Pädagogische Psychologie: Was ist das?
Die pädagogische Psychologie ist ein Fachgebiet, das sich mit den psychologischen Aspekten des Lernens und Lehrens beschäftigt. Sie untersucht, wie Menschen lernen, welche Faktoren das Lernen beeinflussen und wie Lehrmethoden gestaltet werden können, um den Lernerfolg zu fördern. Hier sind einige der wichtigsten Merkmale und Theorien dieser Disziplin.
Pädagogische Psychologie: Ursprung und Konzeptualisierung
Bevor wir zur Definition der pädagogischen Psychologie übergehen, beleuchten wir zunächst ihren Ursprung. Coll ist einer der Autoren, der sich 1990 erstmals intensiv mit dieser Disziplin beschäftigte. Dabei identifizierte er zwei zentrale Aspekte:
- Die pädagogische Psychologie umfasst das Wissen über die Anwendung psychologischer Prinzipien und Erklärungen auf die pädagogische Theorie und Praxis.
- In nahezu allen anderen Aspekten herrscht jedoch Uneinigkeit: Unklarheiten bestehen hinsichtlich ihrer Anwendung, der Inhalte, die sie umfasst, und ihrer Beziehung zu anderen Bereichen der Psychologie.
Ein wesentliches Merkmal, das die Konzeptualisierung und Anerkennung der pädagogischen Psychologie beeinträchtigt, ist ihre mangelnde Identität. Folgende Punkte sind unklar:
- Die Entstehung als Disziplin, die an der Schnittstelle von Psychologie und Pädagogik positioniert ist.
- Die Uneinigkeit unter Fachleuten darüber, ob es sich um grundlegendes oder angewandtes Wissen handelt.
- Die Vielfalt der Modelle, die zur Entwicklung ihres Wissens herangezogen werden.
Was umfasst die pädagogische Psychologie?
Trotzdem wurde die pädagogische Psychologie im Laufe der Zeit zunehmend definiert und gefestigt und hat sich heute zu einer soliden Disziplin sowohl im psychologischen als auch im pädagogischen Bereich entwickelt. Sie lässt sich definieren als der „Zweig der Psychologie, der sich mit den Veränderungsprozessen beschäftigt, die im Individuum aufgrund seiner Beziehungen zu formellen oder informellen Bildungsinstitutionen (wie Schulen oder Familien) entstehen.“
Von ihrem Wesen her ist die pädagogische Psychologie eng mit der Entwicklungspsychologie verbunden. Letztere untersucht die Entwicklungsstufen des Menschen sowie die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Fortschritte, die er zu jedem Zeitpunkt erlangt. Dadurch wird es möglich, potenzielle Probleme zu erkennen und Interventionen vorzuschlagen, die das Lernen erleichtern.
Im Gegensatz dazu unterscheidet sich die pädagogische Psychologie von der Psychopädagogik, die sich auf die Untersuchung der psychologischen Prozesse konzentriert, die beim Lernen und Lehren über den gesamten Lebenszyklus eine Rolle spielen. Die pädagogische Psychologie hingegen analysiert sowohl, wie Menschen lernen, als auch, wie sie lehren.
Sie beschäftigt sich zudem mit der Analyse der Wirksamkeit pädagogischer Maßnahmen, um verschiedene Interventionen zu optimieren. Dabei erforscht sie auch spezielle Gruppen von Schülern oder Studierenden, wie beispielsweise hochbegabte Kinder oder solche mit unterschiedlichen Formen von Behinderungen (geistig, sensorisch usw.).
Theorien der pädagogischen Psychologie
Innerhalb der pädagogischen Psychologie existieren verschiedene Theorien und Modelle. Wir betrachten anschließend die wichtigsten davon.
Verhaltensmodelle
Zu den ersten in dieser Disziplin entwickelten Verhaltensmodellen gehören Watsons Modell der klassischen Konditionierung, Thorndikes Modell der instrumentellen Konditionierung und Skinners Modell der operanten Konditionierung.
