Tipps im Umgang mit Menschen mit Demenz - wenn die Welt zu schnell wird

„Wichtig ist es, sich erst einmal selbst zu informieren. Demenz ist ja keine Krankheit, sondern eine Kombination von bestimmten Symptomen“, stellt Marc Distel, Berater für die Betreuung von Senioren bei ATERIMA CARE in Schwarzwald-Hegau klar. „Hier hilft schon eine sichere Diagnose, weil sie Außenstehenden das irritierende Verhalten erklärt und so mehr Verständnis weckt.“
Natürlich stellt die Diagnose Betroffene und ihre Angehörigen vor große Herausforderungen. Während für die meisten Menschen der Alltag immer schneller, voller und lauter wird, erleben Menschen mit Demenz diese Geschwindigkeit oft als Überforderung. Orientierung, Erinnerungen und vertraute Routinen gehen leichter verloren, was Unsicherheit und Angst verstärken kann.
Gerade deshalb ist es wichtig, Wege zu finden, die Welt für Menschen mit Demenz zu entschleunigen: durch Geduld, klare Strukturen und eine Kommunikation, die Sicherheit vermittelt. Angehörige und Pflegende können mit einfachen Maßnahmen viel dazu beitragen, Stresssituationen zu reduzieren und die Lebensqualität zu verbessern – sowohl für die Betroffenen als auch für sich selbst.

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Gefühle werden nicht dement
Menschen mit einer Demenz leben in ihrer eigenen Welt. Für sie besitzen Dinge und Ereignisse häufig eine völlig andere Bedeutung als wir sie kennen. Weil ihnen niemand mehr folgen kann, vereinsamen sie innerlich. Man sollte sich nur einmal selbst vorstellen, in einem fremden Land zu sein, ohne Sprache und Schrift zu kennen.
Geduld und Ruhe bewahren: Menschen mit Demenz brauchen mehr Zeit, um Informationen aufzunehmen oder Handlungen auszuführen. Ein ruhiger Tonfall, klare Sprache und ausreichend Pausen helfen, Stress zu vermeiden.
Marc Distel empfiehlt daher: „Selbst, wenn nicht mehr jedes Wort verstanden wird, hilft es, im Gespräch zu bleiben. Hier zählen das Gefühl, unterstützende Gesten und eine einfühlsame Begleitung. Ablehnung und Zurechtweisungen werden gespürt und verunsichern“. Vor allem gilt, die betroffenen Personen so anzunehmen wie sie sind.
Einfache Kommunikation: Kurze Sätze, langsames Sprechen und Blickkontakt erleichtern das Verstehen. Offene Fragen vermeiden und stattdessen einfache Ja-/Nein-Fragen stellen.
Tipps für den Alltag
Neben Spaziergängen gehören Mahlzeiten zu den wichtigsten täglichen Beschäftigungen für Menschen, die mit einer Demenz leben. „Unser Tipp ist, für die Sinne kochen, an Speisen aus der Kindheit erinnern und ruhig stärker würzen, weil auch der Geschmackssinn nachlässt“, rät Distel. Alltägliches, wie gemeinsam den Tisch decken mit einer Tischdecke, die an früher erinnert und starke Farben als Kontrast und Orientierungshilfe verwenden. Die Farbe Weiß wird nämlich häufig nicht mehr erkannt.
Klare Strukturen schaffen: Feste Tagesabläufe, Rituale und gewohnte Abläufe geben Halt und Orientierung. Auch eine vertraute Umgebung mit möglichst wenig Veränderungen wirkt beruhigend.
Eine wichtige Erleichterung ist die Vermeidung von Lärm. Radio oder Fernseher sollten also besser nicht nebenher laufen. Beides wird zum Stressfaktor, weil ihre Zuordnung oft einer Überforderung gleichkommt. Ebenso gilt es, hektische Orte zu vermeiden und bei außergewöhnlichen Terminen wie Arztbesuchen genügend Vorbereitung einzuplanen. Menschen mit Demenz fühlen sich deutlich sicherer, wenn sie wissen, was als Nächstes kommt.
Sicherheit im Alltag beachten: Eine ruhige Umgebung ohne Hektik, Stolperfallen oder laute Geräusche hilft, Überforderung zu vermeiden. Hilfsmittel wie Orientierungsschilder oder Bilder können zusätzlich unterstützen.
Da geht noch was
Erstaunliches leisten Menschen mit demenziellen Erkrankungen im Bereich Musik. Ihr Musikgedächtnis ist noch lange intakt. Musik lindert Stress, Schmerzen und negative Gefühle. Deswegen sorgt gemeinsames Singen für eine gute Stimmung. Tanzen zur Musik wiederum stimuliert das Körpergefühl. Eine individuelle Playlist mit biografischen Besonderheiten weckt Lebensfreude und entspannt.
Emotionen wichtiger nehmen als Worte: Oft sagen Mimik, Gestik und Gefühle mehr aus als gesprochene Sprache. Wichtig ist, auf die emotionale Ebene einzugehen – auch wenn der Inhalt der Worte unklar bleibt.
Beachtlich ist auch das Vermögen, Geschichten von früher erzählen zu können. Fotoalben ansehen oder gemeinsame Erinnerungsbücher schreiben, sind Beschäftigungen, die helfen Kontakt zu halten. Oft genug sorgen sie für Überraschendes. Ältere Menschen leben dann sichtbar auf, weil sie sich durch das Erzählen wieder zugehörig fühlen.
Selbstständigkeit fördern: Kleine Aufgaben, die der Betroffene selbst ausführen kann, geben das Gefühl von Kontrolle und Selbstwert. Lieber unterstützen, statt Dinge komplett abzunehmen.
Bei alledem aber sollte nicht unterschätzt werden: „Wer einen Menschen mit Demenz betreut, sollte sich selbst nicht vergessen. Es ist wichtig, gut auf sich selbst zu achten, denn Menschen mit einer Demenz können für ihre Umgebung durchaus eine Herausforderung darstellen. Ein gelingendes Miteinander braucht Kraft. Achten Sie auf Ihre Gesundheit!“, appelliert Distel deshalb an die Angehörigen.
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Auch wenn die Krankheit vieles verändert, bleibt doch eines bestehen: das Bedürfnis nach Nähe, Wertschätzung und einem Gefühl von Geborgenheit. Wer sich darauf einlässt, erlebt, dass trotz aller Herausforderungen gemeinsame Momente von Freude, Vertrauen und Verbundenheit möglich sind – gerade dann, wenn die Welt zu schnell scheint.
Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.