Die Gesichter der Bulimie: Welche Arten gibt es?

Psychologische Einflussfaktoren spielen bei dieser Essstörung eine wesentliche Rolle, deshalb erfordert sie eine umfassende Behandlung.
Die Gesichter der Bulimie: Welche Arten gibt es?
Sharon Laura Capeluto

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Sharon Laura Capeluto.

Letzte Aktualisierung: 17. Februar 2024

Bulimie ist eine facettenreiche Erkrankung, die individuell unterschiedlich verläuft und nicht immer offensichtlich ist. Diese Essstörung führt nicht immer zur Einnahme von Abführmitteln, zum Erbrechen oder zu Untergewicht. Betroffene können ein normales Körpergewicht haben und unauffällig sein. Wir skizzieren anschließend zum besseren Verständnis vier verschiedene Arten von Bulimie.

Was ist Bulimie?

Im MSD-V wird Bulimie – auch Ess-Brechsucht oder fachsprachlich Bulimia nervosa – als Essstörung beschrieben, bei der es wiederholt zu Episoden mit Essanfällen kommt auf die kompensatorische Verhaltensweisen folgen, um eine Gewichtszunahme zu verhindern. Dazu gehören zum Beispiel selbstinduziertes Erbrechen und der Missbrauch von Abführmitteln (Purging-Verhalten) oder übertriebenes Fasten sowie Bewegung.

Eine in der Zeitschrift Current Problems in Pediatric and Adolescent Health Care veröffentlichte Studie berichtet von einer Lebenszeitprävalenz zwischen 0,9 % und 3 %, wobei Frauen häufiger von dieser Störung betroffen sind. Bulimie entwickelt sich in der Regel im Alter von rund 16 Jahren, kann jedoch oft bis ins Erwachsenenalter fortbestehen.

Psychologische Einflussfaktoren spielen bei dieser Essstörung eine wesentliche Rolle, deshalb erfordert sie eine umfassende Behandlung.

Warnzeichen

Folgende Warnzeichen und Symptome weisen auf Bulimie hin:

  • Sozialer Rückzug, die betroffene Person vermeidet es, mit anderen zu essen
  • Perfektionismus und hohe Selbstansprüche, insbesondere im Zusammenhang mit dem Aussehen
  • Veränderte Essgewohnheiten, die von einem Extrem zum anderen wechseln
  • Besessenheit vom Körpergewicht, geringes Selbstwertgefühl und verzerrtes Körperbild
  • Rituale beim Essen oder nach den Mahlzeiten (z. B. wiegt sich die betroffene Person nach dem Essen, geht auf die Toilette, berechnet die Kalorien…)
  • Lügen und Verheimlichung bestimmter Verhaltensweisen (Erbrechen oder andere kompensatorische Mechanismen)
  • Zahnprobleme durch häufiges Erbrechen (Karies, Zahnschmelzverfall…)
  • Stimmungsschwankungen (Reizbarkeit, Angstzustände und/oder depressive Symptome)

Diese Warnhinweise sind wichtig, jedoch nicht immer sofort erkennbar. Sie dürfen nicht isoliert oder unverantwortlich bewertet werden, besteht jedoch der Verdacht auf diese Störung ist eine fachärztliche Diagnose entscheidend.

Welche Arten von Bulimie gibt es?

Grundsätzlich unterscheiden Experten zwei Arten von Bulimie: Beim Purging-Typ, der häufiger zu beobachten ist, provozieren die Betroffenen nach den Essattacken das Erbrechen der Speisen, um die Gewichtszunahme zu verhindern. Beim Nicht-Purging-Typ setzen sie andere Methoden ein, unter anderem exzessives Fasten und Sport.

Bei beiden Unterformen besteht im Normalfall kein Über- oder Untergewicht, trotzdem fühlen sich die Betroffenen zu dick. Das Völlegefühl nach den Essattacken empfinden sie als extrem unangenehm, deshalb verschaffen sich Personen mit dem Purging-Typ durch Erbrechen Erleichterung.

Außerdem sind häufig Mischformen mit anderen Essstörungen zu beobachten: Bulimie und Orthorexie, Bulimie und Anorexie oder Bulimie und Binge-Eating-Störung. 

Der Verlauf von Bulimie

Diese Essstörung entsteht nicht plötzlich, sie entwickelt sich langsam und beginnt häufig restriktiven Diäten. Folgende Phasen sind charakteristisch:

  1. Binge Eating (Essanfälle): Die Person verliert die Kontrolle und isst innerhalb eines kurzen Zeitraums unersättlich und zwanghaft. In der Regel verzehren Betroffene fettreiche Lebensmittel und wechseln abrupt zwischen süßen und salzigen, heißen und kalten Varianten.
  2. Schuld- und Schamgefühle: Diese Emotionen entstehen als Folge des Kontrollverlusts beim Binge Eating und werden oft durch Gewichts- und Körperbildsorgen noch verstärkt. Gedanken wie “Ich kann nicht glauben, dass ich das schon wieder getan habe” oder “Ich sollte mich beherrschen können” sind typisch.
  3. Purging-Episoden oder kompensatorische Verhaltensweisen: Betroffene bereuen ihr Verhalten und versuchen, es auszugleichen. Durch Erbrechen, Abführmittel oder exzessive körperliche Betätigung möchten sie eine Gewichtszunahme verhindern.
  4. Vorübergehendes Gefühl der Kontrolle: Für einen kurzen Moment empfinden sie ein Gefühl der Ruhe und Kontrolle. Gedanken wie “Ich werde mich kontrollieren” oder “Ich werde es nie wieder tun” sind in dieser Phase häufig anzutreffen.
  5. Wiederholung des Kreislaufs: Die betroffene Person beschließt, eine restriktive Diät einzuhalten, doch das hilft ihr nicht, ganz im Gegenteil: Dadurch entstehen weitere Essanfälle, der Kreislauf wiederholt sich.

Die Behandlung von Bulimie

Eine fachärztliche Untersuchung und Behandlung ist in dieser Situation dringend notwendig, denn es können Ernährungsdefizite und Krankheiten entstehen. Gleichzeitig benötigen Betroffene psychologische Unterstützung. Vielfach verbergen sich hinter dieser Essstörung emotionale Probleme, Unsicherheiten und ein fragiles Selbstwertgefühl.

Die kognitive Verhaltenstherapie hilft, dysfunktionale Gedanken und Verhaltensweisen zu erkennen und zu verändern. Je nach Ausprägung der Störung kann auch eine psychiatrische Behandlung notwendig sein. Zusätzlich ist eine Ernährungsberatung wichtig, die auf die spezifischen Bedürfnisse und Vorlieben der betroffenen Person eingeht.

Nicht zu vergessen ist die Bedeutung der Familie: Betroffene benötigen kontinuierliche emotionale Unterstützung. Wenn das Umfeld günstig ist, können Rückfälle verhindert werden. Deshalb ist eine Familientherapie ein wirksames Instrument, insbesondere bei Jugendlichen im Anfangsstadium.

Frühzeitige Intervention

Bulimie oder eine andere Essstörung frühzeitig zu erkennen ist entscheidend, um Folgebeschwerden zu verhindern und Betroffene aus diesem gefährlichen Kreislauf zu befreien. Wenn du jemanden in dieser Situation kennst oder selbst davon betroffen bist, zögere nicht und nimm Hilfe in Anspruch. Das Info-Telefon für Personen mit Essstörungen bietet eine kostenlose Erstberatung: 0221 892031


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