Behaviorismus: Was ist das?
In der Psychologie gibt es verschiedene Schulen und Ansätze, die den Geist und das menschliche Verhalten analysieren. Die Vielfalt der Perspektiven bereichert die Sicht auf den Untersuchungsgegenstand, sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene. Eine dieser Denkrichtungen ist der Behaviorismus.
Diese Theorie geht davon aus, dass das Umfeld bestimmte menschliche Verhaltensmuster prägt und verstärkt. In den 1920er-Jahren und bis ungefähr 1950 war dieser Denkansatz in der Psychologie führend. In diesen drei Jahrzehnten entwickelte sich der Behaviorismus zu einer der stärksten und dominantesten Schulen der Psychologie.
Was ist Behaviorismus?
Der Behaviorismus konzentriert sich auf Lernprozesse, denn er geht davon aus, dass jedes Verhalten durch Konditionierung erworben wird. Das bedeutet, dass es sich in der Interaktion mit der Umwelt entwickelt und durch Verstärkung und Assoziationen festigt.
Im Behaviorismus wird das Verhalten unabhängig von den mentalen Prozessen systematisch analysiert und untersucht. Diese Theorie geht davon aus, dass beobachtbares Verhalten der einzige Untersuchungsgegenstand der Psychologie ist, da Gedanken, Überzeugungen, Emotionen und Geisteszustände nicht beobachtbar oder messbar sind.
Nach dem Behaviorismus kommt der Mensch als “tabula rasa” (leeres Blatt) zur Welt. Er eignet sich das Verhalten erst im Umgang mit der Umgebung an, also ist jedes Verhalten erlernt und nicht angeboren. Diese angelernten Verhaltensmuster helfen uns, uns an verschiedenste Alltagssituationen anzupassen.
Grundlegende Merkmale des Behaviorismus
Wir erklären anschließend kurz die wichtigsten Konzepte dieser Denkrichtung:
- Wir erwerben unsere Verhaltensmuster durch Erfahrungen mit der Umwelt. Diese Konditionierung kann klassisch (Signallernen) oder operant (Belohnung gewünschter Verhaltensweisen) sein.
- Die Psychologie ist die Wissenschaft des Verhaltens, nicht des Geistes. Jede Theorie basiert auf empirischen Daten, die durch Beobachtung und Messung erhoben werden.
- Der Behaviorismus konzentriert sich auf beobachtbares und messbares Verhalten, nicht auf interne Prozesse. Er lehnt jede Introspektion als Studienobjekt zum Verständnis menschlicher Handlungen entschieden ab.
- Das Verhalten kann ohne Bezug zu kognitiven Prozessen erklärt werden. Die Ursachen für ein Verhalten sind äußerlich, nicht geistig, und können auf die einfache Assoziation eines Reizes und einer Reaktion reduziert werden.
- Dieser Ansatz ist deterministisch, da das Verhalten durch die Konditionierung vorgegeben ist. Ein Mensch ist so, wie er ist, weil er konditioniert ist.
- Jeder Mensch erlernt sein Verhalten durch die Interaktion mit seiner Umwelt, er kommt nicht damit auf die Welt.
- Dieser Ansatz wird als reduktionistisch bezeichnet, da er das Verhalten in Teile zerlegt, die es zu untersuchen gilt.
- Der Behaviorismus ist nomothetisch, das heißt variablenorientiert (das Verhalten unterliegt denselben Gesetzen, nämlich der Konditionierung).
Arten des Behaviorismus
Innerhalb des Behaviorismus gibt es verschiedene Denkrichtungen:
- Watsons klassischer Behaviorismus: Dieser Ansatz konzentriert sich auf die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Stimulus und Reaktion. Iwan P. Pawlow beeinflusste diese Richtung mit seinen Forschungen über die Konditionierung.
- Skinners radikaler Behaviorismus: Der US-amerikanische Psychologe geht davon aus, dass jedes Verhalten mit den positiven (Verstärkung) oder negativen (Bestrafung) Konsequenzen verbunden ist, die es auslöst. Die Konsequenzen beeinflussen deshalb die Häufigkeit des Verhaltens (Reynold, 1973).
- Der Interbehaviourismus von Kantor: Dieser Ansatz interpretiert das Verhalten als Interaktion und nicht einfach als Reaktion auf die Umwelt. Verhalten und Umwelt sind voneinander abhängig, daher muss der Untersuchungsgegenstand der Psychologie die Interaktion, das Zusammenspiel (Ergebnis eines Reizes und einer Reaktion) sein.
- Tolmans absichtlicher Behaviorismus: Diese Richtung versteht das Verhalten als absichtliche Handlung, die den Organismus auf ein Ziel ausrichtet. Um dieses Ziel zu erreichen, werden Mental Maps erstellt. Deshalb hängt das Verhalten nicht nur von der Interaktion mit der Umwelt ab, sondern auch von inneren Prozessen, Überzeugungen, Gefühlen und Einstellungen.
