Shaping als Lehrmethode zur Verhaltensänderung

Shaping ist eine nützliche Technik, um neue Verhaltensweisen zu lernen. Erfahre heute, wie diese Methode zum Einsatz kommt.
Shaping als Lehrmethode zur Verhaltensänderung

Geschrieben von Redaktionsteam

Letzte Aktualisierung: 12. Februar 2022

Shaping oder Verhaltensformung ist eine Methode aus der Verhaltenstherapie, die hilft, falsches Verhalten zu verändern. Wir gehen oft davon aus, dass andere Aufgaben und Anweisungen verstehen und auszuführen wissen, wenn sie entsprechende Richtlinien erhalten. Doch das ist nicht immer der Fall und ein häufiger Grund für Konflikte, da die Person oft als unwillig eingeschätzt wird. In Wahrheit wusste sie einfach nicht, wie die Aufgabe ausgeführt wird.

Shaping kommt meist bei Kindern zum Einsatz, ist jedoch auch bei Erwachsenen effektiv. Diese Methode beruht auf Verstärkung und Bestrafung und kann deshalb in jedem Alter vorteilhaft sein.

Shaping als Lehrmethode

Was ist Shaping?

Shaping ist ein Verfahren, das darauf abzielt, positive Verhaltensweisen zu entwickeln. Dies wird durch sukzessive Annäherungen an das zu erreichende Endverhalten erreicht. Je näher die Person an das Wunschverhalten herankommt, desto schwächer werden vorherige Verhaltensmuster.

Normalerweise wird ein Zielverhalten definiert, das jedoch nicht von Anfang an gelehrt wird. Die betreuende Person beginnt damit, Verhaltensmuster zu verstärken, die mit diesem Zielverhalten im Zusammenhang stehen. Es können unterschiedliche Verhaltensweisen sein, die jedoch Gemeinsamkeiten aufweisen.

Das gewählte Verhalten wird bei jedem Auftreten verstärkt. Damit erreicht man, dass die betroffene Person dieses Verhaltensmuster häufiger aufzeigt und ein anderes, unerwünschtes Verhalten immer seltener ausübt. 

Natürliche Verhaltensformung: die Entstehung von Sprache

Ein Beispiel für die natürliche Verhaltensformung beim Menschen ist der Spracherwerb bei Kleinkindern. Wenn ein Kind anfängt, seine ersten Laute zu brabbeln, sind die Eltern oft begeistert und bestärken diese kleinen Fortschritte.

Brabbeln wird normalerweise mit Zuneigung und Aufmerksamkeit belohnt, bis das Kind auf natürliche Weise seine ersten Phoneme entwickelt. Wenn es Silben wie “ma” oder “pa” ausspricht, werden diese verstärkt.

Das Kind erreicht die verstärkte Aufmerksamkeit und Zuneigung jetzt nicht mehr durch Lallen, sondern durch seine immer anspruchsvolleren Fortschritte. Allmählich lernt es so das Sprechen. Dieser Prozess folgt einem natürlichen Rhythmus, das Kind kann natürlich keine Verse von John Keats aufsagen. Bei positiven Verhaltensmustern, die das Kind (oder der Erwachsene) lernen soll, ist es ähnlich. Shaping erfolgt durch die allmähliche Annäherung an das Wunschverhalten.

Was verändert sich durch Shaping?

Wie bereits erwähnt, hilft Shaping, neue Verhaltensweisen anzunehmen, was durch folgende fünf Faktoren möglich wird:

  • Topografie: Ziel ist es, die spezifische Art und Weise zu verändern, in der eine Person eine Handlung ausführt. Obwohl das Verhalten bekannt ist, geht es darum, die spezifischen Bewegungen zu verändern. Wenn eine Person zum Beispiel mit kurzen Schritten skatet, um nicht zu stürzen, und du willst, dass sie anfängt, längere Schritte zu machen.
  • Häufigkeit: Shaping ist auch nützlich, um die Häufigkeit eines bekannten Verhaltens zu erhöhen oder zu verringern.
  • Dauer: Diese Technik ist hilfreich, um die Dauer eines Verhaltens zu verkürzen oder zu verlängern. Du kannst damit unter anderem die Zeit, die ein Kind am Tisch sitzt, um zu lernen oder im Unterricht zu sitzen, beeinflussen.
  • Latenzzeit: Die Latenzzeit ist die Zeit, die zwischen dem Auftreten eines Reizes und dem Aussenden einer Reaktion verstreicht. Das Verhalten kann geformt werden, um schnellstmöglich auf einen bestimmten Reiz zu reagieren. Damit können Kinder unter anderem lernen, auf die Toilette zu gehen.
  • Intensität: Die Stärke eines Verhaltens kann gestaltet werden. Damit kann zum Beispiel einem Kind geholfen werden, das wenige Freunde oder soziale Annäherungsprobleme hat.

