Kwame Anthony Appiah und die Ablehnung des Intellektualismus

Der englische Philosoph Kwame Anthony Appiah zählt zu den einflussreichsten Kritikern des Determinismus.
Kwame Anthony Appiah und die Ablehnung des Intellektualismus
Sergio De Dios González

Geprüft und freigegeben von dem Psychologen Sergio De Dios González.

Geschrieben von Redaktionsteam

Letzte Aktualisierung: 15. Oktober 2022

Kwame Anthony Appiah ist ein britischer Philosoph, dessen Familie aus Ghana stammt. Er hat sich auf afrikanische und afroamerikanische Themen spezialisiert, doch seine Arbeit über Ethik und Moral hat ihn zu einem der wichtigsten Denker unserer Zeit gemacht hat.

Er ist derzeit Professor an der Princeton University und hatte auch schon Lehraufträge an renommierten Bildungseinrichtungen wie der Harvard University, der Cornell University, der Duke University und der New York University. Überraschend ist, dass Kwame Anthony Appiahs in manchen Arbeiten den Intellektualismus kritisiert.

Dieser Philosoph hat sich mit einer Reihe von Themen auseinandergesetzt, darunter Nationalismus, Diskriminierung, die Verantwortung der Mächtigen als Weg aus der Armut und auch die sexuelle Orientierung. Sein bekanntestes Werk ist “In My Father’s House, für das er in den Vereinigten Staaten den Herskovitz-Preis erhielt.

“Ich glaube nicht, dass Philosophie immer das ist, was wir brauchen. Manche Dinge lässt man besser in Ruhe. Intellektuelle sind darin nicht gut, deshalb können wir uns bei der Suche nach Lösungen in den Weg stellen. Wir sagen: Das funktioniert in der Praxis, aber die Theorie ist falsch. Letztendlich geht es darum, gut zu leben, und nicht darum, die richtige Theorie zu haben, wie man es macht. In meinem bürgerlichen Leben bin ich nicht die ganze Zeit ein Philosoph.”

-Kwame Anthony Appiah

Kwame Anthony Appiah und seine Meinung über Intellektualismus

Der Philosoph weist darauf hin, dass viele Intellektuelle in der heutigen Gesellschaft ihre Aufgabe, die Welt zu “entschlüsseln”, nicht wahrnehmen, sondern vielmehr damit beschäftigt sind, sie in abstrakte Kategorien einzuordnen. Er selbst sei ebenfalls in eine solche Perspektive geraten.

Doch bereits vor einigen Jahren hat er damit aufgehört, über Konzepte zu sprechen und konzentriert sich darauf, konkrete Realitäten auf der Grundlage dieser Konzepte zu interpretieren. Kwame Anthony Appiah geht davon aus, dass es grundsätzlich falsche Konzepte gibt, wie das der “Rasse”. Dies ist ein historisches und soziales Konstrukt, das weder mit den Daten der Wissenschaft noch mit der Ethik übereinstimmt. Dennoch wird es in vielen Wissenszweigen verwendet.

Er zweifelt auch an Ideen wie dem “gesunden Menschenverstand. Früher handelte es sich um eine Art Bestätigung der Realität, die auf jene Ansichten aufbaute, die die meisten Menschen als “normal” betrachteten. Das heißt aber nicht, dass sie tatsächlich wahr sind.  Der gesunde Menschenverstand ist nicht universell, sondern variiert je nach Ort und Zeit. Deshalb kann man sich nicht auf ihn berufen, denn es handelt sich nicht um eine allgemeine Wahrheit.

Identität

Kwame Anthony Appiah hat sich intensiv mit dem Konzept der Identität beschäftigt. Er glaubt, dass sie eher dazu dient, Personen und Gruppen zu klassifizieren und zu kennzeichnen, als sie zu beschreiben. Seiner Meinung nach sind solche Identitäten wandelbar und setzen sich aus vielen Elementen zusammen. Daher ist es nicht möglich, von “einer” Identität als solcher zu sprechen.

Von diesem Standpunkt aus gesehen, bestimmt diese Vorstellung der Identität letztendlich die Wahrnehmung einer Person oder einer Gruppe, ohne dass diese Wahrnehmung anhand von Beweisen überprüft werden muss. Sie beeinflusst die Art und Weise, wie Menschen behandelt werden und führt zu Vorurteilen und zur Etikettierung.

In diesem Zusammenhang macht Kwame Anthony Appiah eine signifikante Aussage: “Wir neigen eher dazu, Gruppen zu essentialisieren, über die wir negative Vorstellungen haben; wir neigen eher dazu, negative Vorstellungen über Gruppen zu haben, die wir essentialisiert haben”. Mit anderen Worten: Die Identität gewinnt an Bedeutung, wenn wir uns auf diejenigen beziehen, die wir mit Besorgnis betrachten. Wir machen uns jedoch mehr Sorgen um jene, wir mit einem Etikett versehen.

Vom Konzept zum Vorurteil

Manchmal gehen wir von einem Konzept aus, das in der Wissenschaft oder Philosophie entstanden ist, um dann im Alltag einem Vorurteil Platz zu machen. Kwame Anthony Appiah nennt als Beispiel dafür das Konzept der “Rasse”. In der Vergangenheit diente diese Idee als Vorwand für die Unterwerfung ganzer Völker. Tatsächlich ist es immer noch eine Idee, die zur Rechtfertigung von Gräueltaten verwendet wird.

Im 18. und 19. Jahrhundert war zum Beispiel die Rede von einer Reihe psychologischer Eigenschaften, die jeder “Rasse” eigen sind. Kant ging sogar so weit zu behaupten, dass die Hautfarbe ein Beweis für die Intelligenz oder Dummheit eines Menschen sei. Auch heute noch denken viele so.

Daher sind Intellektuelle, nur weil sie Intellektuelle sind, nicht unbedingt eine Quelle der Wahrheit. Auch Konzepte, die Teil einer Theorie sind, sind nicht allein aus diesem Grund gültig.

Was Kwame Anthony Appiah letztlich ablehnt, ist dieser “Essentialismus”. Die Verehrung von Ideen, Büchern oder Personen führt zu Vorurteilen. Es ist besser zu akzeptieren, dass die Realität komplex ist und nicht auf ein allgemeines Konzept reduziert werden kann.


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  • Appiah, K. A. (2019). Las mentiras que nos unen: Replanteando la identidad. Taurus.
  • Appiah, K. A. (2010). The ethics of identity. In The Ethics of Identity. Princeton University Press.

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