- Clarks deduktiver Behaviorismus: Das Verhalten ist ein Überlebensmechanismus. Lernprozesse sind ein Mittel zur Anpassung an die Umwelt, um zu überleben. Sie berücksichtigen vermittelnde Prozesse wie Kognition, Wille, Denken und andere.
Behaviorismus und Konditionierung
Die Konditionierung ist das Produkt der Assoziation von Reizen und Reaktionen. Es handelt sich um eine Art des Lernens, bei der Ereignisse oder Begebenheiten miteinander verbunden werden. Wie bereits erwähnt, gibt es im Behaviorismus zwei Arten: die klassische und die operante Konditionierung.
Klassische Konditionierung
Ein bestimmter Stimulus wird verwendet, um eine Assoziation mit einer spezifischen Reaktion herzustellen. Man spricht auch von Signallernen, da ein Signal (Stimulus) ein bestimmtes Verhalten auslöst. Grundlegenden Konzepte in diesem Zusammenhang:
- Unbedingter Stimulus: Jeder Stimulus mit ausreichender Intensität, um eine Reaktion hervorzurufen. Beispiel: Du gibst dem Hund Futter.
- Unbedingte Reaktion: Der unbedingte Stimulus löst eine unbedingte Reaktion aus. Beispiel: Der Hund produziert Speichel.
- Neutraler Stimulus: Ein Stimulus, der keine Wirkung auf das Verhalten hat oder keine Reaktion hervorruft. Beispiel: Du pfeifst mit einer Pfeife (Signal), während du deinem Hund das Futter gibst. Der Hund reagiert jedoch nicht auf die Pfeife.
- Bedingter Stimulus: Der neutrale Stimulus hat sich zu einem bedingten Stimulus entwickelt, da er durch wiederholte Assoziation dieselbe Reaktion wie der unbedingte Stimulus auslöst. Beispiel: Du pfeifst jedes Mal, wenn du deinem Hund Futter gibst, mit der Pfeife. Nach mehreren Wiederholungen produziert dein Hund Speichel, wenn du pfeifst, auch wenn du ihm kein Futter gibst.
- Bedingte Reaktion: Die Reaktion auf das den bedingten Stimulus. Beispiel: Dein Hund produziert beim Pfeifen Speichel.
Operante Konditionierung
Die operante oder instrumentelle Konditionierung wurde von Skinner vorgeschlagen und bezieht sich auf einen Prozess, bei das Verhalten durch die ausgelösten Konsequenzen verändert wird. Die wichtigsten Konzepte sind folgende:
- Verstärkung: Die Verstärkung kann positiv oder negativ sein, um das Verhalten zu fördern oder zu verändern. Beispiel positive Verstärkung: Ein Kind meldet sich freiwillig, um beim Aufräumen zu helfen. Es erhält als Dankeschön ein Eis, mit dem sein positives Verhalten belohnt wird. Beispiel negative Verstärkung: Ein Kind macht seine Hausaufgaben, deshalb wird das Verbot, sich mit seinen Freunden zu treffen, aufgehoben.
- Bestrafung: Auch die Bestrafung kann positiv oder negativ sein. Damit sollen bestehende Verhaltensmuster verändert werden. Beispiel für positive Bestrafung: Ein Kind hilft beim Aufräumen, doch es erhält nur Kritik, da es darin nicht geübt ist. Diese unangenehme Konsequenz führt dazu, dass das Kind nicht mehr helfen will. Beispiel für negative Bestrafung: Das Kind hilft beim Aufräumen, erhält jedoch keine positive Verstärkung, nicht einmal ein Danke. Da die angenehme Konsequenz ausbleibt, wird es keine Lust mehr haben, zu helfen.
- Extinktion: Die bedingte Reaktion tritt nach einem Lernprozess nicht mehr auf.
- Akquisition: In der Aneignungsphase nimmt die Häufigkeit einer Reaktion zu.
Zusammenfassend können wir sagen, dass der behavioristische Ansatz eine theoretische und praktische Ausrichtung ist, die anfangs revolutionär war. In Europa ist heute der Kognitivismus, bei dem innere Prozesse im Mittelpunkt stehen, von großer Bedeutung, doch auch die behavioristischen Techniken von Verstärkung und Bestrafung sind in der therapeutischen Praxis sehr wichtig.
Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.
- Reynolds, G. S. (1973). Compendio de condicionamiento operante. Editorial Ciencia de la Conducta.
- Sarason, I. G. y Sarason, B. R. (2006). Psicopatología: psicología anormal: el problema de la conducta inadaptada (10ª Ed.). Pearson Educación.