10 Aussagen, die eine Opfermentalität entlarven

In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf zehn typische Aussagen, die auf eine Opfermentalität hinweisen können.
10 Aussagen, die eine Opfermentalität entlarven
Leticia Martín Enjuto

Geprüft und freigegeben von der Psychologe Leticia Martín Enjuto.

Geschrieben von Redaktionsteam

Letzte Aktualisierung: 13. September 2024

Die Opfermentalität kann tiefgreifende Auswirkungen auf das persönliche Wohlbefinden und die zwischenmenschlichen Beziehungen haben. Menschen, die sich häufig als Opfer betrachten, tendieren dazu, die Verantwortung für ihre Lebensumstände von sich zu weisen und fühlen sich oft machtlos ihrem Schicksal ausgeliefert. Diese Haltung kann eine selbstverstärkende Schleife aus Negativität und Passivität erzeugen, die es schwierig macht, positive Veränderungen herbeizuführen.

In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf zehn typische Aussagen, die auf eine Opfermentalität hinweisen können. Diese Mentalität ist oft geprägt von Machtlosigkeit, Passivität, niedrigem Selbstwertgefühl, Pessimismus, einer Abneigung, Verantwortung zu übernehmen, und anhaltender Unzufriedenheit.

Beim Umgang mit Personen, die solche Züge aufweisen, ist Vorsicht geboten. Ihre negativen Einstellungen können ansteckend wirken, wodurch auch dein Energielevel sinken und du selbst in einen Zustand der Frustration und Unzufriedenheit geraten könntest. Wir laden dich ein, weiterzulesen und mehr über dieses Thema zu erfahren.

Menschen mit Opfermentalität

Manche Menschen klammern sich an ihr Leid und ihre Probleme, wobei zahlreiche Faktoren eine Rolle spielen. Hier sind einige der zentralen Gründe für die Entwicklung einer Opfermentalität, wie sie in einem Fachartikel der Zeitschrift Frontiers in Psychology genannt werden:

  • Emotionaler oder körperlicher Missbrauch
  • Verrat durch eine nahestehende Person
  • Soziale Ablehnung an einem kritischen Punkt im Leben

Des Weiteren können auch folgende Gründe zu einer Opferhaltung als Abwehrmechanismus führen:

  • Traumatische Erlebnisse
  • Kontrollverlust in schwierigen Situationen
  • Überbehütung in der Kindheit

Merkmale von Menschen mit Opfermentalität

Zu den häufigsten Merkmalen und Verhaltensweisen von Menschen mit Opfermentalität zählen folgende:

  • Sie fühlen sich unzufrieden mit ihrem Leben, doch anstatt aktiv etwas zu verändern, verharren sie in ihrer Unbehaglichkeit.
  • Emotionale Manipulation ist ein häufig genutztes Mittel, um ihre Ziele zu erreichen. Sie setzen auf Mitleid und Erpressung, um von anderen zu bekommen, was sie wollen.
  • Oft empfinden sie Groll und Neid gegenüber ihrem Umfeld, da sie ihr eigenes Leben ständig mit dem der anderen vergleichen.
  • Statt Verantwortung für ihre eigenen Probleme oder Entscheidungen zu übernehmen, geben sie häufig anderen die Schuld. Diese Schuldzuweisungen dienen dazu, sich nicht mit den eigenen Fehlern oder Herausforderungen auseinandersetzen zu müssen.
  • Zudem suchen sie fortwährend nach Bestätigung von außen und greifen dabei zu dramatischen oder übertriebenen Ausdrücken, um die Aufmerksamkeit auf ihre Schwierigkeiten zu lenken.
  • Sie haben das Gefühl, dass sich ihr Leben nur um andere dreht, und vernachlässigen dabei ihr eigenes Wohlbefinden. Diese verzerrte Wahrnehmung hindert sie daran, zu erkennen, dass gesunde Beziehungen auf Gegenseitigkeit beruhen, bei denen beide Seiten füreinander da sind.

Alkohol- oder drogensüchtige Menschen verfallen häufig in die Opfermentalität, was sie tiefer in die Abhängigkeit führt.

10 Aussagen, die eine Opfermentalität entlarven

Menschen mit Opfermentalität erkennt man meistens nicht auf den ersten Blick. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass sich diese Menschen nicht absichtlich so verhalten und anderen nicht schaden möchten. Wie wir bereits gesehen haben, verbergen sich hinter ihrem Verhalten bestimmte Gründe. Folgende Aussagen können auf eine Opfermentalität hinweisen, du kannst Betroffenen deine Hilfe anbieten.

