Schreibschwäche: Was ist Dysgraphie?
Dysgraphie ist eine Schreibschwäche, die vielfach zu Frustration, emotionalem Stress und akademischen Leistungsproblemen führt. Die frühzeitige Erkennung ist entscheidend, denn viele Kinder mit diesem Problem scheitern in der Schule trotz normaler oder hoher Intelligenz.
Die Dysgraphie kann mit oder ohne Legasthenie auftreten. In beiden Fällen gibt es wirksame Strategien, um Betroffenen zu helfen, damit sie ihr volles Potenzial ausschöpfen und ein normales Leben führen können.
Für die Diagnose von Dysgraphie sind verschiedene Untersuchungen notwendig, unter anderem im Bereich der feinmotorischen Fähigkeiten des Kindes, der räumlichen Verarbeitung oder der Planungsfähigkeiten beim Schreiben.
Dysgraphie, eine Schreibschwäche
Dysgraphie ist eine Lernstörung neurologischen Ursprungs, die Schwierigkeiten beim Schreiben verursacht. Bleibt diese Störung unbehandelt, führt sie häufig zu Schulversagen. Ein in der Zeitschrift Frontiers in Psychology veröffentlichter Artikel weist darauf hin, dass zwischen 7 und 15 % der Kinder an einer Art von Schreibentwicklungsstörung leiden, wobei Jungen stärker betroffen sind als Mädchen.
Dysgraphie führt zu Schwierigkeiten mit der Handschrift, der Rechtschreibung, dem Abschreiben oder Festhalten von Gedanken und dem schriftlichen Ausdruck, da Schreiben komplexe motorische und informationsverarbeitende Prozesse voraussetzt. Deshalb ist die frühzeitige Behandlung dieser Lernschwäche für die Betroffene entscheidend.
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Die häufigsten Anzeichen
Das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders-5 (DSM-5) führt Dysgraphie nicht als solche auf, beschreibt jedoch neurologische Störungen, die den schriftlichen Ausdruck beeinträchtigen. Diese klinische Realität ist an folgenden Anzeichen zu erkennen:
- Schlampige, oft unleserliche Handschrift
- Krämpfe in den Händen
- Auslassen oder Vertauschen von Buchstaben
- Schreibmüdigkeit
- Unterschiedlich große Buchstaben, Verwechslung von Groß- und Kleinbuchstaben
- Unregelmäßiges Schriftbild
- Unzusammenhängende Sätze
- Langsames Schreiben oder Abschreiben
- Probleme beim Halten des Stiftes
- Schwierigkeiten, in einer Zeile zu schreiben
- Unfähigkeit, Puzzles zusammenzusetzen.
- Manchmal schreiben Betroffene rückwärts oder in Spiegelschrift
- Unbeholfenheit beim Schuhbinden
- Schwierigkeiten beim gleichzeitigen Denken und Schreiben
- Schwierigkeiten bei Textnachrichten
- Fehlende Satzzeichen
- Mangelnde feinmotorische Fähigkeiten
- Probleme mit mathematischen Aufgaben und beim Schreiben von Zahlen
Die Johns Hopkins University erinnert daran, dass diese neurologische Störung die schulische Bildung Betroffener auf ernste Weise behindern kann. Zusätzlich sind psychologische Folgen häufig: Kinder mit Dysgraphie leiden oft an Stress und Ängsten. Außerdem sind sie in ihrer Berufswahl eingeschränkt.
Kinder mit Dysgraphie sind meistens an ihrer unlesserlichen Schrift, vertauschten Buchstaben und dem Verwechseln von Groß- und Kleinbuchstaben zu erkennen.
Welche Arten von Dysgraphie gibt es?
Die University of California Irvine unterscheidet zwei grundlegende Arten von Dysgraphie: die erworbene und die entwicklungsbedingte. Während erstere durch eine neurologische Schädigung (z. B. durch einen Unfall) entsteht, ist letztere auf genetische beziehungsweise entwicklungsbedingte Ursachen zurückzuführen. Beide Arten können zusätzlich wie folgt klassifiziert werden:
Räumliche Dysgraphie
- Sehr unordentliche Handschrift
- Buchstaben und Zahlen sind unterschiedlich groß
- Spiegelschrift auf (Schreiben in Rechts-Links-Ausrichtung)
Dysorthographie oder legasthene Dysgraphie
- Probleme beim Lesen
- Probleme mit dem schriftlichen Ausdruck
- Schwierigkeiten beim Sprechen und beim Ausdruck
- Probleme mit dem Leseverständnis
Motorische Dysgraphie
- Schwierigkeiten mit der Feinmotorik
- Probleme beim Zeichnen von Linien und beim Schreiben von Buchstaben und Zahlen
- Schwierigkeiten beim Halten des Stiftes oder anderer Gegenstände
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Welche Ursachen führen zu Dysgraphie?
