Warum positives Denken nicht immer funktioniert

Eine positive Denkweise ist zwar hilfreich, hat jedoch auch negative Seiten. Möchtest du mehr darüber erfahren?
Warum positives Denken nicht immer funktioniert
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 25. April 2023

Positives Denken funktioniert nicht immer, denn eine hoffnungsvolle Einstellung ist keine Garantie dafür, dass du tatsächlich zum Ziel gelangst. So manche Experten sind davon überzeugt, dass wir im Allgemeinen zu einem “sanften Pessimismus” neigen, der uns hilft, das Leben zu akzeptieren, wenn nicht alles wie gewünscht läuft.

Dies muss nicht negativ sein, denn schließlich ist der menschliche Verstand an extreme Gegensätze gewöhnt. Das erklärt, warum wir im Allgemeinen das Bedürfnis haben, die Welt in “Gutes” und “Böses” aufzuteilen. Du solltest jedoch damit aufhören, alles nur schwarz oder weiß zu sehen.

Positives Denken ermöglicht es uns, bei Schwierigkeiten Halt und Kraft zu finden, um diese zu überwinden. Es ist kein Geheimnis, dass Optimismus uns häufig davor bewahrt, in Hilflosigkeit zu verfallen. Auch wenn die Gegenwart ungewiss ist, müssen wir uns unseren Ängsten stellen und versuchen, die Widrigkeiten zu überwinden, ganz egal wie schwierig das sein mag.

Es ist jedoch auch an der Zeit, die Perspektive zu wechseln. Positivität und Hoffnung sind zweifellos wichtig, doch auch Realismus ist gefragt. Mit den richtigen Zutaten ist es einfacher, Herausforderungen besser zu meistern.

Warum positives Denken nicht immer funktioniert

Positives Denken hat viele Befürworter. Der psychologische Ansatz wurde in den 90er Jahren unter anderem von Martin Seligman und Mihály Csíkszentmihályi verbreitet, doch es gibt auch kritische Stimmen. Dazu gehört zum Beispiel die Psychologin Julie K. Norem, eine Psychologieprofessorin am Wellesley College.

In ihrem 2001 erschienenen Buch “Die positive Kraft negativen Denkens” spricht sie über die naive Art und Weise, wie unsere Kultur Positivität sieht. Der Einfluss von Seligman hat deutlich abgenommen, es handelt sich mehr als eine Modeerscheinung. Tatsächlich glauben viele Menschen, dass Positivität alles heilen kann.

Doch Realismus ist mindestens so wichtig. Es ist nicht immer möglich, sich auf die positive Seite des Lebens zu konzentrieren. Bereits Viktor Frankl wusste, dass es ganz normal ist, auf ungewöhnliche Situationen  ungewöhnlich zu reagieren. Es gibt viele Gründe, warum positives Denken nicht immer funktioniert.

Ein Klebezettel mit einem Smiley darauf

Positives Denken hilft dir nicht, negative Ergebnisse zu bewältigen

Das ständige Wiederholen von “alles wird gut” kann kontraproduktiv sein. Du konzentrierst dich damit vielleicht nur auf ein Ziel, ohne jedoch andere Möglichkeiten zu betrachten. Wenn die Dinge dann nicht so laufen, wie du denkst, kann dich das emotional und psychologisch überraschen.

Sei realistisch: “Ich hoffe, dass sich die Dinge zum Guten wenden, aber wenn nicht, werde ich mich den Schwierigkeiten stellen. Ich werde sie akzeptieren und angemessen damit umgehen.”

Positivismus kann zu Passivität führen

Julie K. Norem gibt in ihrem Buch den Ratschlag, die Realität mit einer leicht pessimistischen Perspektive zu betrachten. Es geht darum, alle Möglichkeiten durchzugehen. Gleichzeitig darfst du nicht vergessen, dass Wünsche und Hoffnungen eintreten können aber nicht müssen. Du musst dir also überlegen, was du tust, wenn die Dinge nicht planmäßig verlaufen. 

Du musst dein Bestes geben und hart daran arbeiten, dass diese negativen Ergebnisse nicht eintreten. Wenn du nur davon ausgehst, dass alles gut gehen wird, wirst du höchstwahrscheinlich eine passive Haltung einnehmen, was gefährlich sein kann.

Positives Denken funktioniert nicht immer, da Ängste vorhanden sind

Der ängstliche Geist hat die Eigenart, die guten Seiten des Lebens nicht sehen zu können. In diesem Sinne funktioniert positives Denken nicht immer. Wenn du besorgt oder gestresst bist oder dich emotional herausgefordert fühlst, funktioniert Positivität vielleicht nicht. Es gibt Situationen, in denen du nicht daran glauben kannst, dass doch alles gut geht. Es fällt dir unmöglich, optimistisch in die Zukunft zu blicken.

In diesem Zusammenhang ist die Akzeptanz- und Commitment-Therapie interessant. Sie könnte dir helfen zu verstehen, dass das Leben nicht einfach ist. Du darfst fallen, Fehler begehen und dich manchmal hoffnungslos fühlen! Das bedeutet jedoch nicht, dass du deine Verpflichtung dir selbst gegenüber verlieren darfst. Ausgleich heißt das Zauberwort.

Extreme sind nie gut: Befreie dich von naivem Positivismus und chronischem Pessimismus

Positiv zu denken funktioniert nicht immer, weil das Leben unberechenbar ist. Auch, weil vielleicht deine Bewältigungsstrategien gegen Widrigkeiten, Frustration, Angst und Leid nicht ausreichend sind.

Das Leben ist ein Kaleidoskop von Erfahrungen. Manchmal sind sie gut, manchmal schlecht, manchmal nur durchschnittlich. Du musst lernen, durch ruhige und stürmische Meere zu segeln.

Das bedeutet allerdings noch lange nicht, dass du pessimistisch sein solltest. Naives positives Denken wird dich vielleicht nicht weiterbringen, doch auch das Gegenteil führt dich nicht zum Ziel. Unsere Welt ist sehr komplex, deshalb funktioniert diese einfache Formel nicht.

Du musst realistisch sein. Trainiere den Umgang mit den täglichen Herausforderungen und lerne, unvorhersehbare und schmerzhafte Dinge zu akzeptieren. Versuche, Ausgleich zu finden und nähre deine Hoffnung weiterhin, denn sie ist schließlich eine eine existenzielle Notwendigkeit.


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  • K. Norem Julie K. (2001) El poder positivo del pensamiento negativo. Paidós.


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