Von Wut bis Trauer: So meisterst du deine negativen Emotionen

Wir müssen lernen, negativen Emotionen Raum zu geben, ohne sie zu verurteilen. Wenn wir sie verstehen, können wir sie zu unseren Gunsten nutzen, um Veränderungen zu erzielen.
Von Wut bis Trauer: So meisterst du deine negativen Emotionen
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 07. September 2024

Wut, Traurigkeit, Einsamkeit, Hass, Eifersucht, Angst oder Unruhe – niemand erlebt diese negativen Emotionen gerne, denn sie sind belastend. Wer sie jedoch unterdrückt, riskiert, dass sich die Symptome verschärfen und der emotionale Stress noch intensiver wird.

Diese emotionalen Reaktionen haben jedoch einen biologischen Zweck: Sie warnen uns vor Gefahren, motivieren uns zu Veränderungen, fördern die Selbstreflexion und stärken Beziehungen. Die negativen Emotionen helfen uns, uns auf unsere Bedürfnisse und Probleme aufmerksam zu machen und entsprechend zu handeln. Indem wir sie erkennen und verstehen, können wir effektiver auf unsere innere und äußere Realität reagieren und unser Wohlbefinden verbessern.

Was sind negative Emotionen?

Schwierige Emotionen sind biochemische Reaktionen, die unangenehme Gefühle oder Reaktionen hervorrufen. Sie entstehen durch belastende oder herausfordernde Ereignisse, Gedanken oder Situationen. Diese Mechanismen haben sich im Laufe der Evolution entwickelt, um uns zu helfen, auf Umweltbedrohungen zu reagieren und uns als Spezies weiterzuentwickeln.

Wichtig ist, dass diese Emotionen eine intensive physiologische Basis haben. Die Freisetzung von Hormonen und Neurotransmittern kann den Blutfluss, die Herzfrequenz und die Gehirnaktivität beeinflussen. Zu lernen, wie man auf den eigenen Körper hört und versteht, wie sich Emotionen körperlich manifestieren, ist entscheidend für das Wohlbefinden.

Obwohl oft von negativen Emotionen die Rede ist, sind diese Gefühle entscheidend: Sie dienen dazu, Veränderungen herbeizuführen, um unsere Homöostase zu unterstützen. Das Problem liegt darin, dass viele Menschen in stressigen Umgebungen arbeiten und keinen Raum für ihre Gefühle haben.

Dies kann dazu führen, dass Menschen Emotionen unterdrücken, um ihre Funktionalität und Produktivität zu erhalten. In dieser Situation ist es entscheidend, ein gesundes emotionales Management zu entwickeln.

Beispiele für negative Emotionen

  • Wut
  • Hass
  • Eifersucht
  • Furcht
  • Neid
  • Traurigkeit
  • Einsamkeit
  • Not
  • Angst
  • Scham
  • Gewissensbisse

Wie die negativen Emotionen entstehen

Unangenehme Emotionen sind wertvolle Informations- und Lernquellen. Sie entstehen nicht zufällig, sondern sind Reaktionen auf Herausforderungen oder Bedrohungen, die real oder eingebildet sein können. Diese Emotionen sind das Ergebnis des Versuchs, in einer komplexen Welt zu überleben. Ein besseres Verständnis der Auslöser kann helfen, diese Emotionen besser zu verstehen:

  • Beziehungsbedingte Ursachen: Dysfunktionale Familienverhältnisse, Beziehungsprobleme, sozialer Druck
  • Biologische Gründe: Krankheiten, chemische Ungleichgewichte, hormonelle Veränderungen, genetische Faktoren, Mangelernährung
  • Überlebensmechanismen: Angst und Unruhe als normale Reaktionen auf potenzielle Bedrohungen für dein Wohlbefinden und Überleben
  • Äußere Ursachen: Konflikte, Verluste, stressige Umgebungen, Ablehnung, soziale Ausgrenzung, Misserfolge, wirtschaftliche Krisen, Krieg
  • Interne Ursachen: Ängste, negative Gedanken, Traumata, geringes Selbstwertgefühl, psychische Probleme, unrealistische Erwartungen, Einsamkeit, übermäßige Selbstkritik, erlernte Konditionierung, kognitive Verzerrungen

Welche Auswirkungen haben die negativen Emotionen?

Wenn Stress chronisch wird oder negative Erfahrungen nicht verarbeitet werden, ist das Risiko für gesundheitliche Probleme größer. Eine in Brain, Behavior, & Immunity – Health veröffentlichte Studie sowie andere Forschungen zeigen, dass schwierige Emotionen Entzündungen im Körper fördern können. Ein dauerhaft hoher Cortisolspiegel hat ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf deine Gesundheit.