1. „Das passiert immer mir“

Ob dein Auto ausgerechnet an dem Tag kaputt geht, an dem du ein wichtiges Meeting hast, oder dein Urlaubsflug verspätet ist – jeder erlebt im Alltag unvorhergesehene Rückschläge. Doch Menschen mit einer Opfermentalität interpretieren solche Ereignisse oft als Bestätigung für ihr vermeintliches Pech. Sie empfinden das Leben als eine unfaire Abfolge von Hindernissen, gegen die sie sich machtlos fühlen. Anstatt ihre eigene Rolle bei der Lösung von Problemen zu erkennen, führen sie negative Erfahrungen auf äußere Faktoren oder auf das Schicksal zurück.

Diese Haltung kann einen Teufelskreis auslösen, der sie davon abhält, Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen und aus Rückschlägen zu lernen.

2. „Niemand versteht mich“

Dieser Satz wird häufig von Menschen geäußert, die sich als Opfer sehen. Während es vollkommen natürlich ist, Verständnis und Empathie für unsere Erlebnisse und Gefühle zu suchen, muss man erkennen, dass jeder Mensch diese anders wahrnimmt. Wir können nicht erwarten, dass Freunde oder Familienmitglieder unsere Situation völlig nachvollziehen oder sich exakt „in unsere Lage versetzen“.

Personen mit Opfermentalität haben oft das Gefühl, nicht verstanden zu werden. Dies kann zu einer emotionalen Distanz in ihren Beziehungen führen und sie noch weiter isolieren. Infolgedessen verstärken sich Gefühle von Hilflosigkeit und Isolation, was den Kreislauf der Opfermentalität weiter antreibt.

Diese Denkweise zu erkennen, ist der erste Schritt, um Menschen dabei zu helfen, aus der Opferrolle auszubrechen und ihr Leben aktiv in die Hand zu nehmen.

3. “Es ist nicht meine Schuld”

Menschen mit einer Opfermentalität neigen oft dazu, die Verantwortung für ihre Handlungen und Entscheidungen abzuweisen. Wenn sie beispielsweise zu spät zur Arbeit kommen und eine Verwarnung erhalten, schieben sie die Schuld auf äußere Umstände oder die vermeintliche Abneigung ihres Vorgesetzten, anstatt ihre eigene Verspätung einzugestehen. Ähnlich ist es, wenn sie das Vertrauen anderer verletzen, etwa indem sie ein Geheimnis weitergeben.

Es ist wichtig zu verstehen, dass persönliches Wachstum und innere Stärke erst durch das Anerkennen eigener Fehler und das Lernen daraus entstehen. Indem wir Verantwortung für unser Verhalten übernehmen, entwickeln wir größere Autonomie und Widerstandsfähigkeit im Leben.

4. “Die ganze Welt ist gegen mich”

Stell dir vor, deine Freundin hat in den vergangenen Monaten eine Reihe von Rückschlägen erlebt: Sie hat ihren Job verloren, steht finanziell unter Druck und hatte einen Streit mit ihrem Partner, der eine Beziehungspause möchte. In Gesprächen mit ihr bemerkst du, dass ihre Erzählungen von Pessimismus und Entmutigung durchzogen sind. Sie schildert jeden Vorfall dramatisch als persönliche Katastrophe.

Aus der Perspektive der Opfermentalität interpretiert sie jeden Rückschlag als Beweis dafür, dass das Universum gegen sie arbeitet. Diese Einstellung führt oft zu Groll und Misstrauen gegenüber anderen und macht es schwer, auch in schwierigen Zeiten Chancen zu erkennen.

5. “Ich habe nie Glück in der Liebe/bei der Arbeit/im Leben”

Personen, die diesen Satz oft wiederholen, haben eine verzerrte Wahrnehmung, die durch ihre negativen Erfahrungen entsteht. Ein Beispiel: Seit Jahren beklagt sich Peter sich über sein “Pech” in der Liebe. Bei Familientreffen zählt er die Misserfolge seiner vergangenen Beziehungen auf: „Marta hat mir nach einem Monat das Herz gebrochen“, „Virginia konnte meine Arbeitszeiten nicht akzeptieren und ging“ oder „Sofia fand immer Gründe, mit mir zu streiten“.

