Verhaltenspsychologie: Warum wir andere Menschen beleidigen

Menschen, die andere beleidigen, geben sich selbst preis: Dahinter verstecken sich bestimmte Persönlichkeitstypen, die wir heute analysieren.
Verhaltenspsychologie: Warum wir andere Menschen beleidigen
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 12. Februar 2022

Kritik, Demütigungen und grundlose Beleidigungen stehen in sozialen Netzwerken auf der Tagesordnung. Sie bilden einen fruchtbaren Boden für diese Art von offensiver Dynamik. Natürlich gab es schon immer Personen mit der Tendenz, andere zu beleidigen, doch in den letzten Jahren ist dieser Trend besonders deutlich geworden. Gibt es dafür einen Grund?

Manche Experten glauben, dass dieses Phänomen auf den ehemaligen Präsidenten Donald Trump zurückzuführen ist. Plötzlich sahen wir einen großen Politiker, der öffentlich Beleidigungen und Beschimpfungen von sich gab. Er tat es in seinen Interviews, Pressekonferenzen und vor allem auf Twitter. Die Meinungsfreiheit kollidierte plötzlich mit dem Respekt vor der Integrität anderer und eine Debatte wurde eröffnet, die bis heute andauert.

Die Psychologie zeigt großes Interesse daran, zu verstehen, was hinter verbaler Gewalt steckt. Denn eine Beleidigung ist kein Pfeil, der in die Luft geschossen wird. Eine Beleidigung tut psychisch weh, demütigt, macht lächerlich, verunglimpft und verstärkt viele Vorurteile und Stereotypen.

“Eine Beleidigung entehrt denjenigen, der sie ausspicht, nicht denjenigen, an die sie gerichtet ist.

Diogenes von Synope

Warum wir andere Menschen beleidigen

Warum beleidigen manche Menschen andere?

Beleidigungen haben ihre eigene Anatomie. Jedes Land, jede Kultur und sogar jede Region kennt dafür eigene Ausdrucksformen. Manche sind sanfter, andere sind darauf aus, so viel Schaden wie möglich anzurichten. Klar ist jedoch, dass sie alle wehtun. Sie werden in der Schule (manchmal sogar zu Hause) an Kinder gerichtet, sind jedoch auch am Arbeitsplatz oder in vielen Beziehungen zu finden.

Beleidigungen kommen in allen Bereichen vor, aber während sie noch vor nicht allzu langer Zeit ein Phänomen waren, das fast immer auf den privaten Bereich beschränkt blieb, sehen wir sie jetzt vielfach in öffentlichen Medien, im Fernsehen und vor allem in den sozialen Netzwerken. Dafür gibt es eine offensichtliche Erklärung: Diejenigen, die in den öffentlichen Medien Beleidigungen aussprechen, suchen auch nach einem Publikum.

Viele von uns haben das in Medien wie Twitter gesehen. Menschen, die beleidigen, haben Tausende von Anhängern, die ihre Position verteidigen und das Opfer weiter demütigen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Beleidigungen viral gehen und eine Atmosphäre schaffen, in der alle ethischen und sogar moralischen Grundsätze verloren gehen.

Aber was treibt diese Persönlichkeiten an? Welcher Persönlichkeitstyp greift gewohnheitsmäßig auf Beleidigungen als Kommunikationsform zurück?

Beleidigung als ererbte Form der Kommunikation

Es gibt diejenigen, die auf Beleidigungen aus sozialer Konditionierung und aufgrund von ererbten Verhaltensmustern auf Beleidigungen zurückgreifen. Viele Personen wachsen in einem Umfeld auf, in dem Kritik, Demütigung und Abwertung auf der Tagesordnung stehen.

Früher oder später wiederholen sie, was sie erlebt haben, und verarbeiten durch diese Art der Kommunikation ihre Frustration und ihren Schmerz, den sie seit ihrer Kindheit angesammelt haben. Außerdem greifen viele Menschen aus Gewohnheit auf Beschimpfungen zurück, um in ihrem Umfeld zurechtzukommen: in der Schule, am Arbeitsplatz…

Gewalttätige Kommunikation, eine Form der Macht

Forschungsarbeiten wie die der Universität von Bath (England) zeigen, dass Menschen, die beleidigen, häufig das organisatorische Umfeld kolonisieren. Gewalttätige Kommunikation strebt nach Status und ist eine Form von Macht über andere. Das ist es schließlich, was viele dieser Figuren anstreben: eine Hierarchie zu schaffen, in der sie sich durch Kritik, Demütigung, getarnte Beleidigungen usw. über andere stellen.

Narzissten haben die Tendenz, andere zu beleidigen

Als Narzissten bezeichnen wir Menschen, die sich nicht bewusst sind, wie sich ihr Verhalten auf andere auswirkt. Sie konzentrieren sich immer nur auf sich selbst, um ihre Ziele zu erreichen. Dabei zögern sie nicht, andere auszubeuten und zu beleidigen. Sie sind arrogant, neidisch, aggressiv und verteidigen immer ihre eigene Position.

Narzissten neigen dazu, ihre beleidigenden Worte auf Nutzlosigkeit und Dummheit auszurichten. Sie gehen schnell in die Offensive und bezeichnen andere als naiv, unfähig oder dumm.

Beleidigungen, welche die Werte einer Person infragestellen und sie als nutzlos darstellen, sind besonders verletzend. Narzissten sind darin geübte Meister. 

Verhaltenspsychologie: Warum wir andere Menschen beleidigen

Tourette-Syndrom und Koprolalie

Es gibt Menschen, die fluchen oder andere beleidigen, da sie an einer Störung leiden. Diese krankhafte Neigung verursacht zwanghaftes Verhalten, das sich durch obszöne Wörter, Beleidigungen und sozial unangemessene Ausdrücke äußert.

Koprolalie ist ein Merkmal des Tourette-Syndroms, einer Störung, die durch sich wiederholende und unerwartete Bewegungen, seltsame Geräusche und manchmal gewalttätige Kommunikation gekennzeichnet ist. In diesen Fällen ist die neuropsychiatrische Erkrankung viel komplexer und behindert die Betroffenen.

Du siehst also, dass sich hinter verbalem Missbrauch verschiedenste Persönlichkeiten, Eigenschaften und Charaktere verbergen. Es ist nicht einfach, in einer Gesellschaft zu leben, in der Beleidigungen in Medien wie sozialen Netzwerken toleriert werden. Es gibt viele Möglichkeiten zu kommunizieren, ohne auf Beleidigungen oder abfällige Werturteile zurückzugreifen.

Menschen, die andere beleidigen, geben sich selbst preis: Sie zeigen ihre widerspenstige Intoleranz, ihre kindliche Frustration, fehlende Bildung, Mangel an Empathie und sogar zweifelhafte Intelligenz.


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