Herausragender Philosophinnen von der Antike bis zur Moderne
Auch wenn sie meist im Schatten männlicher Denker standen, haben Philosophinnen im Laufe der Geschichte bemerkenswerte Beiträge geleistet, die das Denken und den Diskurs ihrer Zeit maßgeblich geprägt haben. In diesem Überblick stellen wir herausragende Denkerinnen vor und betrachten ihr Vermächtnis.
Herausragende Philosophinnen der Antike
Klassische Philosophen wie Platon, Aristoteles, Parmenides oder Pythagoras befassten sich mit philosophischen Fragen nach dem Ursprung und der Essenz der Welt. Doch auch Philosophinnen setzten sich bereits in der Antike mit existenziellen Fragen auseinander. Lerne einige dieser faszinierenden Frauen kennen:
Theano von Krotona
Theano von Krotona (um 550 v. Chr.), die Ehefrau von Pythagoras, führte nach dem Tod des bekannten Philosophen seine Schule weiter. Sie interessierte sich insbesondere für Zahlen und wird als eine der ersten Mathematikerinnen der Geschichte betrachtet. Ihr wird das Konzept des Goldenen Schnitts zugeschrieben, das eng mit ihrem philosophischen Denken verbunden ist.
Der Goldene Schnitt ist ein mathematisches Verhältnis, das oft als ästhetisch ansprechend empfunden wird und in verschiedenen Bereichen wie Kunst, Architektur, Natur und Design Anwendung findet. Es wird durch das Verhältnis zweier Größen definiert, wobei das Verhältnis des Ganzen zur größeren Größe dem Verhältnis der größeren Größe zur kleineren Größe entspricht. Theano verwendete dieses Konzept auch in ihrer Weltanschauung: Sie glaubte an eine harmonische Welt, deren Gleichgewicht nicht gestört werden darf, um die Ordnung des Universums nicht zu gefährden.
Ähnlich wie Platon glaubte Theano auch an die Unsterblichkeit der Seele und betrachtete den menschlichen Körper als Gefängnis.
Aspasia
Aspasia (460 v. Chr.) war eine Kurtisane mit beträchtlichem politischem Einfluss. Die “Hetairai” waren im antiken Griechenland hoch angesehene Kurtisanen oder Gesellschafterinnen, die oft eine herausragende intellektuelle Bildung und soziale Fähigkeiten besaßen. Im Gegensatz zu Prostituierten waren sie für gewöhnlich unabhängig und hatten mehr Freiheiten in ihrer Lebensführung. Sie wurden von wohlhabenden Männern als Begleiterinnen bei gesellschaftlichen Veranstaltungen, Banketten und Diskussionen über Philosophie und Politik geschätzt.
Wie auch Sokrates, legte Aspasia großen Wert auf den Dialog als Grundlage ihrer Philosophie. Aspasia war für ihre herausragenden rhetorischen Fähigkeiten bekannt. Athen erlebte zu dieser Zeit seine politische und kulturelle Blüte, was Techniken für effektive und überzeugende Reden besonders wertvoll machte. Das politische Engagement dieser Philosophin an der Seite ihres Geliebten Perikles verlieh ihr eine intellektuelle Anerkennung, die den meisten Frauen verwehrt blieb.
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Diotima
Diotima (400 v. Chr.) wird in Platons Dialog Das Gastmahl erwähnt und als Lehrerin von Sokrates genannt. In diesem Werk beschreibt Sokrates, wie er von Diotima über die Natur der Liebe und die verschiedenen Stufen der Liebe unterrichtet wurde. Sokrates erwähnt, dass Diotima ihm die Konzepte der platonischen Liebe beigebracht hat, die später einen bedeutenden Einfluss auf sein Denken und das von anderen Philosophen hatte.