Die Ursachen für Dysgraphie sind nicht eindeutig geklärt, Experten weisen jedoch darauf hin, dass sowohl genetische als auch umweltbedingte Faktoren eine Rolle spielen. Folgende Situationen können mit Dysgraphie in Verbindung stehen:
- Schlaganfall
- Zerebrale Gefäßerkrankungen
- Genetische und vererbte Faktoren
- Neurodegenerative Krankheiten
- Motoneuron-Erkrankungen
- Entwicklungsverzögerungen im Zusammenhang mit der Feinmotorik
- Schwierigkeiten mit der feinmotorischen Koordination und dem Arbeitsgedächtnis
- Traumatische Hirnverletzungen. Die Zeitschrift Language and Cognitive Processes erwähnt das Beispiel eines 24-jährigen Mädchens, das nach einem Unfall Dysgraphie entwickelte.
Die Diagnose von Dysgraphie
Dysgraphie kann bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen als Folge einer neurologischen Erkrankung oder eines Hirntraumas auftreten. In beiden Fällen kann ein Neuropsychologe oder eine Neuropsychologin die Diagnose vornehmen und der betroffenen Person eine entsprechende Behandlung empfehlen. Zusätzlich sind psychopädagogische Fachkräfte in der Schule wichtig, um Lernschwierigkeiten zu erkennen und Betroffenen zu helfen.
Diagnosetests
Bei der Beurteilung von Lernstörungen, insbesondere bei Dysgraphie, kommen verschiedene Testbatterien zum Einsatz, um die Störung beispielsweise von Legasthenie oder anderen Lernstörungen zu unterscheiden. Einige davon sind:
- Zeichnen
- Fragen über die Familiengeschichte
- Schulische Vorgeschichte
- Beurteilung der phonologischen Fähigkeiten
- Medizinische Vorgeschichte des Kindes oder Erwachsenen
- Beurteilung der graphomotorischen Koordination
- Diktat von Wörtern und Pseudowörtern
- Intelligenztest (IQ)
- Beurteilung der mündlichen Sprachentwicklung
- Standardisierte Tests zur Beurteilung des Schreibens
- Beurteilung der Planungsfähigkeiten beim Schreiben
- Nach Bedarf neurologische Tests (nach Traumata, Unfällen)
Es ist wichtig zu wissen, dass diese Störung oft zusammen mit anderen Lernbehinderungen oder anderen neurologischen oder psychologischen Erkrankungen wie ADHS auftritt.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Dysgraphie?
Spezifische Therapien helfen Betroffenen, die Symptome zu reduzieren und zu kompensieren. Eine Heilung ist nicht möglich. Personen mit Dysgraphie können jedoch im Privat- und Berufsleben erfolgreich sein, wenn sie die richtigen Strategien entwickeln. Wir listen anschließend einige Behandlungsmöglichkeiten auf:
- Verbesserung der Feinmotorik: Bestimmte Übungen helfen den Betroffenen, ihre Handbewegungen, Körperhaltung usw. zu verbessern, was sich nicht nur positiv auf das Schriftbild, sondern auf alle Lebensbereiche auswirkt.
- Individuelles Bildungsprogramm: Das Kind sollte bereits in der Schule spezifisch gefördert werden, um seine Talente zu entfalten und Schwachpunkte zu stärken.
- Kognitive Rehabilitation und psychologische Intervention: Die kognitive Rehabilitation hat zwei spezifische Ziele: die Verbesserung der Hand-Auge-Koordination und der Koordination der Handbewegungen mit der Sprache und dem mündlichen Ausdruck durch spezifische Übungen. In der psychologischen Intervention wird der Person außerdem bewusst gemacht, dass sie sich aktiv an der Rehabilitation beteiligen muss.
Zusätzlich sind Techniken zur Stressbewältigung und zur Stärkung des Selbstvertrauens wichtig.
Respekt, Einfühlungsvermögen und Geduld: die Schlüssel
Viele Personen leiden an Lern- und Schreibentwicklungsstörungen. Eine möglichst frühe Behandlung ist entscheidend, damit sie ihr Potenzial entfalten können. Zusätzlich sind Respekt, Einfühlungsvermögen und Geduld nötig. Eine Lernstörung wie Dysgraphie muss nicht einschränkend sein, wenn die richtigen Maßnahmen getroffen werden.
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