Das Ikarus-Syndrom oder die unterdrückte Selbstkritik

Das Ikarus-Syndrom hat einen traurigen Hintergrund. Es betrifft fast immer talentierte Menschen, die ihre Fähigkeiten jedoch nicht wirklich zu schätzen wissen. Am Ende enden sie wie Ikarus, mit wächsernen Flügeln, die sie zu gefährlichen Flügen verleiten.
Das Ikarus-Syndrom oder die unterdrückte Selbstkritik
Gema Sánchez Cuevas

Geprüft und freigegeben von der Psychologe Gema Sánchez Cuevas.

Geschrieben von Edith Sánchez

Letzte Aktualisierung: 28. Juni 2023

Das Ikarus-Syndrom bezieht sich auf Narzissmus. Manche Menschen scheitern aufgrund von Selbstüberschätzung daran, ihre Ziele zu erreichen. Dieser Zustand tritt vorwiegend bei Menschen mit besonderen Talenten auf, die unter anderem zu politischen, wirtschaftlichen, sportlichen oder künstlerischen Machtzirkeln gehören. Es ist üblich, den Begriff “Burnout” zu verwenden, um den Zustand dieser Menschen zu beschreiben, die kurz davor waren, den Gipfel zu erreichen, es aber nicht geschafft haben.

Das Selbstvertrauen ist nicht nur eine Tugend, sondern auch ein großer Vorteil in der sozialen Welt. Wenn dieses Vertrauen jedoch nicht auf einer soliden Grundlage beruht, kann es zum Ikarus-Syndrom oder zur falschen Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten führen.

Manchmal bringt dich das Fallen um. Und manchmal, wenn du fällst, fliegst du.”

Neil Gaiman

Das Ikarus-Syndrom oder die unterdrückte Selbstkritik

Der Mythos von Ikarus

In der griechischen Mythologie galt Dädalus als der bedeutendste Architekt und Erfinder seiner Zeit. Deshalb gab ihm König Minos den Auftrag, ein Labyrinth zu bauen, um seine Feinde einzusperren und sie vor dem Minotaurus von Kreta zu bewahren.

Damit der Bau des Labyrinths geheim bleibt, beschloss König Minos, Dädalus und seinen Sohn Ikarus gefangenzuhalten. Deshalb beschloss Dädalus, Flügel aus gekreuzten und mit Wachs verklebten Federn zu bauen, um von der Insel wegzufliegen.

Dädalus riet seinem Sohn, nicht zu hoch zu fliegen, weil die Hitze der Sonne das Wachs auf seinen Flügeln schmelzen und ihn abstürzen lassen könnte. Der gute Ikarus flog los. Selbstbewusst und geblendet von seinem Stolz wurde er von der Kraft der Sonne angezogen und kam ihr zu nah. Seine Flügel schmolzen und er stürzte ins Leere, um im Meer zu ertrinken.

Nähe zur Macht

Macht berauscht und bedeckt mit einem Schleier, der Selbstkritik schwer macht. Daher ist es nicht möglich, zuzuhören und Fehler zu korrigieren. Beim Ikarus-Syndrom hören die Menschen nicht zu, insbesondere dann nicht, wenn es um den Rat anderer geht.

Die Nähe zu politischer, wirtschaftlicher oder sonstiger Macht geht mit Versuchungen einher, denen man leicht erliegen kann. Deshalb werden vor allem junge und talentierte Menschen oft als Kanonenfutter benutzt. Einerseits sind sie bereit, alles zu tun, was nötig ist, um die Chance ihres Lebens zu finden. Andererseits führt der Grad der Unreife, der sie begleitet, dazu, dass sie die falschen Entscheidungen für ihre Zukunft treffen.

Ein fehlgeleitetes Talent

Beim Ikarus-Syndrom ist es das fehlgeleitete Talent, das sowohl zur Tugend als auch zur Schande wird, wenn es darum geht, Ziele zu erreichen. Auf der einen Seite können sich Betroffene dadurch von anderen abheben und über sich hinauswachsen. Auf der anderen Seite führen übermäßiger Ehrgeiz und die Unkenntnis der eigenen Grenzen dazu, dass sie scheitern. Deshalb findet man dieses Phänomen häufig bei jungen Menschen mit vielversprechenden Zukunftsaussichten.

In diesem Sinne spielt ein weiterer Faktor eine wichtige Rolle: der Mangel an Erfahrung. Daher gibt es eine gewisse Naivität und mangelnde Voraussicht, wenn man Herausforderungen annimmt, ohne die möglichen Risiken zu bedenken.

Das Ikarus-Syndrom: die wichtigsten Merkmale

Menschen mit dem Ikarus-Syndrom sind oft an ihrer Arroganz zu erkennen. Sie sind davon überzeugt, dass sie einzigartig sind und ihre Fähigkeiten von niemandem übertroffen werden können. Gleichzeitig zeigen sie eine übermäßige Unterwürfigkeit gegenüber ihren Vorgesetzten in der Hierarchie. Sie tun dies, weil sie es als Voraussetzung für eine hohe soziale oder wirtschaftliche Position ansehen.

Tief im Inneren gibt es ein starkes Gefühl der Machtlosigkeit, mit ihrem geringen Selbstwertgefühl umzugehen. Sie sind oft unbewusst, kapriziös und können ein unvorhersehbares und unberechenbares Verhalten beschreiben.

Der große Fisch frisst den kleinen Fisch

Zum Ikarus-Syndrom gehören egoistische Menschen, die in ihrem eigenen Interesse denken, um ihre Ziele zu erreichen. Gleichzeitig sind sie aber auch naiv, weil sie bereit sind, die Risiken einzugehen, die ihre Chefs ihnen auftragen.

So kommt es häufig vor, dass sie von ihren Vorgesetzten eine Sonderbehandlung erfahren, verwöhnt und toleriert werden und über ihre Fehler hinwegsehen. Daher sind sie kapriziös und etwas undiszipliniert.

Wenn sie ihre Fehler bemerken, ist es leider oft zu spät, ihre Flügel sind versengt und sie fallen ins Leere. Das ist vergleichbar mit dem Mythos von Ikarus, der zu hoch flog und schließlich ins Leere stürzte.

Das Ikarus-Syndrom oder die unterdrückte Selbstkritik

Das Ikarus-Syndrom und seine Ursachen

Das Ikarus-Syndrom entsteht in der Regel als Folge mangelnder elterlicher Aufmerksamkeit in der frühen Kindheit. Das heißt, als Kinder wurden viele ihrer Leistungen von ihren Eltern ignoriert oder missbilligt.

Diese Situation führt dazu, dass sich Erwachsene verwirrt und unklar darüber fühlen, wer sie sind und eine inkohärente Werteskala haben. Sie fühlen sich nicht wohl mit dem, was sie sind, und sind daher ständig auf der Suche nach Selbstbestätigung.

Ebenso ist es üblich, dass sie keine Wertschätzung für ihre Kollegen oder Menschen in niedrigeren Positionen als ihrer eigenen empfinden. Die Beziehungen, die sie zu anderen aufbauen, werden von einem praktischen Zweck angetrieben, bei dem jeder Einzelne nur eine weitere Figur auf einem Schachbrett ist. Eine falsche Perspektive, die fatale Folgen hat.


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