Die historische Existenz von Diotima ist umstritten. Es gibt keine eindeutigen historischen Aufzeichnungen über sie außer ihrer Erwähnung in Platons Dialog. Einige Gelehrte betrachten Diotima als eine literarische Figur, die von Plato erfunden wurde, um bestimmte Ideen über die Liebe und die Natur der menschlichen Seele zu vermitteln. Andere glauben, dass sie eine reale Person war, über die jedoch nur wenig bekannt ist. Da es keine unabhängigen Quellen gibt, die ihre Existenz bestätigen, bleibt Diotimas historische Realität unsicher.
Fintis
Fintis (um 400 v. Chr.) zählt zu den frühesten Philosophinnen, die über die Gleichberechtigung von Männern und Frauen reflektierten. Sie vertrat zu einer Zeit, in der die Philosophie ausschließlich Männern vorbehalten war, die bahnbrechende Ansicht, dass beide Geschlechter fähig und berechtigt sind, sich dieser Disziplin zu widmen. Gleichzeitig vertrat sie jedoch auch konservative Ansichten und hob die Bedeutung von Selbstbeherrschung, Tugendhaftigkeit und der Rolle der Kindererziehung für Frauen hervor.
Hypatia
Hypatia (ca. 360 bis 415 n. Chr.) war eine griechisch-römische Mathematikerin, Astronomin und Philosophin und bedeutende Vertreterin des Neuplatonismus. Sie lehrte Philosophie, Mathematik und Astronomie an der neuplatonischen Schule von Alexandria und hatte einen bedeutenden Einfluss auf ihre Schüler und auf die intellektuelle Landschaft ihrer Zeit. Leider ist sie auch für ihren tragischen Tod bekannt: Sie wurde von einem christlichen Mob brutal ermordet.
Faszinierende Philosophinnen des Mittelalters
Im Mittelalter war die Beziehung zwischen Glaube und Vernunft von zentraler Bedeutung, da die Philosophie versuchte, die christliche Religion zu interpretieren und zu verstehen. Frühe Denkerinnen des Mittelalters waren oft Mystikerinnen, die eine direkte Verbindung zu Gott suchten und Gott über den Menschen stellten.
Hildegard von Bingen
Hildegard von Bingen (1098 – 1179) war eine bemerkenswerte Mystikerin, Benediktinerin, Komponistin, Schriftstellerin, Gelehrte, Prophetin und Heilerin. Sie ist bekannt für ihre vielfältigen Beiträge zur Theologie, zur Musik und zur Naturheilkunde.
Bereits in jungen Jahren hatte sie religiöse Visionen, die sie dazu inspirierten, ein klösterliches Leben zu führen. Im Laufe ihres Lebens verfasste sie zahlreiche theologische Werke, darunter Visionen, Briefe, medizinische Schriften und musikalische Kompositionen. Ihre Schriften behandeln Themen wie die Natur, die Schöpfung, die Rolle der Frau und die Beziehung zwischen Mensch und Gott.
Sie war auch eine talentierte Komponistin und schuf liturgische Gesänge, von denen viele bis heute erhalten geblieben sind. Ihre Musik ist für ihre komplexe Struktur und ihre mystische Ausdruckskraft bekannt. Darüber hinaus war Hildegard eine Pionierin auf dem Gebiet der Naturheilkunde und verfasste Werke über die Heilkraft von Pflanzen und Kräutern sowie über Krankheiten und deren Behandlung.
Ihr Beitrag zur Philosophie liegt in ihrer ganzheitlichen Sichtweise des Universums, in der sie die Verbindung zwischen allen Dingen betonte und eine tiefe spirituelle Verbundenheit mit der Natur und dem Göttlichen hervorhob.
Marguerite Poreté
Marguerite Poreté (um 1255-1310) war eine französische Mystikerin und Schriftstellerin, die im 13. Jahrhundert lebte. Sie ist bekannt für ihr einziges Werk Der Spiegel der einfachen Seelen, eine bahnbrechende Abhandlung über die spirituelle Mystik und die Vereinigung der Seele mit Gott.
