Sex mit oder ohne Liebe? Die psychologischen Unterschiede
Ist Sex mit Liebe besser als Sex ohne Liebe? Bei dieser Frage trennen sich die Geister: Eine zwanglose Begegnung, ohne Gefühle offenlegen zu müssen, ist für viele ein attraktiver Zeitvertreib – jeder holt sich, was er braucht. Sex ohne Liebe ist sehr begehrt. Andere wiederum können sich nicht vorstellen, ihr Verlangen mit einer (fremden) Person zu stillen, für die sie keinerlei Gefühle empfinden. Wir betrachten dieses Thema heute aus psychologischer Sicht.
Sex mit oder ohne Liebe?
Die Anthropologin Helen Fisher¹ ist sich sicher, dass jedes gesunde menschliche Wesen den Drang nach Sex kennt, es jedoch sehr unterschiedliche Möglichkeiten gibt, dieses Bedürfnis auszuleben. Der Sexualtrieb ist ein natürlicher Drang, der bereits bei der Geburt eines jeden Menschen angelegt ist. Dieses Verlangen kann durch eine einmalige oder wiederholte Begegnung befriedigt werden. Die Art und Häufigkeit sowie die persönliche Implikation variieren, wie Wentland & Reissing (2011) in einem Artikel in The Canadian Journal of Human Sexuality erklären.
Sex ist ein physiologischer Trieb, der Befriedigung oder Vergnügen bezweckt. Gleichzeitig kann dieses Verhalten gegenseitige Liebe ausdrücken, was jedoch nicht sein muss. Der Wunsch, einer anderen Person emotional nahezukommen, Intimität zu erzeugen und Zuneigung auszudrücken, also der Grad der affektiven Bindung, macht den Unterschied zwischen Sex mit oder ohne Liebe.
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Psychologische Unterschiede
Wir analysieren anschließend einige psychologische Aspekte, die für manche Sex ohne Liebe und für andere Sex mit Liebe interessanter machen. Natürlich verändern sich die Bedürfnisse auch im Laufe der Zeit und je nach den Lebensumständen.
Gefühle und Bedürfnisse
Hemmungsloser Sex ohne Gefühle kann natürliche Bedürfnisse befriedigen und Spaß machen: Wenn sich beide Partner darin einig sind, kann die sexuelle Begegnung befreiend wirken und Glücksgefühle auslösen. Da es nur um die eine Sache geht und keine Gefühle im Spiel sind, fällt es manchen einfacher, ihr Verlangen zu stillen, da sie sich ungezwungener fühlen und Sorgen vollkommen ausschalten können.
Ein One-Night-Stand kann sich jedoch auch anders als geplant entwickeln. Genießen beide das Erlebnis und entscheiden sich für weitere Begegnungen, kann ihnen das Kuschelhormon Oxytocin einen Streich spielen: Es kann Vertrautheit schaffen und bewirken, dass sich schließlich doch mehr als nur ein sexuelles Bedürfnis entwickelt. Aus der Absicht, aus einem körperlichen Impuls heraus Sex zu erleben, könnte mit der Zeit eine Beziehung resultieren.
Verbaler und nonverbaler Ausdruck
Für viele Menschen ist die verbale und nonverbale Sprache ein entscheidender Faktor, der den Unterschied zwischen Liebesbeziehung und Sex markiert. Der verbale Ausdruck erfordert mehr Feingefühl, er ist ein Werkzeug, um eine Person mit sanften Wörtern und Zärtlichkeiten zu verführen.
Geht es nur um Sex, sind wenig Wörter nötig, denn körperliche Erfahrungen und Lust stehen im Vordergrund. Natürlich sind die individuellen Vorlieben und Ausdrucksformen sehr unterschiedlich, deshalb ist es schwer, zu verallgemeinern.
Selbstbefriedigung oder gegenseitige Rücksichtnahme
Bei einer sexuellen Begegnung ohne Verantwortung können sich die Partner auf ihre eigenen Bedürfnisse, auf die Lusterfahrung und die körperlichen Freuden konzentrieren. Sex ohne Liebe ist egoistischer: Ein emotionsloser, unkomplizierter One-Night-Stand zielt in der Regel ausschließlich auf Vergnügen ab. Natürlich muss auch diese Verallgemeinerung nicht auf jeden zutreffen.
Das Nachspiel
Bei Sex ohne Liebe geht es um den körperlichen Austausch, das Nachspiel ist unwichtig. Ist jedoch Liebe mit im Spiel, sind Zärtlichkeiten und Umarmungen nach dem Sex sehr angenehm und befriedigend.
Erwartungen an die Zukunft
Sex ohne Liebe kennt keine Verpflichtungen und keine Kontinuität. Die Erwartungen beschränken sich ausschließlich auf die Erfüllung eines momentanen Bedürfnisses. Im Gegensatz dazu fordert Liebe Engagement, gegenseitige Rücksichtnahme und gemeinsame Zukunftspläne.
