Der Zusammenhang zwischen Neurotizismus und Hypochondrie

Neurotizismus bezieht sich auf die Veranlagung mancher Menschen, auf bestimmte Reize mit aversiven Gefühlen zu reagieren. Was passiert, wenn sich diese Reize auf den eigenen Körper beziehen?
Der Zusammenhang zwischen Neurotizismus und Hypochondrie
Gorka Jiménez Pajares

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Gorka Jiménez Pajares.

Letzte Aktualisierung: 13. März 2023

Neurotische Menschen sind ängstlich, reizbar, empfindlich und labil. Sie reagieren sehr emotional und entwickeln häufig Depressionen. Es handelt sich um ein Persönlichkeitsmerkmal des Big-Five-Persönlichkeitsmodells. Wir beleuchten heute den Zusammenhang zwischen Neurotizismus und Hypochondrie, denn bei neurotischen Personen ist die Wahrscheinlichkeit für diese somatoforme Störung erhöht. Außerdem ist der Krankheitsverlauf bei Personen mit Hypochondrie komplexer. Erfahre anschließend mehr darüber.

Mann mit Neurotizismus und Hypochondrie
Rafael Fernández beschreibt Neurotizismus als einen prädisponierenden Faktor für die Entwicklung von Hypochondrie..

Was ist Hypochondrie?

Hypochondrische Menschen leiden an der ständigen Angst, krank zu sein oder zu werden. Es handelt sich um eine somatoforme Störung mit sehr unterschiedlichen Ausprägungen, die von einem starken Gesundheitsbewusstsein bis zu hypochondrischen Wahn reicht. Normalerweise liegen psychische Grunderkrankungen wie Schizophrenie oder Depression vor. Betroffene zeigen große Nervosität und Unbehagen und leiden zum Teil an Todesängsten, wenn sie an Krankheiten denken (WHO, 2021).

Hypochonder sind in gesundheitlichen Angelegenheiten an ihrer verzerrten oder fehlerhaften Wahrnehmung und Interpretation zu erkennen. Die Angst vor Krankheiten kann sich auf alle Lebensbereiche sehr negativ auswirken. Die American Psychiatric Association (APA, 2015) legt als Diagnosekriterium eine Mindestdauer von sechs Monaten fest, wobei sich die Symptome auf unterschiedliche Weise äußern. In den meisten Fällen konzentriert sich die Angst auf bestimmte Krankheiten, über die Betroffene ständig recherchieren.

“Um die Diagnose Hypochondrie zu stellen, müssen organische Veränderungen fehlen, die durch medizinische Tests festgestellt werden.”

Rafael Fernández

Neurotizismus: der perfekte Nährboden

Der Zusammenhang zwischen Neurotizismus und Hypochondrie ist gut belegt. Tatsächlich wird er von der APA (2015) als ein Element betrachtet, das die Prognose der Krankheit überschattet. Er sorgt dafür, dass die Hypochondrie länger anhält und erschwert die Intervention.

Aus kognitiver Sicht spielt der Neurotizismus eine wichtige Rolle bei einer schweren Ausprägung der Hypochondrie, insbesondere dann, wenn ein hohes Maß an Gewissenhaftigkeit vorhanden ist.

“Die Neigung zu negativen Bewertungen, ein Kernaspekt des Neurotizismus, umfasst im Zusammenhang mit Hypochondrie auch die eigenen gutartigen Körperempfindungen.”

Rafael Fernandez

Das integrative kognitiv-verhaltenstherapeutische Modell von Williams

Dieses Modell weist auf die Anfälligkeit für die Entwicklung von Hypochondrie bei Neurotizismus hin. Es handelt sich um die Veranlagung, die Aufmerksamkeit speziell auf bedrohliche Reize zu richten (Belloch, 2020). Die Körperwahrnehmungen sind dadurch intensiver, deshalb werden minimale Veränderungen als Symptome interpretiert. Dazu kommen häufig unangenehmen Kindheitserfahrungen im Zusammenhang mit Krankheiten. Allmählich entwickeln Betroffene eine Hypochondrie und richten ihre Aufmerksamkeit vermehrt auf mögliche Körpersignale, die eine Krankheit darstellen könnten.

Neurotische Menschen neigen außerdem zu Pessimismus und Negativität. Sie können beispielsweise gewöhnliche Halsschmerzen als Anzeichen für eine Krebserkrankung interpretieren. Da sie ihre Symptome als bedrohlich einschätzen, geraten sie in eine Gedankenschleife, die ihr Unbehagen zusätzlich verstärkt: “Die Schmerzen sind noch intensiver, der Arzt hat sich mit seiner Diagnose geirrt, ich muss einen anderen Arzt aufsuchen, denn ich habe sicher Krebs.”

“Für die, die Angst haben, ist alles nur Lärm.”

Sophokles

Frau mit Neurotizismus und Hypochondrie
Neurotizismus prädisponiert zu einer falschen Wahrnehmung von körperlichen Symptomen.

Die Zusammenhänge zwischen Neurotizismus und Hypochondrie

Die wissenschaftlichen Belege für den Zusammenhang zwischen Neurotizismus und Hypochondrie sind eindeutig. Abschließend eine kurze Zusammenfassung (Fernandez, 1998):

  • Ein hohes Maß an Neurotizismus steht im Zusammenhang mit der Fehlwahrnehmung körperlicher Symptome.
  • Zudem begünstigt dieses Persönlichkeitsmerkmal sich wiederholende Gedanken über die eingebildete Krankheit.
  • Diese beiden Variablen führen dazu, dass sich die betroffene Person unwohl fühlt und sich ständig Sorgen um ihre Gesundheit macht. Sie kann depressive und ängstliche Symptome entwickeln, welche ihre Fehleinschätzung bezüglich der Krankheit zusätzlich verstärken. Neurotizismus ist ein perfekter Nährboden für Hypochondrie.

“Wenn der Neurotizismus zunimmt, steigt auch die Neigung, physiologische Störungen zu übertreiben oder überzureagieren.”

Rafael Fernandez


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  • American Psychiatric Association. (2014). DSM-5. Guía de consulta de los criterios diagnósticos del DSM-5: DSM-5®. Spanish Edition of the Desk Reference to the Diagnostic Criteria From DSM-5® (1.a ed.). Editorial Médica Panamericana.
  • Belloch, A. (2023). Manual de psicopatología, vol II.
  • CIE-11. (s. f.). https://icd.who.int/es
  • Roth, J. P. D. (2022). La escrupulosidad: una aproximación clínica. Dios y el hombre, 6(1), 089-089.
  • Martínez, R. F., & Rodríguez, C. F. (1998). Actitudes hipocondríacas, síntomas somáticos y afecto negativo. Psicothema, 10(2), 259-270.
  • Sandín, B., García, R. M. V., Germán, M. A. S., Pineda, D., Olmedo, M., & Chorot, P. (2013). Efecto de la sensibilidad al asco sobre los síntomas hipocondríacos: un estudio prospectivo. Cuadernos de medicina psicosomática y psiquiatria de enlace, (107), 5.

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