Marguerite Porete verfolgte eine mystische Spiritualität, die von der kirchlichen Hierarchie kritisiert wurde. In ihrem Werk beschrieb sie die Suche nach der göttlichen Liebe und die vollkommene Hingabe der Seele an Gott. Sie betonte die Idee der “einfachen Seele”, die sich von allen weltlichen Bindungen und religiösen Normen befreien muss, um sich mit Gott zu vereinen.
Ihr Werk wurde von der Kirche als ketzerisch betrachtet, da es die traditionelle Lehre infrage stellte. 1310 wurde Marguerite Porete wegen Ketzerei verhaftet und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Trotz ihres tragischen Schicksals hinterließ sie ein bedeutendes Erbe in der Geschichte der christlichen Mystik und der spirituellen Literatur.
Katharina von Siena
Katharina von Siena (1347 – 1380) war eine bedeutende Persönlichkeit des 14. Jahrhunderts, die eine wichtige Rolle in der Politik und Religion ihrer Zeit spielte. Sie trat für die Vereinigung der katholischen Kirche ein und nahm aktiv am politischen Leben teil, indem sie versuchte, zwischen rivalisierenden Gruppen zu vermitteln und den Frieden zu fördern.
Ihre Philosophie und Spiritualität konzentrierten sich stark auf die Beziehung zwischen dem Menschen und Gott sowie auf die Idee der göttlichen Liebe. Katharina betonte die Freiheit des Menschen, zwischen richtigem und falschem Handeln zu wählen, die ihrer Meinung nach von Gott gewährt wurde.
Ihre Lehren und Schriften inspirierten zahlreiche Menschen und hatten einen großen Einfluss auf die geistliche Entwicklung im Mittelalter. Katharina von Siena wurde später heiliggesprochen und ist eine der bedeutendsten weiblichen Gestalten in der Geschichte der katholischen Kirche.
Christine de Pizan
Christine de Pizan (ca. 1364 – 1430) war eine französische Schriftstellerin des späten Mittelalters, die für ihre Werke in den Bereichen Literatur, Philosophie und Feminismus bekannt ist. Pizan war eine der ersten Frauen, die ihren Lebensunterhalt als Schriftstellerin verdiente. Sie setzte sich aktiv für Frauenrechte und Bildung ein.
Ihr bekanntestes Werk, Das Buch von der Stadt der Frauen, ist ein feministisches Meisterwerk, das die Rolle der Frau in der Gesellschaft des Mittelalters erforscht und verteidigt. In diesem Buch baut sie eine metaphorische Stadt der Frauen, in der die weiblichen Tugenden und Fähigkeiten gefeiert werden.
Christine de Pizan war eine kritische Denkerin, die sich auch mit politischen und moralischen Fragen ihrer Zeit auseinandersetzte. Ihr Erbe als eine der frühesten bekannten feministischen Stimmen und als herausragende Schriftstellerin hat bis heute Bestand.
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Herausragende Philosophinnen der Moderne
In diesem Zeitraum lag der Fokus auf der menschlichen Vernunft und dem intellektuellen Fortschritt. René Descartes, der als Vater der modernen Philosophie gilt, prägte diese Empoche maßgeblich. Dennoch gab es auch weibliche Vertreterinnen.
Margaret Cavendish
Margaret Cavendish, Herzogin von Newcastle (1623 – 1673), war eine der ersten Denkerinnen, die sich mit ökologischen Fragen auseinandersetzte. Sie betonte, dass der Mensch kein unumschränktes Herrschaftsrecht über die Natur habe. Sie nahm bereits damals ökologische Bedenken vorweg, die auch heute noch von Relevanz sind.
Ihre Bedeutung in der englischen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts geht über ihre philosophischen Beiträge hinaus. Sie setzte sich vehement für die Rechte der Frauen ein und hinterfragte patriarchalische Strukturen im häuslichen Leben. Als Wissenschaftlerin wurde sie sogar in die renommierte Royal Society of London aufgenommen, eine Institution, die führende Wissenschaftler ihrer Zeit vereinte, darunter Isaac Newton.
