das kulturelle Erbe und uns selbst zu hinterfragen. Wir müssen unsere Komfortzone verlassen, um Fragen zu beantworten, die sich bereits Sokrates stellte.

Die Weisheit des Nichtwissens

Unser Wissen setzt sich aus Erfahrungen und Kenntnissen zusammen, die wir durch Lernprozesse erlangen. Sokrates weist jedoch auf die Weisheit des Nichtwissens hin: Bescheidenheit ist eine Tugend, die nur wenige beherrschen. Seine innovativen philosophischen Gedanken wurden ihm jedoch zum Verhängnis: Sokrates wurde wegen Gottlosigkeit angeklagt und bezichtigt, die Jugend zu verderben.

Schließlich wurde der außergewöhnliche Philosoph von einem Gerichtshof der Attischen Demokratie für schuldig befunden. Sokrates durfte seine Strafe selbst vorschlagen: Er versicherte in seiner Rede, den Mitbürgern nur Gutes getan zu haben, und beantragte die Speisung im Prytaneion (mit der Olympiasieger geehrt werden) anstatt der Todesstrafe. Auch eine Geldstrafe wäre für ihn akzeptabel gewesen. Die Geschworenen verurteilten ihn jedoch zum Tode.

▶ Lese-Tipp

  1. Apologie des Sokrates: Griechisch/Deutsch, Platon (Autor), Manfred Fuhrmann (Hrsg., Übersetzer), Reclam 1986

Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.



Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.