Was ist besser: Sex mit oder ohne Liebe?
Es gibt auf diese Frage keine allgemeine Antwort: Jeder muss selbst entscheiden! Die Präferenzen können sich im Laufe des Lebens verändern, wichtig ist nur, sich über die Unterschiede sowie die Vor- und Nachteile bewusst zu sein. Eine weitere Voraussetzung ist, die Absichten und Bedürfnisse der anderen Person gegenüber klar auszudrücken.
Die gesundheitlichen Vorteile von Sex sind unbestreitbar und gut dokumentiert: Sex hilft nachweislich, Schmerzen zu lindern, Stress abzubauen und das Immunsystem zu stärken. Außerdem trägt regelmäßiger Sex dazu bei, jünger auszusehen, sich jünger zu fühlen und länger zu leben. Das geht aus einer Studie von Dr. David Weeks hervor, die in der Zeitschrift Sexual and Relationship Therapy veröffentlicht wurde.
Gelegentlicher Sex ist also eine Möglichkeit, von diesen Vorteilen zu profitieren, auch wenn du dich gerade nicht auf eine Beziehung einlassen oder eine langfristige Bindung einlassen möchtest.
Allerdings kann Gelegenheitssex zu Ängsten und mangelndem Vertrauen führen, was sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken kann, wie eine im Journal of Sex Research veröffentlichte Studie zeigt. Außerdem sind Komponenten wie der affektive Austausch nach dem Sex wichtig für eine größere sexuelle Zufriedenheit (Muise et al., 2014).
Und diese sind bei emotionslosen Begegnungen in der Regel nicht vorhanden. Dazu kommt, dass Sex mit Liebe von der Gesellschaft als höherwertig betrachtet wird, was unter anderem aus einer an der Universität Granada durchgeführten Doktorarbeit hervorgeht.
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Entscheide selbst
Du musst selbst entscheiden, was du brauchst und was für dich in jeder Lebenssituation besser ist. Es gibt Menschen, die auf Gelegenheitssex zurückgreifen, um ihren Gefühlen oder unangenehmen Lebenssituationen zu entfliehen. Andere lassen sich auf diese Begegnungen ein, ohne viel darüber nachzudenken. Am besten ist jedoch, bewusste Entscheidungen zu treffen, um den kurzen Augenblick oder eine stabile Beziehung genießen zu können. Jede Entscheidung ist respektabel, solange beide Partner damit einverstanden sind und dasselbe Ziel vor Augen haben.
▶ Lese-Tipp
- Warum wir lieben… und wie wir besser lieben können, Helen Fisher, Knaur 2007
Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.
- Barker, M. J. (2018). The psychology of sex. Routledge.
- Bersamin, M. M., Zamboanga, B. L., Schwartz, S. J., Donnellan, M. B., Hudson, M., Weisskirch, R. S., … & Caraway, S. J. (2014). Risky business: Is there an association between casual sex and mental health among emerging adults? Journal of sex research, 51(1), 43-51. https://www.academia.edu/16132398/Risky_Business_Is_There_an_Association_between_Casual_Sex_and_Mental_Health_among_Emerging_Adults
- Jiménez Ríos, F. J. (2003). El valor sexual en la educación integral de la persona. Un análisis estimativo en la Facultad de Ciencias de la Educación de Granada [tesis doctoral, Univeresidad de Granada]. DIGIBUG: Repositorio Institucional de la Universidad de Granada. https://digibug.ugr.es/handle/10481/4409
- Mark, K. P., García, J. R., & Fisher, H. E. (2015). Perceived emotional and sexual satisfaction across sexual relationship contexts: Gender and sexual orientation differences and similarities. The Canadian Journal of Human Sexuality, 24(2), 120-130. https://www.utpjournals.press/doi/abs/10.3138/cjhs.242-A8
- Muise, A., Giang, E., & Impett, E. A. (2014). Post sex affectionate exchanges promote sexual and relationship satisfaction. Archives of Sexual Behavior, 43(7), 1391-1402. https://www.researchgate.net/publication/261956096_Post_Sex_Affectionate_Exchanges_Promote_Sexual_and_Relationship_Satisfaction
- Weeks, D. J. (2002). Sex for the mature adult: Health, self-esteem and countering ageist stereotypes. Sexual and Relationship Therapy, 17(3), 231-240. https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/14681990220149031?journalCode=csmt20
- Wentland, J. J., & Reissing, E. D. (2011). Taking casual sex not too casually: Exploring definitions of casual sexual relationships. The Canadian Journal of Human Sexuality, 20(3). https://go.gale.com/ps/i.do?id=GALE%7CA276516863&sid=googleScholar&v=2.1&it=r&linkaccess=abs&issn=11884517&p=AONE&sw=w&userGroupName=anon~bec8c0b0