Anstatt sich zu fragen, wie seine eigenen Verhaltensweisen zu den Problemen in seinen Beziehungen beigetragen haben, sieht er sich als Opfer des Schicksals und macht äußere Umstände verantwortlich. Diese Haltung führt oft zu Resignation und verhindert, dass er aktiv Maßnahmen ergreift, um seine Situation zu verbessern.

6. “Bei mir geht sowieso immer alles schief”

Dieser Satz ist typisch für Menschen mit einer Opfermentalität. Jeder Rückschlag wird dramatisch vergrößert und als Beweis für die Unvermeidbarkeit von Misserfolgen gesehen. Obwohl sie behaupten, alles getan zu haben, um ihre Situation zu ändern, unternehmen sie oft wenig bis gar nichts, um tatsächlich eine Verbesserung zu bewirken.

Diese Einstellung führt auch zu Neid gegenüber anderen. Statt sich über die Erfolge anderer zu freuen, neigen sie dazu, sie zu kritisieren, weil sie ihre eigenen Fähigkeiten gering einschätzen. Das gestörte Selbstwertgefühl verstärkt das Gefühl, nicht in der Lage zu sein, eigene Ziele zu erreichen oder Herausforderungen zu bewältigen.

7. „Das sagst du so einfach“

Dieser Ausdruck ähnelt der Aussage „Niemand versteht mich“. Menschen mit einer Opfermentalität verwenden ihn, um den Eindruck zu vermitteln, dass andere nicht dieselben Herausforderungen erlebt haben wie sie selbst. Dadurch fühlen sie sich berechtigt, Ratschläge oder Unterstützung abzulehnen, weil sie glauben, dass diese nicht auf ihre spezielle Situation anwendbar sind. Sie bauen eine Barriere auf, die sie davon abhält, Hilfe anzunehmen, und verstärken damit ihre Wahrnehmung, dass niemand ihre Probleme wirklich nachvollziehen kann.

8. „Du bist grundlos auf mich sauer“

Ein Beispiel dafür könnte der Streit zwischen Anna und John sein, die gemeinsam an einem Universitätsprojekt arbeiten. Anna äußert respektvoll ihre Bedenken darüber, dass John seinen Teil der Arbeit nicht erledigt. Anstatt ihre Kritik anzunehmen, reagiert John abwehrend mit „Ach, komm schon! Du bist doch immer grundlos auf mich sauer.“

Diese Aussage verharmlost Annas berechtigte Kritik und deutet an, dass ihr Ärger übertrieben oder unberechtigt ist. Es kann sich um eine Taktik handeln, um Verantwortung zu vermeiden und die Wahrnehmung der Situation zu manipulieren, sodass John als das eigentliche Opfer erscheint.

9. „Ich muss eine Szene machen, um deine Aufmerksamkeit zu bekommen“

Laura fühlt sich oft von ihrem Partner Michael nicht beachtet. Bei einem Treffen mit Freunden beginnt sie, ihre Frustration über ihr gemeinsames Leben auf übertriebene Weise zu äußern, um eine Reaktion von ihm zu provozieren. Als sie später allein sind, fragt Michael sie, warum sie sich so aufgeregt hat, und sie antwortet: „Siehst du, ich muss erst eine Szene machen, damit du mir überhaupt Aufmerksamkeit schenkst.“

Mit dieser Aussage versucht Laura zu rechtfertigen, dass sie dramatisieren muss, um gehört zu werden. Dies deutet darauf hin, dass sie das Gefühl hat, nur durch Konflikte oder übertriebene Reaktionen wahrgenommen zu werden. Diese Dynamik kann die Beziehung belasten, indem sie eine Kultur der Dramatik schafft, anstatt konstruktive Kommunikation zu fördern.

10. „Niemand kümmert sich um mich“

Wir alle haben Momente, in denen wir uns emotional belastet fühlen. Doch wenn jemand immer wieder sagt, „Niemand kümmert sich um mich“, ist dies oft ein Ausdruck einer verzerrten Wahrnehmung, die durch Gefühle von Einsamkeit oder Mangel an Unterstützung verstärkt wird.

Diese Aussage signalisiert das Bedürfnis nach Bestätigung und verstärkt die Überzeugung, dass man von anderen vernachlässigt oder verlassen wird. Sie stärkt das Opferbild und verhindert, dass die Person positive Gesten der Fürsorge oder Zuneigung wahrnimmt, auch wenn diese vorhanden sind.