Watsons Modell der klassischen Konditionierung
John B. Watsons berühmte klassische Konditionierung basiert auf den Arbeiten von Pawlow. Watson (1878-1958) demonstriert, wie Verbindungen zwischen Reizen und Reflexreaktionen hergestellt werden, die grundsätzlich unabhängig voneinander sind. In seinem Modell werden Generalisierungseffekte auch bei anderen neutralen Reizen beobachtet, die dem konditionierten Reiz ähneln.
Thorndikes Modell der instrumentellen Konditionierung
Thorndike betrachtet Lernen als das Ergebnis wiederholter Übung und Training in verschiedenen Reiz-Reaktions-Paarungssituationen. Komplexes Lernen ist das Endprodukt einer langen Abfolge kleiner Verbindungen, die durch Konsequenzen entstehen.
Skinners Modell: Operantes Konditionieren
Skinners (1904-1990) Modell besagt, dass Lernen in Abhängigkeit von den Konsequenzen erfolgt. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern an der Harvard-Universität wandte Skinner die Grundprinzipien der experimentellen Verhaltensanalyse an und entwickelte eine Reihe von Erziehungsstrategien, die mit Techniken zur Verhaltensänderung verbunden sind. Hierzu zählen unter anderem:
- Verstärkung
- Bestrafung
- Verkettung
- Token-Wirtschaftssystem
- Selbstregulierung oder Selbstbeherrschung
Kognitive Modelle
Zu den kognitiven Modellen der pädagogischen Psychologie zählen Banduras soziale kognitive Theorie, Informationsverarbeitungsmodelle und Gagnés kumulative Lerntheorie. Jede dieser Theorien hat ihre eigenen Merkmale.
Banduras soziale kognitive Theorie
Der kanadische Psychologe Albert Bandura (1925) argumentiert, dass das Verhalten eines Individuums sowohl durch kognitive Prozesse als auch durch externe soziale Situationen beeinflusst wird. Bandura bezeichnete dieses Konzept als „reziproken Determinismus“.
Er betont, dass Menschen weder passive Objekte sind, die von Umweltkräften kontrolliert werden, noch völlig freie Akteure, die alles erreichen können, was sie wollen. Vielmehr bedingen sich Person und Umwelt gegenseitig.
Informationsverarbeitungsmodelle
Ein weiteres wichtiges Modell in der pädagogischen Psychologie ist das Informationsverarbeitungsmodell (IP), das in den 1960er-Jahren entstand. Dieser Ansatz untersucht den menschlichen Verstand und vergleicht ihn mit einem Computer.
Laut Slobin (1985) wird der Verstand in diesem Kontext als ein System betrachtet, das Informationen empfängt, kodiert, speichert und abruft.
Gagnés kumulative Lerntheorie
Die kumulative Lerntheorie von Robert M. Gagné (1916-2002), auch als allgemeine Theorie der Instruktion bekannt, versucht, verschiedene Erkenntnisse über das Lernen, die aus den verschiedenen behavioristischen Theorien stammen, zu integrieren. Sie basiert auf zwei grundlegenden Prinzipien:
- Nicht jedes Lernen ist gleich: Jede Art des Lernens erfordert unterschiedliche Fähigkeiten von den Lernenden und verschiedene Unterrichtsverfahren von den Lehrkräften.
- Lernen ist hierarchisch: Höhere Lernstufen sind von niedrigeren Stufen abhängig.
Um diese hierarchische Perspektive auf das Lernen zu verdeutlichen, definiert Gagné eine Taxonomie von acht unterschiedlichen Lerntypen, die vom einfachen bis zum komplexen Lernen reichen und alle als gleichwertig wichtig erachtet werden. Diese acht Stufen sind:
- Signallernen (Stufe 1)
- Lernen von Stimuli und Reaktionen
- Verkettung
- Verbale Assoziation
- Mehrfache Diskriminierung
- Konzeptlernen
- Lernen von Prinzipien
- Problemlösung (Stufe 8)
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Konstruktivistische Modelle
Aus dieser Perspektive wird das Kind als aktiver Akteur in seinem eigenen Lernprozess betrachtet. Durch Experimentieren, Forschen und Üben erwirbt und entwickelt es seine Fähigkeiten, anstatt lediglich passiv zu sein.
