Die Emotionen anderer deuten - eine Frage des Vertrauens
Können wir die Emotionen anderer richtig deuten? Jeden Tag sehen wir Dutzende oder sogar Hunderte von Gesichtsausdrücken bei anderen Menschen. Diese Ausdrücke lassen uns auf die eine oder andere Weise reagieren, je nachdem, wie wir sie interpretieren.
Aber deuten wir Mimik und Gestik anderer wirklich so, wie diese Menschen fühlen? Inwieweit hängt unsere Interpretation von der objektiven Wahrnehmung von Reizen und anderen, nicht messbaren Informationen ab? Und inwieweit vertrauen wir unserem eigenen Urteil, uns in andere hineinversetzen zu können? Es besteht kein Zweifel daran, dass derartiges Vertrauen unerlässlich ist, um potenziell gefährliche Situationen zu vermeiden, denn der Schein trügt oft, zum Guten oder auch zum Schlechten.
Ein Team der Universität Genf in der Schweiz hat getestet, wie sicher wir uns bei der Beurteilung der Emotionen anderer Menschen fühlen und welche Bereiche des Gehirns dabei aktiviert werden. Die Testergebnisse zeigen, dass unsere Einschätzung unserer Fähigkeiten zur emotionalen Interpretation direkt auf den in unserem Gedächtnis gespeicherten Erfahrungen beruht und dass solche Erfahrungen uns manchmal verwirren – die Vergangenheit ist eben kein perfekter Prädiktor für die Zukunft. Die Ergebnisse der Studie wurden Ende Dezember 2018 in der Zeitschrift Social, Cognitive and Afective Neuroscience veröffentlicht.
Die Emotionen anderer deuten
Jeden Tag treffen wir Dutzende, Hunderte von Entscheidungen. Alle von ihnen setzen ein gewisses Maß an Vertrauen in jemanden oder etwas voraus. Dieses Vertrauen honoriert jedoch nicht immer die getroffene Entscheidung. Manchmal machen wir Fehler, auch wenn wir im gegebenen Moment absolut sicher waren, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben. Das geschieht in jedem Bereich unseres Lebens.
Wenn es um soziale Interaktionen geht, interpretieren wir ständig die Gesichtsausdrücke, Botschaften und das Verhalten der Menschen um uns herum. Uns der Subjektivität unseres Urteils bewusst zu sein, ist dabei von größter Bedeutung. In diesem Sinne waren die Schweizer Forscher daran interessiert, das Vertrauen, das wir in unsere Interpretationen der emotionalen Reaktionen anderer haben, zu testen und zu entdecken, welche Bereiche des Gehirns während dieser Prozesse aktiviert werden.
Die Wissenschaftler beschlossen, dieses Vertrauen zu messen und baten 34 Studienteilnehmer, mehrere Gesichter zu beurteilen, die eine Mischung aus positiven und negativen Emotionen zeigten. Dabei wurde jedes Gesicht von zwei horizontalen Linien unterschiedlicher Dicke eingerahmt. Einige der Gesichter erschienen mit offensichtlichen Ausdrücken von Freude oder Wut, während andere eher unklar waren.
Die Teilnehmer mussten zunächst definieren, welche Emotionen auf jedem der 128 Gesichter dargestellt wurden. Sie mussten sich dann entscheiden, welche der beiden Linien dicker war. Schließlich mussten sie für jede von ihnen getroffene Entscheidung ihr Vertrauen in ihre Wahl auf einer Skala von 1 (nicht sehr sicher) bis 6 (sehr sicher) angeben. Die Linien dienten dazu, ihr Vertrauen in ihre visuelle Wahrnehmung einzuschätzen, was in diesem Fall der Kontrolle diente.
Die Ergebnisse der Tests überraschten die Forscher. Ihnen zufolge sei das durchschnittliche Vertrauen der Teilnehmer in ihre Fähigkeit zur Identifikation emotionaler Reaktionen höher gewesen als das in die visuelle Wahrnehmung, obwohl die Teilnehmer mehr Fehler bei der Erkennung der Emotionen machten als bei den Linien.
Tatsächlich erklären sie, dass das Erlernen der emotionalen Erkennung wesentlich schwieriger sei. Die Gesprächspartner können ironisch sein, wegen sozialer Konventionen verhindern, dass ihr Gesicht ihre wahren Gefühle zeigt, oder schlicht lügen. Daraus folgt, dass es problematisch ist, unser Vertrauen in das Erkennen der Emotionen anderer Menschen in Abwesenheit eines Kommentars richtig einzuschätzen.
Außerdem müssen wir einen Ausdruck sehr schnell interpretieren, da er flüchtig ist. Deshalb fühlen wir, dass unser erster Eindruck der richtige ist, und wir vertrauen unserem Urteil über ein scheinbar freudiges, wütendes oder anderweitig eingestelltes Gesicht. Auf der anderen Seite ist die Beurteilung der Wahrnehmung ein längerer Prozess und empfindlich gegenüber Kommentaren zu ihrer Genauigkeit. Wenn zum freudigen Gesicht ein wütender Ausspruch hinzukommt, zweifeln wir an unserer anfänglichen Interpretation. Weiterhin ist uns unser Vertrauen im Fall der Fälle weniger wert als unsere Emotionen, unser Instinkt, weil wir uns unserer Fehlbarkeit bewusst sind.
Unser Gedächtnis beeinflusst unser Vertrauen in unsere Urteilsfähigkeit
Mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie untersuchten die Forscher neuronale Mechanismen während dieses Prozesses der emotionalen Erkennung und der Einschätzung derselben. Sie erklären, dass bei der Beurteilung der Linien die Zonen der visuellen Wahrnehmung und Aufmerksamkeit aktiviert worden seien. Dabei handelt es sich vor allem um frontale Bereiche.
Bei der Beurteilung des Vertrauens in die Erkennung von Emotionen seien jedoch Bereiche, die mit dem autobiografischem und kontextuellem Gedächtnis verbunden sind, wie der Gyrus parahippocampalis und der Gyrus cinguli, vermehrt aktiv gewesen.
Dies zeige den Forschen zufolge, dass Gehirnareale, die persönliche und kontextuelle Erinnerungen speichern, direkt zu unserer Überzeugung im Bezug auf emotionale Erkennung beitragen, und dass sie die Genauigkeit der Interpretation von Gesichtsausdrücken und das Vertrauen in diese Interpretation bestimmen.
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- Bègue, I., Vaessen, M., Hofmeister, J., Pereira, M., Schwartz, S., & Vuilleumier, P. (2018). Confidence of emotion expression recognition recruits brain regions outside the face perception network. Social Cognitive And Affective Neuroscience, 14(1), 81-95. doi: 10.1093/scan/nsy102