In einer Beziehung ändern sich die Ideale: Wir passen sie an den Partner an

Beziehungen sind oft nicht einfach, doch wir passen uns unbewusst an bestimmte Umstände an, um uns trotzdem gut zu fühlen.
In einer Beziehung ändern sich die Ideale: Wir passen sie an den Partner an
Elena Sanz

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Elena Sanz.

Letzte Aktualisierung: 13. Januar 2023

Kein Partner ist perfekt. Jeder Mensch hat Tugenden, aber auch Schwächen. Egal, wie sehr du deinen Partner liebst, du wirst bestimmt Gewohnheiten oder Einstellungen finden, die du nicht magst und gerne ändern würdest. Warum hält die Bindung trotzdem? Die Antwort ist kurios: Deine Ideale ändern sich im Laufe der Zeit, damit du deinen Partner magst.

Das mag verrückt klingen, aber es ergibt einen gewissen Sinn. Es ist ein Mechanismus des Verstandes, der unsere Ideale, Geschmäcker und Vorlieben so anpasst, dass unsere Beziehung erfüllender und befriedigender erscheint. In gewisser Weise passen wir unsere Erwartungen an das an, was unser Partner uns bietet, damit wir uns in der Beziehung besser fühlen.

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In einer Beziehung ändern sich die Ideale im Laufe der Zeit
Wir neigen dazu, unsere Ideale und Erwartungen an unseren Partner anzupassen, um mit der Beziehung zufriedener zu sein.

Das Modell der idealen Standards

Um die obige Aussage zu verstehen, erklären wir kurz die Bedeutung des “Ideals Standards Model” von Fletcher & Simpson. Diesen Autoren zufolge nutzen Menschen bestimmte Elemente, um zwischenmenschlichen Beziehungen zu beurteilen und zu regulieren: Diese Ideale sagen uns, was wir von einem Partner erwarten und wünschen und welche Art von Beziehung wir führen möchten.

Hauptsächlich schauen wir auf drei große Kategorien:

  • Wärme, Engagement und Vertrautheit
  • Gesundheit und körperliche Attraktivität
  • Status und Ressourcen

Alle diese Gruppen haben evolutionäre Vorteile in einer Beziehung. Ein engagierter Partner sorgt für Unterstützung und Zusammenarbeit bei der Elternschaft. Eine gesunde und attraktive Person deutet auf Fruchtbarkeit hin. Eine Person mit einem gutem Status sichert uns Ressourcen und die gewünschte Position in der sozialen Hierarchie.

Wir alle wünschen uns einen Partner, der in diesen drei Kategorien gut platziert ist. Das ist allerdings nicht sehr realistisch. Deshalb neigen wir dazu, einem der drei Punkte Priorität einzuräumen – eine Entscheidung, die wir oft nicht bewusst treffen.

Es sind diese Ideale, die uns helfen, die Qualität unseres Partners und der Beziehung zu beurteilen, zu verstehen, warum bestimmte Dinge in der Bindung passieren (z.B. Streit) und die notwendigen Anpassungen vorzunehmen. Wenn wir jedoch unsere Ideale mit dem vergleichen, was wir tatsächlich haben, mit dem, was der Partner anbietet, können wichtige Diskrepanzen vorliegen.

An diesem Punkt haben wir also zwei Wege. Einerseits können wir der Realität ins Auge sehen (der Partner und die Beziehung stellen uns nicht zufrieden) und die Dinge selbst in die Hand nehmen; entweder, indem wir versuchen, den anderen zu ändern, oder indem wir die Beziehung einfach verlassen. Diesen Weg schlagen wir normalerweise ein, wenn wichtige Entscheidungen anstehen (z. B. zu heiraten oder ein Kind zu bekommen), wenn die Probleme in der Beziehung ernsthaft sind oder wenn eine neue Person auftaucht, für die wir uns interessieren.

Andererseits können wir uns dafür entscheiden, unseren Partner zu idealisieren und die Ungereimtheiten zu übersehen. Wir ändern einfach unsere Ideale, damit unser Partner unseren Erwartungen entspricht. Diesen Weg wählen wir vorwiegend dann, wenn wir uns in einer langfristigen Beziehung befinden.

Ideale anpassen, um eine bessere Beziehung zu erreichen

Die Hypothese des “Ideals Standards Model” wurde in einer Reihe von Forschungsstudien getestet. In einer interessanten Studie wurden zum Beispiel 83 frisch verheiratete Paare in den ersten drei Jahren ihrer Ehe untersucht. Das Forscherteam analysierte, welche positiven und negativen Vorstellungen sie von ihren Partnern hatten und welche Bedeutung sie diesen Merkmalen beimaßen.

So wurde einerseits festgestellt, dass diejenigen, die den als positiv angesehenen Merkmalen mehr Bedeutung beimaßen, eine größere Zufriedenheit in der Beziehung hatten. Aber nicht nur das: Die Forscher fanden auch heraus, dass die Menschen die Bedeutung, die sie den einzelnen Merkmalen beimaßen, veränderten, um das Bild von ihrem Partner zu gestalten. Wenn sich die Wahrnehmung des Partners im Laufe der Zeit änderte, änderte sich auch die Bedeutung, die diesen Wahrnehmungen beigemessen wurde.

In wenigen Worten: Deine Ideale ändern sich im Laufe der Zeit so, dass du deinen Partner (weiterhin) magst. Indem du deine Ideale und Erwartungen an das anpasst, was der andere dir bieten kann, wirst du in der Beziehung zufriedener.

Es scheint sogar, dass wir diese Tendenz schon zu Beginn der Beziehung zeigen. Eine Studie, die mit Paaren in den ersten Monaten ihres Zusammenseins durchgeführt wurde, ergab, dass Menschen im Laufe der Zeit dazu neigen, denjenigen Eigenschaften mehr Bedeutung beizumessen, in denen ihr Partner von Anfang an positiv auffällt. Das heißt, wir scheinen die Stärken des anderen in den Mittelpunkt unserer Ideale zu stellen, um die Bindung als positiver zu empfinden.

Paar spricht im Bett über Ideale
Wir neigen dazu, den Eigenschaften unseres Partners, die uns beim ersten Kennenlernen aufgefallen sind, mehr Bedeutung beizumessen, auch wenn die Zeit vergangen ist.

Manchmal ist es nicht so einfach

Aber nicht alles ist so einfach, und diese Anpassungsmechanismen funktionieren nicht immer. Wenn Konflikte in der Beziehung auftauchen und es stürmisch wird (auch nach jahrelangem Hin und Her), treten diese Vergleiche zwischen dem Ideal und dem, was der Partner bietet, stärker hervor und in vielen Fällen wird die Realität so offensichtlich, dass wir sie nicht mehr ausblenden können.

Trotzdem ist es eine gute Nachricht zu wissen, dass sich deine Ideale im Laufe der Zeit ändern und du deinen Partner magst. Und genau das sorgt dafür, dass Beziehungen Bestand haben und wir uns zufrieden fühlen.


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  • Fletcher, G. J., & Simpson, J. A. (2000). Ideal standards in close relationships: Their structure and functions. Current Directions in Psychological Science9(3), 102-105.
  • Fletcher, G. J., Simpson, J. A., & Thomas, G. (2000). Ideals, perceptions, and evaluations in early relationship development. Journal of personality and social psychology79(6), 933.
  • Neff, L. A., & Karney, B. R. (2003). The dynamic structure of relationship perceptions: Differential importance as a strategy of relationship maintenance. Personality and Social Psychology Bulletin29(11), 1433-1446.

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