Die Funktion der Verdrängung als Abwehrmechanismus

Die Verdrängung schützt uns kurzfristig vor überwältigenden Emotionen und schmerzhaften Erinnerungen, indem sie diese ins Unbewusste verschiebt. Langfristig ist dieser Abwehrmechanismus jedoch problematisch.
Die Funktion der Verdrängung als Abwehrmechanismus
Sharon Laura Capeluto

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Sharon Laura Capeluto.

Letzte Aktualisierung: 23. Juli 2024

Verdrängung ist ein psychologischer Abwehrmechanismus, bei dem unangenehme oder schmerzhafte Gedanken, Erinnerungen oder Impulse aus dem bewussten Denken entfernt und ins Unbewusste verschoben werden. Dies geschieht, um psychische Konflikte zu reduzieren oder zu vermeiden, die durch diese Inhalte ausgelöst werden könnten. Dieser Prozess bietet zwar vorübergehende Erleichterung, kann jedoch letztlich mehr Probleme verursachen als lösen.

Die Verdrängung ermöglicht es der Person, scheinbar normal weiterzuleben, ohne sich von dem Ereignis überwältigt zu fühlen. Doch wenn der unterdrückte Schmerz nicht bewältigt wird, kann er sich verstärken und tiefere Ebenen der Psyche beeinträchtigen. Albträume, Angstzustände oder unerklärliche emotionale Reaktionen sind häufige Folgen.

Wir analysieren nachfolgend diesen Abwehrmechanismen und beschreiben die häufigsten Szenarien, in denen es zur Verdrängung kommt.

Nach Freud ist ein Abwehrmechanismus eine Strategie, die unser Verstand fast immer automatisch anwendet, um uns vor Unbehagen zu schützen, wobei Verdrängung nur eine der verwendeten Methoden ist.

Verdrängung als Abwehrmechanismus: Häufige Szenarien

Von Kindheitstraumata über berufliche Herausforderungen bis zu persönlichen Konflikten – die Verdrängung hilft kurzfristig, doch langfristig kann sie zu emotionalen und psychischen Problemen führen. Wir sehen uns anschließend einige Szenarien an, um zu verstehen, in welchen Situationen dieser Abwehrmechanismus häufig zum Einsatz kommt.

Sexuelle Wünsche

Tabus oder gesellschaftliche Vorstellungen über Sexualität veranlassen Menschen oft dazu, ihre sexuellen Wünsche oder Fantasien zu unterdrücken, aus Angst vor Ablehnung. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn sich jemand zu einer Person hingezogen fühlt, die nach den kulturellen Normen als “unpassend” gilt oder nicht den traditionellen Erwartungen entspricht.

Traumatische Erinnerungen

Menschen verdrängen häufig die Erinnerung an ein traumatisches Ereignis wie einen schweren Unfall, eine Gewaltsituation, die Teilnahme an einem Krieg oder eine Naturkatastrophe, um emotionales Leid zu vermeiden.

Nehmen wir an, eine Person wurde in ihrer Kindheit sexuell missbraucht. Anstatt sich der schmerzhaften Erinnerung an dieses traumatische Ereignis zu stellen, verdrängt sie es, um sich vor dem Leid zu schützen. Auf den ersten Blick scheint das Problem gelöst zu sein, aber in Wirklichkeit bleibt es verborgen und kann auf unerwartete Weise auftauchen, beispielsweise in Form von Albträumen oder Angstzuständen.

Aggressive Impulse

Aggressive Impulse werden in der Regel automatisch unterdrückt, um andere nicht zu verletzen oder um gesellschaftliche Normen einzuhalten. So unterdrücken Menschen ihre Gefühle intensiver Wut, den Wunsch, anderen körperlichen oder emotionalen Schaden zuzufügen, oder ihre Neigung zur Konfrontation.

Unangenehme Emotionen

Es ist sehr verbreitet, negative Emotionen zu unterdrücken. Zum Beispiel blockiert jemand die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen, um Traurigkeit zu vermeiden, ohne zu merken, dass dieser Mechanismus langfristige Auswirkungen haben könnte. Es ist eine Tatsache, dass ungelöste Trauer oft andere – und weniger gesunde – Wege findet, um sich zu manifestieren.

Die Konsequenzen der Verdrängung

Langfristig kann die ständige Verdrängung negativer Gefühle oder traumatischer Erlebnisse zu verschiedenen psychischen und physischen Problemen führen:

  • Psychische Belastung: Verdrängte Emotionen und Erinnerungen bleiben im Unbewussten aktiv und können zu unerwarteten Zeiten wieder auftauchen, was zu Angstzuständen, Depressionen oder anderen psychischen Störungen führen kann.
  • Physische Beschwerden: Chronischer Stress und unbewältigte Emotionen können körperliche Symptome wie Kopfschmerzen, Magenbeschwerden oder Schlafstörungen hervorrufen.
  • Beeinträchtigte Beziehungen: Verdrängung kann die Fähigkeit beeinträchtigen, authentische und offene Beziehungen zu führen. Unbewusste Konflikte oder Emotionen können zu Missverständnissen und Spannungen in zwischenmenschlichen Beziehungen führen.
  • Verhaltensprobleme: Unbewältigte Emotionen können sich in schädlichen Verhaltensweisen äußern, wie z. B. Suchtverhalten, Aggression oder Selbstverletzung.
  • Eingeschränkte persönliche Entwicklung: Indem man sich nicht mit schwierigen Emotionen und Erinnerungen auseinandersetzt, kann man wichtige Wachstumschancen und das Erlernen von Bewältigungsstrategien verpassen.
  • Gefühlslosigkeit: Übermäßige Verdrängung kann zu einer allgemeinen emotionalen Abstumpfung führen, wodurch es schwer wird, Freude und andere positive Gefühle intensiv zu erleben.

Verdrängung ist eine kurzfristige Bewältigungsstrategie, die uns Zeit geben kann, mit schwierigen Situationen umzugehen. Es ist jedoch wichtig, sich langfristig mit den verdrängten Gefühlen und Erinnerungen auseinanderzusetzen, sei es durch Therapie, Selbstreflexion oder Gespräche mit vertrauten Personen, um nachhaltige psychische Gesundheit zu fördern.

Weitere Abwehrmechanismen nach Freud sind unter anderem Projektion, Rationalisierung, Regression, Sublimation oder Verschiebung.

Fazit

Der Abwehrmechanismus der Verdrängung spielt eine komplexe und ambivalente Rolle in unserem Leben. Er schützt uns kurzfristig vor überwältigenden Emotionen und schmerzhaften Erinnerungen, indem er diese ins Unbewusste verschiebt. Dies kann in akuten Krisensituationen hilfreich sein und uns die notwendige Zeit geben, um uns zu stabilisieren und langsam mit dem Erlebten auseinanderzusetzen.

Langfristig birgt die Verdrängung jedoch erhebliche Risiken. Unbewältigte Emotionen können zu psychischen und physischen Beschwerden führen, Beziehungen belasten und die persönliche Entwicklung hemmen. Therapeutische Hilfe ist wichtig und effektiv.


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