Den anderen bedingungslos akzeptieren und nicht versuchen, ihn verändern zu wollen
Sicherlich hast du auch schon hin und wieder einmal das Gefühl gehabt, dass dein Wert als Mensch davon abhängt, ob du bestimmte Erwartungen erfüllst. Damit geht ein unschönes Gefühl einher, welches du rational gesehen vielleicht verdrängst, das aber unterbewusst nicht vermieden werden kann. Ein Mensch, der etwas von uns verlangt, zielt darauf ab, bei uns dieses Gefühl auszulösen, da er weiß, dass das eine Möglichkeit ist, uns unterwürfig zu machen. Sobald der Akzeptanz also Bedingungen gesetzt werden, wird ein Mensch nicht mehr bedingungslos akzeptiert.
„Wenn du tust, was ich von dir verlange, bist du ein gutes Kind“, „wenn du dich für diesen Studiengang entscheidest, werde ich stolz auf dich sein“, „mach mich nicht traurig, weil du etwas anderes als das willst, was ich dir sage“, oder, „du musst der Spaßvogel unter unseren Freunden sein, damit wir gern mit dir zusammen sind.“ – Aber jemanden bedingungslos zu akzeptieren, bedeutet, jemanden so zu lieben, wie er ist, mit seiner Art, zu sein und die Welt zu sehen, ohne ihn nach den eigenen Vorstellungen verändern zu wollen.
Das soll nicht heißen, dass wir nicht ehrlich mit jemandem umgehen oder ihm nicht sagen sollen, was uns missfällt. Es ist eine Sache, ehrlich zu sein, und eine andere, einen Menschen emotional zum eigenen Vorteil zu manipulieren.
Nach den Vorstellungen anderer zu leben, entfernt uns davon, uns bedingungslos zu akzeptieren
Auf den ersten Blick erscheinen diese Sätze unbedenklich, scheinen keine großen Auswirkungen auf unser alltägliches Leben zu haben. Aber wenn wir einmal genauer darüber nachdenken: Was würde passieren, wenn wir jeder einzelner dieser Forderungen blind nachkämen? Wir würden zu einem Menschen werden, den andere formen. Wir würden uns an unsere Eltern, Freunde, unseren Partner etc. regelrecht verkaufen. Unvermeidbar würden alle auf die eine oder andere Weise von uns verlangen, ein Mensch zu sein, den sie sich wünschen.
Selbstverständlich liegt es an uns, ob wir den Erwartungen anderer nachkommen wollen, ohne zu überlegen. Wir können auf gesunde und bestimmende Art und Weise Grenzen setzen: „Ich werde nicht so sein, wie du mich gern hättest, aber ich will weiterhin mit dir befreundet sein. Wenn du mich so akzeptierst, wie ich bin, freue ich mich darüber, falls nicht, werde ich meinen Weg ohne dich weitergehen müssen.“ Sich mit solchen Sätzen gegen die Forderungen anderer aufzulehnen, erscheint ganz einfach, aber es verlangt viel Mut von uns ab, wir müssen uns selbst behaupten und das auch unserem Gegenüber zeigen.
Bedingungslos akzeptieren: ein Akt der Nächstenliebe
Mit einem Menschen eine Beziehung von vorn und auf Grundlage der bedingungslosen Akzeptanz zu beginnen, ist ein Akt der Nächstenliebe. In einer Beziehung festzustecken, deren Langlebigkeit davon abhält, ob Erwartungen erfüllt werden oder nicht, ist kräftezehrend und frustrierend. Natürlich sprechen wir hier nicht davon, Verhaltensweisen bedingungslos zu akzeptieren, die unserer emotionalen und physischen Gesundheit schaden. Respekt ist einer der Grundpfeiler einer jeden Beziehung.
Wenn du eine sehr sensible Person bist und einen Freund hast, der eher rational denkt, kann es sein, dass es Augenblicke gibt, in denen du das Gefühl hast, dass er dich nicht versteht oder sich nicht in deine Lage hineinversetzt, und das frustriert dich unvermeidbar immer mehr, weil dieser Mensch nun einmal so ist. Das könnte sich mit der Zeit vielleicht ändern, aber das hängt nicht von dir ab.
In diesen Fällen ist es am besten, zu akzeptieren, dass unser Freund anders als wir selbst ist und dass er uns oft nicht das geben kann, was wir brauchen, aber er kann uns andere Dinge schenken, die für diese Freundschaft wichtig sind. Auch wenn du dich nicht immer von ihm verstanden fühlst, ist er unter Umständen eine dieser wenigen Personen, auf die du immer zählen kannst.
„Herr, gib mir die Kraft, das zu akzeptieren, was ich nicht ändern kann; den Mut, das zu ändern, was ich ändern kann; und die Weisheit, beide Umstände zu erkennen.“
Franz von Assisi
Einen geliebten Menschen bedingungslos zu akzeptieren und lieben, heißt, sein Wesen zu lieben, ohne etwas daran ändern zu wollen. Es bedeutet, voller Liebe das zu sehen, was wir an ihm so schätzen. Eine Person bedingungslos zu akzeptieren, heißt nicht, uns dazu zu zwingen, deren Besonderheiten zu lieben, denn wir haben das Recht darauf, gewisse Wesenszüge eines Menschen nicht zu mögen. Doch wir können sie als ein Teil des Ganzen, des Menschen an sich, respektieren und verstehen.
Bedingungslose Akzeptanz beginnt bei uns selbst
„Das Paradoxe ist, dass ich mich ändern kann, sobald ich mich so akzeptiere wie ich bin.“
Carl Rogers
Dieser Akt, einen Menschen bedingungslos zu akzeptieren, sollte bei uns selbst beginnen. Vielleicht bist du ein sehr fordernder, perfektionistischer Mensch und erwartest von anderen, dass sie so sind, wie du sie gern hättest. Sich selbst zu akzeptieren wie man ist, bedeutet weder, sich selbst von Grund auf verändern zu wollen, noch sich selbst als etwas bereits Perfektes anzusehen, das nur besser werden kann. Sich zu akzeptieren, heißt, sich zu respektieren, sich selbst zu lieben und sich nicht wegen dem zu bestrafen, nicht wie eine allgemeine Vorstellung von etwas zu sein, was wir uns selbst auferlegen oder uns auferlegen lassen:
Wenn ich im Einklang mit mir selbst bin, mit meinen Stärken und Schwächen, mit meinen Ecken und Kanten und mit all meinen Farben, wenn ich es schaffe, diesen gesamten Erfahrungsschatz, meine Gefühle, Emotionen, Gedanken und Taten zu lieben und zu respektieren, werde ich mental gesehen auf jeden Fall gesünder leben und meine Einstellung wird immer wertvoll sein.
Wenn ich mich dafür akzeptiere und liebe, wer ich bin – und nicht nur dann, wenn ich die Erwartungen anderer erfülle – dann kann ich auch andere aus dieser Perspektive betrachten und sie als das akzeptieren, was sie sind. Sobald ich meine Mitmenschen bedingungslos akzeptiere, werden sie sich verstandener und weniger gezwungen fühlen, ein anderer Mensch zu sein. Eigenschaften, die mir nicht zusagen, werden mich nicht daran hindern, den Menschen als Ganzes zu sehen.
Ich kann meine Augen weit öffnen und all das erkennen, was einen Menschen ausmacht, wenn ich will!