Tipps für die Kommunikation mit Menschen mit Opfermentalität

Nachdem du die typischen Aussagen kennengelernt hast, die Menschen mit einer Opfermentalität häufig verwenden, denkst du vielleicht an jemanden aus deinem Umfeld. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Denkweise, auch wenn sie tief in der Persönlichkeit verankert ist, verändert werden kann.

In solchen Fällen ist es entscheidend, klare Grenzen zu setzen, um ein gesünderes Umfeld zu schaffen und schädliche Verhaltensmuster zu durchbrechen. Hier sind einige Tipps, die dir helfen können, effektiv mit diesen Menschen zu kommunizieren:

  • Aktives Zuhören ohne Manipulation zuzulassen: Zeige Empathie, ohne dich in ihre Negativität hineinziehen zu lassen. Bewahre deine Geduld, ohne dabei ihre Manipulationsversuche zu unterstützen.
  • Ermutige zur professionellen Hilfe: Weise sanft daraufhin, dass psychologische Unterstützung eine wichtige Rolle bei der Veränderung schädlicher Denkmuster spielen kann. Ein Therapeut kann helfen, tief verwurzelte Verhaltensweisen zu erkennen und aufzulösen.
  • Unterstütze den Prozess der Veränderung: Falls die Person sich für eine Therapie entscheidet, biete emotionale Unterstützung an. Veränderungen geschehen oft schrittweise, daher ist es wichtig, kleine Fortschritte zu würdigen und ihre Anstrengungen zu loben. Bestätige ihre Gefühle und erinnere sie daran, wie sehr du ihre Bemühungen schätzt.
  • Zeige Einfühlungsvermögen, ohne zu urteilen: Verstehe, dass ihr Verhalten oft auf schmerzhaften Erfahrungen basiert. Ihr aktuelles Verhalten ist möglicherweise eine Überlebensstrategie, die sie unbewusst entwickelt hat. Urteile nicht, sondern erkenne ihren Schmerz an, ohne dabei ihre Opferrolle zu verstärken.
  • Sei ein positives Vorbild: Zeige durch dein eigenes Verhalten, wie man mit Problemen verantwortungsbewusst und konstruktiv umgehen kann. Demonstriere, dass es möglich ist, Hindernisse zu überwinden, ohne sich in einer Opferrolle zu verlieren.
  • Setze klare Grenzen: Auch wenn die Person dich möglicherweise beschuldigt, sie im Stich zu lassen, weil du nicht auf jede ihrer Forderungen eingehst, ist es wichtig, deine eigenen emotionalen Grenzen zu wahren. Dein Wohlbefinden sollte immer an erster Stelle stehen.
  • Hilf, Lösungen zu finden: Unterstütze die Person darin, neue Perspektiven und Lösungsansätze für ihre Probleme zu entwickeln. Wenn sie zum Beispiel Schwierigkeiten hat, eine neue Beziehung einzugehen, könntest du sie dazu anregen, über ihre Wünsche nachzudenken und realistische Erwartungen zu formulieren. So ermutigst du sie, aktiv an der Verbesserung ihres Lebens zu arbeiten.

Frühzeitiges Erkennen ist entscheidend

Die vorgestellten Aussagen sind wertvolle Hinweise, um Menschen mit einer Opfermentalität zu erkennen. Es ist wichtig, diese Verhaltensweise nicht zu normalisieren und Wege zu finden, um selbstbewusst und klar mit ihnen zu kommunizieren.

Niemand wird mit einer Opfermentalität geboren – sie entsteht oft durch familiäre Einflüsse oder traumatische Erlebnisse. Es ist jedoch wichtig, diesen Menschen zu vermitteln, dass sie die Macht haben, diese Denkweise zu überwinden. Durch klare Grenzen und offene, ehrliche Kommunikation können wir helfen, stärkere und gesündere Beziehungen zu entwickeln, sowohl für uns selbst als auch für die Menschen um uns herum.


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  • Goens, G. A. (2017). It’s Not My Fault: Victim Mentality and Becoming Response-able. Rowman & Littlefield.
  • Gollwitzer, M., Süssenbach, P., & Hannuschke, M. (2015). Victimization experiences and the stabilization of victim sensitivity. Frontiers in Psychology, 6, 1-12. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4396524/

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