Ganbatte, die japanische Kunst, das Beste zu geben
“Ganbatte” bedeutet nicht einfach “Viel Glück!”. Vielmehr handelt es sich um eine japanische Lebensphilosophie, die uns dazu auffordert, in schwierigen Momenten das Beste von uns zu geben. Mit diesem Wort ermutigen Japaner andere, sich für ihre Ziele einzusetzen und nicht aufzugeben, auch wenn es auf dem Weg Hindernisse gibt.
“Ganbatte” leitet sich von dem Verb “ganbaru” (sich bemühen, sich anstrengen) ab. Es gibt sogar eine noch etwas formellere Ausdrucksweise: “Ganbatte Kudasai” (Bitte gibt dein Bestes!)
Diese Lebenseinstellung kann uns allen helfen, in jeder Situation das Beste zu geben und so unsere Ziele zu erreichen.
Ganbatte: Gib dein Bestes!
“Ganbatte” bedeutet, trotz Widrigkeiten nicht aufzugeben und sein Bestes zu geben. Diese resiliente Lebenseinstellung prägt den japanischen Charakter: Harte Arbeit ist eine entscheidende Voraussetzung für Erfolg. Ein in der Fachzeitschrift Juntendo Medical Journal veröffentlichte Studie macht deutlich, dass positive und ermutigende Worte stark motivierend sind. Ein Beispiel dafür ist der Ausdruck “Ganbatte”, der im Laufe der japanischen Geschichte immer wieder auftaucht, um sich selbst und andere zu ermutigen.
In der japanischen Kultur sind Disziplin und tägliche Anstrengungen Voraussetzung für Erfolg, jeder ist für sein Glück selbst verantwortlich.
Die Geschichte einer resilienten Lebensphilosophie
Geschichtliche Ereignisse wie der Abwurf der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki sowie Naturkatastrophen wie Erdbeben und Tsunamis haben die japanische Bevölkerung geprägt. Nach dem schweren Erdbeben von 2011 erschien am Tokyo Tower die Aufforderung “Ganbaro Nippon” (in etwa “Lasst uns unser Bestes für Japan tun”), um die Bevölkerung zu ermutigen. Dahinter steht die Idee, dass jeder Mensch selbst sein Schicksal durch Anstrengung beeinflusst.
Das Tōhoku-Erdbeben 2011 löste einen Tsunami aus, von dem rund 600.000 Menschen betroffen waren, etwa 3,5 % der Geschädigten fand den Tod. Nach dieser Tragödie wurden in Japan verschiedene Maßnahme getroffen, um die Risiken für ähnlich dramatische Ereignisse zu reduzieren und die Widerstandskraft der Bevölkerung zu stärken.
Ein Artikel im Jurnal Studi Hubungan Internasional erklärt, dass die japanische Fähigkeit zur Resilienz aus der Bushido-Philosophie der Samurai stammt. Für sie waren Werte wie Mut, Ehre, Selbstachtung, Selbstkontrolle, Selbstwertgefühl, harte Arbeit und Verantwortung entscheidend.
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Werte in der japanischen Gesellschaft
Anstrengung, Stärke und Mut sind in der japanischen Kultur tief verankert. Genauso wichtig sind Gegenseitigkeit und Altruismus: Japanische Kinder lernen bereits, ihren Egoismus zurückzulassen, um mit anderen zu kooperieren. Loyalität und Wohlwollen anderen gegenüber sind geschätzte Tugenden.
In dem Buch Understanding Japanese Society¹ ist nachzulesen, dass die Zusammenarbeit unter Gleichaltrigen in Japan durch verschiedene Aktivitäten gefördert wird. Beispiele dafür sind Gruppensport statt Einzelsport in der Schule oder verschiedene Aktivitäten zur Nachbarschaftshilfe. Auch wer beruflich erfolgreich sein möchte, muss teamfähig sein. Der Erfolg des Einzelnen hängt vom Erfolg des Unternehmens ab und umgekehrt. Das Eigeninteresse steht deshalb in der Regel hinter dem Gemeinwohl.
Pflichterfüllung, Disziplin, Engagement und Verantwortung sind in der japanischen Kultur besonders wichtig.
Ganbatte in jeder Lebenslage
Du kannst in jeder Situation dein Bestes geben. Mache dir “Ganbatte” zur Lebensphilosophie, indem du folgende Tipps in die Praxis umsetzt:
1. Lerne aus Erfahrungen und bemühe dich
Aus Erfahrungen zu lernen, ist eine Grundvoraussetzung, um in jeder Lebenslage das Beste geben zu können. Denke darüber nach, was du in Zukunft besser machen könntest, welche Fehler du auf keinen Fall wiederholen willst und wie du bessere Lösungen finden kannst. Gib dein Bestes, um beim nächsten Mal bessere Ergebnisse zu erzielen.
Um dies zu erreichen, benötigst du Disziplin. Du musst jedoch auch Grenzen setzen und dir Auszeiten genehmigen, um übermäßigen Stress oder ein Burn-out zu verhindern.
