Was passiert in unserem Gehirn während eines Orgasmus?

Was passiert in unserem Gehirn während eines Orgasmus?
Sara Clemente

Geschrieben und geprüft von der Psychologin und Journalistin Sara Clemente.

Letzte Aktualisierung: 12. Januar 2023

Das Nervensystem, und das Gehirn als zentraler Part desselben, ist so ein wichtiger Teil unseres Körpers, dass wir nicht ohne es leben könnten. Auch beim Orgasmus spielt unser Gehirn eine entscheidende Rolle. Aber was passiert im Gehirn während eines Orgasmus? Warum ist erleben Frauen und Männern dieses Vergnügen unterschiedlich intensiv?

Während der sexuellen Stimulation und zum Zeitpunkt des Höhepunkts werden zahlreiche Hirnareale und -strukturen aktiviert. Wenn diese mit nervlichen Reizen aus dem Genitalbereich durchströmt werden, wirken sie auf den neuronalen Regelkreis des Belohnungssystems und lösen hiermit aus, dass wir einen Orgasmus, mit allem, was dazu gehört, erleben.

Frau beim Orgasmus im Bett

Die Phasen der sexuellen Reaktion

Laut dem Vier-Stufen-Modell von Masters und Johnson lasse sich die sexuelle Reaktion des Menschen in vier Stufen unterteilen:

  • Erregungsphase: Das ist der Moment, in dem die genitale Vasokongestion auftritt. Das heißt, es ist der Beginn der sexuellen Reaktion selbst. In dieser Phase steigt bei Männern die Erregung, die Erektion tritt ein. Bei Frauen findet eine Lubrikation und Anschwellung der Klitoris statt.
  • Plateauphase: Diese Phase tritt nur ein, wenn die Stimulation fortgesetzt wird. In dieser Phase werden der Penis und die Hoden noch einmal größer. Darüber hinaus steigt die Herzfrequenz, die Körpertemperatur, die Atmung wird schneller und die Muskelspannung steigt. Bei Frauen verstärkt sich die Vasokongestion, der äußere Durchmesser der Vagina wird kleiner und die Klitoris schwillt weiter an. Die physiologischen Veränderungen bei Frauen ähneln denen des Mannes.
  • Orgasmus: Zu diesem Zeitpunkt ist die physiologische Aktivität am höchsten und subjektiv wird ein immenses Vergnügen empfunden. Männer erleben Muskelspannungen im Analsphinkter, der Prostata und den Penismuskeln. Zusammen mit dem Samenerguss und der Samenaustreibung dauert der männliche Orgasmus normalerweise zwischen 3 und 10 Sekunden. Bei Frauen findet eine Reihe von rhythmischen Muskelkontraktionen in der Vagina, der Gebärmutter, den Beckenmuskeln und dem Anus statt. Der weibliche Orgasmus kann bis zu 20 Sekunden dauern.
  • Rückbildungsphase: Diese Phase beschreibt die Rückkehr zu den basalen physiologischen Ebenen. Es kommt zur sogenannten refraktären Periode des Mannes, während der es ihm unmöglich ist, einen weiteren Orgasmus zu bekommen.

Das Nervensystem, das Gehirn und der Orgasmus

Trotz all der oben beschriebenen physiologischen Reaktionen, ist das Organ, das die absolute Kontrolle über das Erreichen oder Ausbleiben eines Orgasmus hat, das Gehirn. Und sein treuer Partner ist der Rest des Nervensystems. Ohne das Senden von Nervenimpulsen an das Rückenmark und Gehirn gäbe es keine Orgasmen. Schauen wir uns doch einmal an, wie das Gehirn zum Orgasmus beiträgt.

Die Rolle der Nervenenden beim Orgasmus

Im Genitalbereich gibt es Unmengen an Nerven, die Informationen darüber, was der Mensch gerade erlebt, an das Gehirn senden. Jedes einzelne Nervenende kann gereizt werden und einen Impuls nach oben senden. Allein in der Klitoris gibt es mehr als 8.000 freie Nervenenden! Was für eine Vielzahl von Empfindungen, die eine Frau haben kann, und eine Unmenge an Prozessen, die während des Orgasmus im Gehirn stattfinden!