Mary Astell
Mary Astell (um 1666 -1731), reflektierte über die Gleichheit von Männern und Frauen. Sie betonte die Intelligenz beider Geschlechter und forderte ihre aktive Nutzung durch kritisches Denken. Astell war eine starke Verfechterin der Bildung für Frauen, da sie der festen Überzeugung war, dass sie den Weg zur Emanzipation ebnet.
Obwohl Astell eine entschiedene Unterstützerin der Frauenrechte war, vertrat sie den Standpunkt, dass Männer besser für öffentliche und politische Angelegenheiten geeignet seien. Trotzdem hinterließ sie einen bedeutenden Beitrag zur feministischen Philosophie und Bildungsgeschichte.
Faszinierende Philosophinnen des 20. Jahrhunderts
Die Philosophinnen des 20. Jahrhunderts haben durch ihre Beiträge zur Philosophie das Verständnis des Menschseins, der Gesellschaft und der Ethik maßgeblich geprägt, indem sie Pluralität, Solidarität und die Bedeutung des Denkens für das Handeln betonten.
Edith Stein
Edith Stein (1891 – 1942) verkörperte eine Synthese aus deutscher Philosophie und christlicher Tradition. Ihr Fokus lag auf dem Menschen, der Gesellschaft und der Gemeinschaft. Sie erkannte, dass Gesellschaften Menschen entfremden können, indem Individualismus dazu führt, dass wir andere nicht mehr als Menschen, sondern als Objekte betrachten.
Diese herausragende jüdische Philosophin fand 1942 in Auschwitz-Birkenau ihren Tod.
Simone Weil
Simone Weil (1909 – 1943) war eine französische Philosophin, politische Aktivistin und Mystikerin. Sie setzte sich vehement für soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung ein und betonte die Bedeutung von Solidarität und ethischem Handeln. Weil glaubte, dass das Streben nach Gerechtigkeit und die Suche nach spiritueller Erfüllung untrennbar miteinander verbunden sind.
Hannah Arendt
Hannah Arendt (1906 – 1975) war eine deutsch-amerikanische politische Theoretikerin und Philosophin. Sie ist bekannt für ihre Arbeiten über Totalitarismus, Macht, Freiheit und das menschliche Handeln. Arendt prägte den Begriff der “Banalität des Bösen” in ihrer Analyse des Eichmann-Prozesses und betonte die Bedeutung von Pluralität und politischer Teilhabe für eine lebendige Demokratie.
“Vergebung ist der Schlüssel zum Handeln und zur Freiheit.”
Hanna Arendt
Simone de Beauvoir
Simone de Beauvoir (1908 – 1986) war eine französische Schriftstellerin, Philosophin und Feministin. Ihr bekanntes Werk Das andere Geschlecht (1949) stellt einen Meilenstein in der feministischen Literatur dar, denn darin hinterfragt die Philosophin die Geschlechterfrage in der Gesellschaft kritisch. De Beauvoir war eine bedeutende Intellektuelle, die sich auch für soziale Gerechtigkeit und politischen Aktivismus einsetzte.
“Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.”
Simone de Beauvoir
Unsichtbarkeit der Philosophinnen in der Geschichte
Die englische Philosophin Miranda Fricker weist darauf hin, dass die Unsichtbarkeit der Philosophinnen in der Geschichte das Ergebnis epistemischer Ungerechtigkeit ist. Die Beiträge von Frauen werden oft missverstanden oder ignoriert, deshalb sind nur wenige weibliche Persönlichkeiten bekannt. Trotzdem haben viele herausragende Denkerinnen Beiträge von großer Bedeutung geleistet, die wir nicht vergessen sollten.
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- Fricker, M. (2017). Injusticia epistémica. Herder Editorial.