Künstliche Intelligenz verwandelt Gedanken in Texte

Technologische Schnittstellen werden es uns bald ermöglichen, viele unserer Fähigkeiten zu verbessern. Schon jetzt gibt es Menschen mit Tetraplegie, die dank künstlicher Intelligenz ihr Gedanken schriftlich festhalten können, ohne einen Finger zu bewegen.
Künstliche Intelligenz verwandelt Gedanken in Texte
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 15. November 2021

Die Vorstellung, dass Menschen in naher Zukunft mit ihren Gedanken schreiben können, mag wie Science-Fiction klingen. In gewisser Weise wird Arthur C. Clarkes mythischer Satz, dass “Magie nur die Wissenschaft ist, die wir noch nicht verstehen”, jeden Tag zur Realität. Denn die künstliche Intelligenz ist der Architekt, der das Unmögliche möglich macht.

Wir träumen schon lange davon, alleine mit Gedanken Dinge in Bewegung zu bringen. Du erinnerst dich sicher an die Szene, in der Luke Skywalker die Telekinese testet, nachdem er sieht, wie Yoda mit seinen mentalen Kräften sein Schiff aus dem Sumpf zieht. Wir streben danach, ähnliche Aufgaben mental erledigen zu können.

Neue Technologien und künstliche Intelligenz werden dies möglich machen. Wissenschaftler haben bereits eine Schnittstelle entwickelt, die es einem Mann mit Tetraplegie ermöglicht, seine Gedanken über einen Computer in Buchstaben zu verwandeln. Magie? Ganz und gar nicht, es ist einzig und allein Wissenschaft.

Gehirn-Computer-Schnittstellen werden bald viele unserer gewöhnlichen Fähigkeiten erweitern. Der Transhumanismus ist bereits Realität.

Künstliche Intelligenz verwandelt Gedanke in Texte

Künstliche Intelligenz macht es möglich, mit den Gedanken zu schreiben

Stell dir das Gehirn als einen hoch entwickelten Computer vor. Neben Arterien, Windungen, Blutgefäßen, Astrozyten, Oligodendrozyten und Mikroglia gibt es vor allem elektrische Verbindungen. Jede Bewegung, die visuelle oder auditive Wahrnehmung, das Sprechen, Fühlen, Lesen oder Schreiben ist das Ergebnis eines bestimmten Musters elektrischer Aktivität in einer bestimmten Region.

Transhumanismus ist deshalb nur eine logische Entwicklung: Technologie kommt zur Verbesserung der menschlichen Fähigkeiten zum Einsatz und das ist bereits eine Realität. Es gibt  authentische “Cyborgs” unter uns. Ein Beispiel dafür ist Neil Harbisson, ein junger Künstler, der an Achromatopsie (Unfähigkeit, Farben wahrzunehmen) leidet.

Eine Schnittstelle in seinem Schädel ermöglicht es ihm, die elektromagnetische Energie der Farben zu “hören” und sich der Kunst zu widmen. Wissenschaftler haben inzwischen bereits den nächsten Schritt erzielt: Ein 65-jähriger Mann mit Tetraplegie hat jetzt die Möglichkeit, mit seinen Gedanken Text in einem Computer zu produzieren.

Bessere Zukunft für Menschen mit Lähmungen oder neurologischen Störungen

Einzelheiten zu diesem Durchbruch und der Forschung wurden in der Zeitschrift Nature veröffentlicht. Einer der Autoren, Dr. Krishna Shenoy von der Stanford Universität, weist darauf hin, dass der Versuch, mit Gedanken zu schreiben, zwar schon früher unternommen wurde, jetzt aber ein wichtiger Meilenstein erreicht wurde.