Kindheitstraumata und schmerzhafte Erfahrungen in jungen Jahren können die Gehirnentwicklung beeinflussen und zu Impulsivität oder mangelnder Aufmerksamkeit führen. Langfristig können sich angesammelte Ängste und Bedrohungen negativ auf dein Wohlbefinden auswirken.

Wie du mit negativen Emotionen umgehen kannst

In der klinischen Praxis erleben viele Menschen Schwierigkeiten beim Verstehen und Regulieren ihrer psychophysiologischen Zustände. Eine in der Zeitschrift Emotion veröffentlichte Arbeit, zeigt, dass die Bewertung von Emotionen als „gut“ oder „schlecht“ die psychische Gesundheit beeinflussen kann. Solche negativen Bewertungen führen oft zu schädlichen Bewältigungsmechanismen.

Ein häufiges Beispiel ist der Versuch, deine Gefühle zu kontrollieren oder schwierige Emotionen durch Fluchtverhalten wie Einkaufen oder ungesunde Ernährung zu „verarbeiten“. Es gibt jedoch viele Strategien, um mit diesen Erfahrungen umzugehen.

Selbsterkenntnis und Psychoedukation

Müdigkeit und Traurigkeit können dazu beitragen, Stille und Selbstbeobachtung zu fördern. Die Wut hingegen aktiviert den Körper, um Veränderungen herbeizuführen. Die emotionale Psychoedukation hilft dir, diese oft unbekannten Zustände besser zu verstehen.

Eine Studie der Universität Foggia zeigt, dass psychoedukative Programme bei Studierenden die Alexithymie reduzieren, das Einfühlungsvermögen verbessern und die emotionale Regulierung fördern. Es ist immer hilfreich, diese biologischen und mentalen Prozesse besser zu verstehen. Fachaufsätze und Bücher können dir dabei wertvolle Einblicke geben.

In seinem Buch Ich fühle also bin ich erklärt der Neurowissenschaftler Antonio Damaso, wie Emotionen das Bewusstsein und die Identität formen. Tiffany Watt Smith bietet in ihrem Werk The Book of Human Emotionseinen Überblick über die sozialen und kulturellen Auswirkungen dieser biologischen Prozesse.

Neben diesen pädagogischen Hilfsmitteln ist es wichtig, ein gutes Selbstbewusstsein zu entwickeln – also zu wissen, was in dir vorgeht. Auf diese Weise kannst du dich besser mit negativen Emotionen auseinandersetzen, ihren Nutzen erkennen und konstruktiv mit ihnen umgehen.

Der neutrale Blick: Raum für Emotionen lassen

Wir neigen dazu, schwierige Emotionen zu ignorieren, anstatt sie zu nutzen, um Veränderungen zu erzielen. Wir laden dich deshalb dazu ein, über folgende Punkte nachzudenken:

  • Akzeptanz als Voraussetzung für Veränderung: Wenn du deine Energie darauf verwendest, Emotionen zu leugnen oder zu unterdrücken, verstärkst du das Unbehagen. Positive Veränderung beginnt mit der Akzeptanz deiner emotionalen Zustände.
  • Neutralität als Strategie: Versuche, unangenehme Emotionen ohne Urteil zu betrachten und sie als menschliche Erfahrungen zu verstehen, die dir Informationen bieten. Nutze deine Vorstellungskraft, um sie als vorübergehende Phänomene zu sehen, die kommen und gehen.
  • Reflexion zum besseren Verständnis: Wenn du dazu neigst, Ärger zu unterdrücken, kann sich dieser auf dysfunktionale Weise manifestieren, etwa durch unkontrolliertes Verhalten gegenüber nahestehenden Personen. Öffne dich für diese schwierigen Emotionen, um sie zu verstehen und deine Reaktionen besser zu kontrollieren. Denke nach und stimme dich ein, bevor du handelst.

Verstehe das Problem

Negative Emotionen können deine kognitiven Prozesse stark beeinträchtigen. Wenn du von Angst oder Wut überwältigt bist, fällt es dir oft schwer, klar zu denken und Herausforderungen effizient zu meistern. Wenn dir das bekannt vorkommt, könnten diese Strategien hilfreich sein:

  • Was ist der Auslöser? Bevor du versuchst, eine Lösung zu finden, frage dich, was die Angst, das Unbehagen oder die Traurigkeit verursacht hat.
  • Was kannst du tun? Wenn du Ärger oder Wut verspürst, reicht es nicht aus, nur die Symptome zu behandeln. Tiefes Atmen, Meditation oder Sport können zwar Linderung verschaffen, lösen aber nicht das zugrunde liegende Problem. Sobald du die Auslöser kennst, musst du dir überlegen, wie du den verursachten Schaden oder die Ungerechtigkeit beheben kannst.
  • Therapeutisches Schreiben: Ein Tagebuch kann dir helfen, deine Emotionen besser zu verstehen. Stelle dir Fragen wie: „Welche Emotionen fühle ich?“, „Wie lange habe ich diese Emotionen schon?“, „Habe ich sie in der Vergangenheit schon einmal erlebt?“, „Wie bin ich bisher damit umgegangen?“, „Welche Erfahrungen, Gedanken oder Menschen haben diese Gefühle in mir ausgelöst?“