Lev Vygotskys Gerüsttheorie veranschaulicht diesen Ansatz eindrucksvoll. Hierbei stellt die Lehrkraft das Material, die Struktur und die Richtlinien zur Verfügung, damit die Lernenden das Problem eigenständig lösen oder sich Wissen aneignen und somit in ihrer Entwicklung vorankommen.
Lernstörungen und Schwierigkeiten
Lernstörungen sind Beeinträchtigungen bei der Verarbeitung von Informationen, die Menschen daran hindern, bestimmte Fähigkeiten zu erlernen und effektiv zu nutzen. Zu den häufigsten Lernbehinderungen, mit denen sich die Schulpsychologie auseinandersetzen muss, gehören Schwierigkeiten im Lesen, Schreiben, Rechnen und nonverbalen Fähigkeiten. Werfen wir einen Blick auf die wichtigsten Arten.
Legasthenie
Legasthenie ist eine Lernstörung, die sich durch Schwierigkeiten beim Lesen zeigt, welche auf Probleme bei der Identifizierung von Sprachlauten und deren Zuordnung zu Buchstaben und Wörtern zurückzuführen sind. Diese Störung beeinträchtigt die Fähigkeit, Sprache zu erlernen und zu verwenden, sowie das Lesen und Schreiben, da phonologische und dekodierende Prozesse von Einzelwörtern gestört sind. Zu den auffälligsten Anzeichen gehören:
- Schwierigkeiten beim Erwerb phonologischer Bewusstheit
- Probleme beim Erinnern bestimmter Namen (Farben, Buchstaben, Zahlen)
- Schwierigkeiten beim Erlernen automatischer verbaler Sequenzen (Wochentage, Monate, Alphabet)
- Probleme beim Erfassen des Klangs von Wörtern und dessen Zuordnung zu Buchstaben
- Häufige Fehler beim Lesen, wie das Ersetzen, Drehen, Auslassen und Umkehren von Buchstaben
- Langsame, mühsame und sich wiederholende Leseweise
- Rechtschreibfehler beim Schreiben
Dyskalkulie
Dyskalkulie ist eine Störung, die durch eine Beeinträchtigung der numerischen Verarbeitung und Berechnung gekennzeichnet ist. Sie führt zu Schwierigkeiten beim Erwerb mathematischer Fähigkeiten, die für die korrekte Interpretation von Zeitangaben (Kalender, Fahrpläne), Adressen (Straßennummern, Breitengrade, Längengrade) und Rechenoperationen (Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division) erforderlich sind. Zu den Symptomen der Dyskalkulie gehören:
- Schwierigkeiten, die Bedeutung von Zahlen zu erkennen
- Probleme beim Erlernen des Zählens, Erkennens und Zuordnens von Zahlen
- Schwierigkeiten beim Lösen mathematischer Aufgaben
- Probleme bei der Durchführung verschiedener mathematischer Operationen
- Schwierigkeiten bei der Interpretation von Mengen
- Herausforderungen beim Schreiben von Zahlen
- Verwirrung mit mathematischen Zeichen
Dysgraphie
Dysgraphie ist eine Störung, die die Entwicklung und das Erlernen des Schreibens betrifft, insbesondere beim Abrufen von Buchstaben und Wörtern. Sie zeigt sich in freiem Schreiben, Diktieren und Kopieren. Zu den Symptomen gehören:
- Inkonsistente Handschrift
- Schwierigkeiten bei der Betonung
- Falsche Abstände zwischen Wörtern, Sätzen und Zeilen
- Grammatikalische Probleme
- Buchstabenaustausch
- Ungewöhnliche und falsche Wortkombinationen
- Unsachgemäßer Bleistiftgriff
- Deformierte und schwer lesbare Buchstaben
Nonverbale Lernstörung
Diese Störung äußert sich in Schwierigkeiten im visuell-räumlichen, visuell-motorischen und sozialen Bereich. Betroffene haben Probleme mit den folgenden Fähigkeiten:
- Interpretation von Mimik und nonverbalen Hinweisen
- Verwendung von Sprache, die für spezifische soziale Situationen angemessen ist
- Körperliche Koordination
- Feinmotorische Fähigkeiten
- Organisation und Planung
- Verständnis von Sarkasmus
- Erkennen der Gefühle anderer
Pädagogische Psychologie: Verfahren und Techniken
In der pädagogischen Psychologie kommen zwei grundlegende Verfahren zum Einsatz: Diagnose und Intervention.