  • Dem Patienten wurden mehrere Sensoren in das Gehirn implantiert, und zwar in den Bereichen, die mit der Handschrift zusammenhängen. Der 65-jährige Mann, der vom Hals abwärts bewegungsunfähig war, wurde dann aufgefordert, etwas ganz Bestimmtes zu tun. Er sollte sich vorstellen, wie er handgeschriebene Briefe schreibt.
  • Dann lernte die künstliche Intelligenz dieses Algorithmus im Laufe mehrerer Monate. Tag für Tag lernte das System den Zusammenhang bestimmter elektrischer Muster und konkreter Wörter, die es auf dem Bildschirm wiedergab. Auf diese Weise erlangte diese Gehirn-Computer-Schnittstelle die Fähigkeit, die Gedanken des Patienten in Worte zu übersetzen.

Gedanken in Worte übersetzen ermöglicht die Kommunikation mit der Welt

Die Tatsache, dass eine Person mit Tetraplegie ihre Gedanken auf einen Computer projizieren kann, ist ein Durchbruch. Diese Technologie macht es für Menschen mit Kommunikationsproblemen einfacher, mit der Welt in Kontakt zu treten. Erinnere dich zum Beispiel daran, wie sich Stephen Hawking ausdrückte.

Der große Wissenschaftler verlor 1985 seine Sprachfähigkeit. Zunächst verwendete er ein für ihn entwickeltes System von Karten mit aufgedruckten Buchstaben, auf die er durch Bewegegung mit seinen Augenbrauen zeigen konnte, während eine andere Person jedes Wort entzifferte. Später, im Jahr 2014, verwendete er eine neue Methode.

Er ließ einen Infrarotsensor in seine Brille einbauen, der die Bewegungen seiner Wangenknochen verarbeitete. Auf diese Weise wählte er bestimmte Menüs auf seinem Computer aus und später gab das Programm selbst seinen Worten eine Stimme.

Wäre Hawking noch unter uns, wäre er wahrscheinlich schon in der Lage, mit seinen Gedanken auf seinem Computer zu schreiben und mit der Welt zu kommunizieren. Diese Technik könnte die Lebensqualität vieler Menschen verbessern. Auch Patienten mit Stimmproblemen oder Bewegungseinschränkungen, die das Schreiben verhindern, könnten davon sehr profitieren.

Technologie und Fortschritte in der Welt der künstlichen Intelligenz könnten die lang ersehnte Hoffnung für diejenigen sein, die jetzt in der Stille leben und nicht in der Lage sind, mit ihrer Umgebung zu kommunizieren. In etwas mehr als einem Jahrzehnt sind bemerkenswerte Veränderungen zu erwarten.

Künstliche Intelligenz als Hilfsmittel für unser Gehirn

Künstliche Intelligenz und Fortschritt

Künstliche Intelligenz wird nicht nur das gedankengesteuerte Schreiben ermöglichen, es gibt viele weitere Projekte für faszinierende Entwicklungen. Besonders bekannt ist Neuralink von Elon Musk, ein Projekt, das 2016 ins Leben gerufen wurde. Es verspricht, Krankheiten zu heilen, die derzeit nicht behandelbar sind. Durch eine Reihe von neuronalen Implantaten und Chips sollen Rückenmarksverletzungen, Sehstörungen, Epilepsie und sogar Parkinson oder Alzheimer behandelt werden.

Das Ziel ist, alle Möglichkeiten, die immer ausgefeiltere Computer und technische Entwicklungen bieten, in unseren Dienst zu stellen. Maschinen, die Biologie und Neurologie verbinden, werden bald so programmiert sein, dass sie geschädigte Funktionen ersetzen oder wiederherstellen können, die das Leben betroffener Menschen einschränken.

Wir werden diese Fortschritte beobachten, die uns heute als Science Fiction erscheinen.


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  • Willett, F. R., Avansino, D. T., Hochberg, L. R., Henderson, J. M. & Shenoy, K. V. (2021). High-performance brain-to-text communication via handwriting. Nature593(7858), 249–254. https://doi.org/10.1038/s41586-021-03506-2

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