Kit zur Emotionsregulierung

Die Universität Warschau betont, dass Regulierungstechniken bei intensiven Emotionen besonders wichtig sind, um die Erfahrungen zu bewältigen, ohne dysfunktionale Verhaltensweisen oder Unwohlsein auszulösen. Wenn die psychophysiologische Belastung gering ist, kannst du ausgeglichener denken und handeln. Folgende Strategien helfen dir dabei:

  • Zwerchfellatmung: Diese Technik hilft besonders bei Angst, Wut und Zorn.
  • Ruhige Atmung beim Zeichnen: Zeichne den Rhythmus deiner Atmung in Form von Wellen. Die Höhen repräsentieren das Einatmen und die Tiefen das Ausatmen. Achte darauf, dass die Wellen immer länger werden, um deine Atmung zu verlangsamen.
  • Ausdruck der Gefühle: Teile deine Gefühle mit einer Vertrauensperson, die dich nicht beurteilt.
  • Die menschliche Figur: Zeichne eine Figur und markiere jene Bereiche in roter Farbe, die angespannt sind. Die entspannten Körperteile malst du blau an. Diese Methode hilft dir, die Emotionen in deinem Körper zu lokalisieren und zu benennen.
  • Ablenkungstechnik: Wenn du von ständigem Grübeln geplagt wirst, kann die Erdungstechnik helfen. Beobachte fünf Gegenstände, berühre vier Gegenstände, höre drei Geräusche, rieche an zwei Duftstoffen und genieße den Geschmack eines Lebensmittels. Du kannst so deine Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt lenken und schwierige Emotionen abbauen.
  • Überlebensbox: Fülle einen Karton mit Dingen, die dir Ruhe und Wohlbefinden vermitteln. Dazu können beruhigende Sätze, Fotos von glücklichen Momenten oder entspannende Duftstoffe gehören.

Ändere, was du kannst

Wir leben in anspruchsvollen, sich ständig verändernden und manchmal chaotischen sozialen Szenarien. Es ist normal, unangenehme Gefühle zu erleben, wenn die Umstände herausfordernd sind. Dennoch ist es wichtig, Änderungen vorzunehmen, um die Auswirkungen dieser Gefühle zu minimieren.

Wenn du dich verletzt, beunruhigt oder frustriert fühlst, versuche, deine Umgebung so weit wie möglich anzupassen. Beginne mit kleinen Veränderungen, um Vertrauen aufzubauen, und arbeite dich dann zu größeren Anpassungen vor, die dir helfen, dich besser zu fühlen.

Falls du eine Situation nicht ändern kannst, wie der Psychiater Viktor E. Frankl in Über den Sinn des Lebens beschreibt, bleibt dir die Herausforderung, dich selbst zu verändern. In solchen Momenten ist es wichtig, deine Realität zu akzeptieren und eventuell professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um mit anhaltendem Leiden, Angst oder Traurigkeit umzugehen.

Entwickle emotionale Intelligenz

Ein wertvolles Werkzeug zur Bewältigung und zum Verständnis schwieriger Emotionen ist die emotionale Intelligenz. Durch die Entwicklung dieser Fähigkeit kannst du dein Selbstbewusstsein stärken, Stress besser bewältigen, Konflikte erfolgreicher lösen und die Qualität deiner sozialen Beziehungen verbessern.

Emotionale Intelligenz wird dich nicht zwangsläufig erfolgreicher oder glücklicher machen, aber sie hilft dir, dich in deiner emotionalen, beruflichen und persönlichen Welt besser zurechtzufinden. Mit ihr kannst du Herausforderungen effektiver meistern, Entscheidungen besser treffen und deine emotionale Reaktionsfähigkeit sowie Impulsivität reduzieren.

Schwierige Emotionen: Ein notwendiger Teil unseres Lebens

Unangenehme Emotionen sind ein wesentlicher Bestandteil unseres genetischen Erbes und haben uns dahin gebracht, wo wir heute sind. Sie bieten uns wertvolle Informationen und Einsichten. In unserer heutigen Gesellschaft neigen wir oft dazu, uns in der „Glücksfalle“ zu verlieren, doch niemand kann rund um die Uhr glücklich, motiviert und selbstbewusst sein.

Erfolg und Kompetenz hängen unter anderem davon ab, wie wir mit negativen Gefühlen umgehen. Wir müssen lernen, ihnen Raum zu geben, ohne sie zu verurteilen. Wenn wir sie verstehen, können wir sie zu unseren Gunsten nutzen, um Veränderungen zu erzielen. Wenn du das allein nicht schaffst, empfehlen wir dir professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.


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