2. Entwickle Resilienz
Ein japanisches Sprichwort macht deutlich, was Widerstandskraft bedeutet: “Wenn du siebenmal hinfällst, stehst du achtmal wieder auf.” Schwierige Augenblicke sind im Leben ganz normal, deshalb musst du lernen, damit umzugehen und Herausforderungen zu meistern. Ergreife die Initiative, um Probleme zu überwinden und dein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
3. Übe dich in Akzeptanz
Es ist nicht immer möglich, Dinge zu verändern. In diesem Fall musst du das akzeptieren. Die japanische Redewendung “shikata ga nai”, die so viel wie “es gibt keine Wahl” bedeutet, spiegelt diese Akzeptanz wider. Eine in der Fachzeitschrift Journal of Personality and Social Psychology veröffentlichte Studie macht deutlich, dass du deine psychische Gesundheit verbessern kannst, wenn du dich in dieser Situation mit deinen Gefühlen auseinandersetzt und sie akzeptierst.
4. Kooperiere mit anderen
In widrigen Situationen kooperieren Japaner und helfen sich gegenseitig. Auch du kannst diese Haltung annehmen: Helfen, zuhören oder Unterstützung anbieten, ist einfach und sehr bereichernd. Wenn du anderen Aufmerksamkeit schenkst, ist es wahrscheinlicher, dass du in schwierigen Zeiten ebenfalls Hilfe erhältst. Das mag egoistisch erscheinen, doch so funktionieren Unterstützungsnetzwerke.
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Ganbatte: Achtsamkeit und Dankbarkeit
Achtsamkeit deckt sich in mehrfacher Hinsicht mit dieser japanischen Philosophie. Indem du im gegenwärtigen Moment präsent bist und deine volle Aufmerksamkeit auf die anstehenden Aufgaben richtest, wendest du die nötige Anstrengung und Hingabe auf, um deine Ziele zu erreichen, die zentrale Elemente dieses Konzepts sind. Wenn du dich auf deine Handlungen konzentrierst, kannst du sie mit größerer Effizienz und Qualität ausführen, was zum Erfolg und zur Überwindung von Herausforderungen beiträgt.
Es hilft dir auch, mit Stress und Druck in schwierigen Situationen umzugehen. Wenn du ruhig bleibst und dich konzentrierst, kannst du Hindernissen effektiv und widerstandsfähig begegnen und Probleme überwinden.
Andererseits ist die Praxis der Dankbarkeit in der japanischen Kultur von grundlegender Bedeutung. Schätze was du hast und sei dankbar. Zeige anderen gegenüber Respekt und Wertschätzung. Dankbarkeit kann dir auch dabei helfen, eine positive Einstellung zu bewahren, auch wenn nicht immer alles so gut läuft. Du gibst immer dein Bestes, unabhängig von den Umständen.
Ganbatte als Lebenseinstellung
Diese Lebensphilosophie hilft dir, Schwierigkeiten zu überwinden und deine Ziele zu erreichen, während du andere wertschätzt und respektierst. Achtsamkeit, Dankbarkeit, Disziplin, Engagement und die gegenseitige Unterstützung sind wichtige Säulen der japanischen Kunst, immer das Beste zu geben.
▶ Lese-Tipp
- Understanding Japanese Society, Joy Hendry, Routledge 2019
Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.
- Effendi, T. D. (2011). Ganbatte Kudasai! Karakter Jepang Yang Mensukseskan! Jurnal Studi Hubungan Internasional, 1(2), 146-148. https://www.neliti.com/publications/132330/ganbatte-kudasai-karakter-jepang-yang-mensukseskan
- Ford, B. Q., Lam, P., John, O. P., & Mauss, I. B. (2018). The psychological health benefits of accepting negative emotions and thoughts: Laboratory, diary, and longitudinal evidence. Journal of Personality and Social Psychology, 115(6), 1075–1092. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5767148/
- Flores Cervera, E. (2019). Eficacia de los tratamientos basados en mindfulness para el trastorno de estrés postraumático en adultos [Tesis de pregrado, Universidad de Granada]. https://digibug.ugr.es/handle/10481/55479
- Gimeno Cerdán, S. M. (2022). Los efectos de la gratitud: Una propuesta de intervención [tesis de masterado, Universitat Jaume I]. https://repositori.uji.es/xmlui/handle/10234/200587
- Hendry, J. (2019). Understanding Japanese Society. Routledge.
- Koshimura, S., & Shuto, N. (2015). Response to the 2011 Great East Japan Earthquake and Tsunami disaster. Philosophical Transactions of the Royal Society A: Mathematical, Physical and Engineering Sciences, 373, 2053. https://royalsocietypublishing.org/doi/full/10.1098/rsta.2014.0373
- Shani, G. (2015). Ganbarō Nippon. Tabunka Kyōsei and Human (In)Security Post 3–11. ProtoSociology, 32, 150-165. https://www.pdcnet.org/protosociology/content/protosociology_2015_0032_0150_0165
- Tamura, M., Tsuchiya, H., Fujii, K., & Asano, K. (2018). What Words Push Your Motivation Switch?: Making You a Great Motivator (Course name: The Power of Words). Juntendo Medical Journal, 64(2), 98-100. https://www.jstage.jst.go.jp/article/jmj/64/2/64_JMJ17-WN09/_article/-char/ja/