Diagnose
Die Diagnose ist ein Verfahren, mit dem festgestellt werden kann, ob Lernschwierigkeiten vorliegen. Zu den verwendeten Techniken zählen psychologische Interviews, Beobachtungen und psychometrische Tests.
Die Diagnose erfüllt drei grundlegende Funktionen: präventiv, prädiktiv und korrigierend. Nach der Feststellung der Einschränkungen eines Individuums dienen die Ergebnisse dazu, die zukünftige Entwicklung und den Lernfortschritt des Lernenden zu planen.
Intervention
Die Intervention besteht darin, einen Plan zu erstellen, der umgesetzt werden soll, um die in der Diagnose identifizierten Probleme zu lösen. Sie ist stets eine gezielte Handlung, die darauf abzielt, Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung von Personen mit Lernschwierigkeiten zu ergreifen.
Dieses Verfahren umfasst eine Reihe von Planungs-, Entwicklungs- und Evaluationsmaßnahmen. Zudem integriert es Handlungen und Reflexionen über die Prozesse, die durchgeführt werden, um den Erwerb der Fähigkeiten zu erleichtern, bei denen der Lernende Schwierigkeiten hat.
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Die Rolle der Schulpsychologen
Die Schulpsychologie hat sich von der Theorie zur Praxis entwickelt, und viele der verschiedenen Theorien in diesem Bereich finden seit Jahren Anwendung in der Kinderpsychologie. Diese Disziplin, die an der Schnittstelle von Psychologie und Pädagogik angesiedelt ist, ermöglicht Psychologen, das Lernen bei jungen Menschen zu verstehen.
Ein Schulpsychologe oder eine Schulpsychologin arbeitet in Schulen, aber auch in privaten Praxen und sonderpädagogischen Zentren. Sie begleiten Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die aufgrund ihrer individuellen Lebensumstände effektiver lernen, wenn sie sich mit Inhalten auseinandersetzen, die nicht der Altersnorm entsprechen.
Die pädagogische Psychologie hat die Aufgabe, spezifische Beurteilungen und Interventionen durchzuführen, um das Lernen auf individueller oder Gruppenebene zu erleichtern. Dabei wird an der Motivation gearbeitet und es werden verschiedene Programme umgesetzt.
Dieser Bereich der Psychologie analysiert auch die Bildungsrealität sowie die sozialen und kulturellen Faktoren, die die Bildungsaktivitäten und -prozesse einer bestimmten Gemeinschaft beeinflussen.
Zusätzlich fördert und organisiert die pädagogische Psychologie die Ausbildung von Eltern, um die ganzheitliche Entwicklung ihrer Kinder zu unterstützen. In diesem Sinne strebt sie eine Zusammenarbeit zwischen Familien und der Schulgemeinschaft an, um die kognitive, emotionale und soziale Entwicklung der Schülerinnen und Schüler zu fördern.
Sie übernimmt auch präventive Aufgaben, um mögliche Lern- und Anpassungsschwierigkeiten zu vermeiden, und bietet Berufsberatung an, um den Schülerinnen und Schülern zu helfen, ihre persönlichen Projekte zu skizzieren.
Zusammengefasst ist die pädagogische Psychologie von grundlegender Bedeutung für die ganzheitliche Entwicklung des Individuums im Lernprozess. Sie ermöglicht ein besseres Verständnis der Bedürfnisse und das Ergreifen notwendiger Maßnahmen, um optimale Bedingungen zu schaffen. Daher ist sie eine prioritäre Disziplin.
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