Diese Genitalnerven kommunizieren mit anderen, längeren Nerven, die diese Information wiederum in das Rückenmark übertragen. Von dort aus erreichen sie dann das Gehirn. Die Nerven, die bei dieser Übertragung von Informationen beim Orgasmus die größte Rolle spielen, sind:

  • Der Nervus pudendus: leitet elektrische Signale, die bei Frauen in der Klitoris und bei Männern im Hodensack und Penis entstehen.
  • Der Nervus hypogastricus: sendet bei Frauen Impulse aus der Gebärmutter und bei Männern aus der Prostata.
  • er Nervus vagus: übertragt Potenziale aus Gebärmutter, Zervix und Vagina.
Gehirn aus Sternen geformt

Der neuronale Regelkreis des Vergnügens

Wenn wir erregt sind, beginnt das Gehirn damit, Blut zu den Geschlechtsorganen umzuleiten. Das ist eine Reaktion auf die sexuelle, physische und psychische Stimulation, die durch den Parasympathikus des Nervensystems vermittelt wird. Dafür muss die Person entspannt sein.

Nach und nach nehmen die Herz- und Atemfrequenz bei beiden Geschlechtern zu. In diesem Fall besteht bereits in der Plateauphase eine erhöhte Aktivität des Parasympathikus, der bei Frauen und Männern wichtige und ähnliche physiologische Veränderungen hervorruft.

Wir wir bereits gesehen haben, senden zeitgleich die Nervenenden der Genitalbereiche und anderer Teile des Körpers Signale an den neuronalen Regelkreis des Gehirnareals, das für Genuss verantwortlich ist. Dieser Mechanismus, der auch als neuronaler Regelkreis des Belohnungssystems bezeichnet wird, ist verantwortlich für die Einordnung von vergnüglichem oder motivierendem Verhalten. Wenn eine entsprechende Stimulation stattfindet, wird dieser Regelkreis aktiviert. Seine Komponenten sind die Amygdala (Regulierung der Emotionen), der Nucleus accumbens (Freisetzung von Dopamin), das Kleinhirn (Kontrolle der Muskelfunktionen) und die Hypophyse (Freisetzung von Endorphinen und Oxytocin).

Aktivierung anderer Gehirnareale

Wissenschaftler haben mithilfe eines Scanners beobachtet, wie weitere Bereiche des Gehirns beim Orgasmus funktionieren. Dank dieser Untersuchungen konnte herausgefunden werden, dass die Gehirnaktivität bei beiden Geschlechtern sehr ähnlich ist und es keine signifikanten Unterschiede in der sexuellen Reaktion gibt.

So kommt es in beiden Fällen zu einer Hemmung des lateralen orbitofrontalen Kortex, der für die Prozesse, die im Zusammenhang mit unserem Verstand und Kontrolle stehen, verantwortlich ist. Auf diese Weise schaltet das Gehirn während des Orgasmus auf Durchzug, was Rationalität angeht. Aber bei Frauen pausieren einige Hirnareale, die bei Männern aktiv bleiben. Das könnte den Geschlechterunterschied bei der Dauer des Orgasmus erklären. Bei Frauen wird außerdem das periaquäduktale Grau aktiviert, das die Kampf- oder Fluchtreaktion koordiniert. Es stimuliert darüber hinaus den Kortex, der an Schmerzen beteiligt ist, was auf eine bestehende Verbindung zwischen dieser Empfindung und dem Vergnügen hindeuten könnte.

Zudem hat man die genaue Region des Gehirns ausfindig gemacht, die den Orgasmus steuert: das dorsolaterale pontine Tegmentum im Hirnstamm. Es wurde geschlussfolgert, dass dieses Gehirnareal sowohl bei Männern als auch bei Frauen für die Ejakulation und den Orgasmus verantwortlich sei.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.