Faktoren, die die Effektivität beeinflussen

Festlegung eines Ziels

Damit das Shaping effektiv ist, muss zuerst das zu erreichende Verhalten definiert werden. Die Definition sollte Parameter wie Topografie, Intensität oder Latenzzeit enthalten , damit die Annäherungen korrekt erfolgen.

Das zu erreichende Verhalten könnte zum Beispiel sein, dass Tessa, wenn sie in der Klasse ankommt, das benötigte Material aus ihrem Rucksack nimmt, es auf den Tisch legt und sich hinsetzt, um auf die Lehrkraft zu warten.

Festlegung eines Ausgangspunkts

Das individuelle Repertoire jeder einzelnen Person ist wesentlich, um Verhaltensweisen zu finden, die dem Zielverhalten topografisch oder funktional ähnlich sind. Gleichzeitig muss überprüft werden, ob sich dieses Verhalten zur Verstärkung eignet. 

Wenn wir uns dasselbe Beispiel ansehen, könnte eine erste Annäherung von Tessa darin bestehen, dass sie ihren Rucksack auf dem Sitz abstellt und im Klassenzimmer herumläuft. Das Herumlaufen von Anfang an zu verhindern, könnte kontraproduktiv sein. Tessa sollte deshalb zuerst darin bestärkt werden, ihren Rucksack abzustellen, anstatt ihn auf den Boden zu werfen. Das könnte eine erste Annäherung sein, die sie bereits in ihrem Repertoire hat und jeden Morgen wiederholt.

Planung der Annäherung

Es ist hilfreich zu planen, wie weit die Annäherungen auseinander liegen und wie schnell sie durchgeführt werden sollen. Es gibt diesbezüglich keine spezifischen Richtlinien, deshalb ist es wichtig, die Person gut zu kennen. Dies gilt auch für die Wahl und Anzahl der Zwischenansätze, denn manche Menschen brauchen mehr Zeit als andere. Flexibilität ist deshalb wichtig.

Tessas Zwischenschritte könnten sein, ihren Rucksack auf dem Stuhl zu lassen, ihn zu öffnen, das Federmäppchen herauszunehmen und ihre Stifte auf den Tisch zu legen…

Shaping in der Erziehung

Die Verstärkung absichern

Es gibt keine Richtlinien für die Anzahl der Verstärker oder ihre Topologie. Es ist jedoch wichtig, den Ansatz so oft zu wiederholen, bis das Verhalten gut etabliert ist. Wenn die Annäherungen zu schnell erfolgen, kann ein Schritt zurück nötig sein, um sie zu verstärken. Eine Verstärkung ist nicht ausreichend, allerdings sollte die Verstärkung auch nicht zu oft wiederholt werden, denn es geht schließlich darum, schwierigere, fortgeschrittene Verhaltensweisen zu lernen.

Im Shaping ist Geduld wichtig

Obwohl es sich um eine Technik handelt, die Geduld erfordert, ist sie sehr vorteilhaft, um Verhaltensweisen zu verändern, ohne Frustration zu verursachen oder falsche Werturteile zu verwenden. Sowohl Erwachsene als auch Kinder wissen vielleicht nicht, warum sie bestimmte Verhaltensmuster entwickeln und haben mit dieser Methode die Möglichkeit, sich darüber bewusst zu werden und sich zu verändern.

Shaping ermöglicht es, Veränderungen auf eine klare, prägnante, schrittweise, sichere und kontrollierte Weise zu erreichen. Es erfordert keine übermäßigen Anstrengungen, denn es erfolgt schrittweise. Es handelt sich deshalb um eine ausgezeichnete Möglichkeit, positives Verhalten zu fördern.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.