Das herzzerreißende Liebesgedicht eines Mannes, der an einer Zwangsstörung leidet

Das herzzerreißende Liebesgedicht eines Mannes, der an einer Zwangsstörung leidet
Raquel Aldana

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Raquel Aldana.

Letzte Aktualisierung: 16. Mai 2023

Die Zwangsstörung gehört zu der Gruppe der Angststörungen und beeinflusst Gedanken, Emotionen und Verhalten. Zu den Symptomen dieser Krankheit, die den Betroffenen das größte Leid verursachen, zählt das Gefühl, sich ständig dazu verpflichtet zu fühlen, Worte oder Handlungen zu wiederholen, um sich vom negativen Stress zu befreien, welcher durch Denkmuster und Emotionen hervorgerufen wird.

Aber woher kommt diese Besessenheit? Es sind Ideen, Gedanken, Bilder oder Impulse, die immer wiederkehren, andauernd oder absurd sind. Sie entstehen unbeabsichtigt, sind ich-dystonisch, unangenehm oder aufdringlich. Sie stellen keine übermäßige Besorgnis über echte Probleme dar. Vor voraussichtlichen, aber unwahrscheinlichen Problemen hat der Patient jedoch Angst. Betroffene leiden unter diesen Ängsten und dem mit ihnen assoziierten Stress, obwohl sie in der Lage sind, zu erkennen, dass ihre Vorstellungen nur Produkte ihres Geistes sind.

In den meisten Fällen gibt der Patient den Versuch auf, der Zwangshandlung zu widerstehen, weil der Kampf, sich die kausalen Ideen aus dem Kopf zu schlagen, zu kraftraubend ist.

Und dann ist da noch der Zwang. Die Zwangshandlung ist die Antwort auf die Besessenheit, ein Verhalten, auf eine stereotype Art und Weise auftritt oder zumindest bestimmten Regeln folgt. Es hat kein Endziel, sondern dient nur dem Zweck, bestimmte Situationen oder Zustände herzustellen oder zu vermeiden. Diese Art der Bewältigung ist nicht rational – die Tür muss nicht zehnmal geöffnet und verschlossen werden – und selbst wenn sie es ist, ist sie sicher eine unverhältnismäßige Lösung eines Problems, z.B. das wiederholte Händewaschen.

Lasst uns ein Beispiel ansehen, um uns ein Bild von Besessenheit und Zwang zu machen und davon, wie sie zusammenspielen. Eine Person mit einer Zwangsstörung entwickelt plötzliche Ängste, wenn ihr der Gedanke kommt, dass ihrer Familie etwas Schlimmes passiert sei. Sie weiß, dass ihre Angst ein Produkt ihres Verstandes ist. Dennoch verspürt sie das unbedingte Bedürfnis, dreimal hintereinander auf das Telefon zu beißen, um „zu verhindern, dass der Familie etwas passiert“. Das ist irrationales Denken. Doch der Zwangsimpuls bringt die Person dazu, die entsprechende Handlung auszführen. Das Handeln selbst ist ihr unangenehm. Allerdings ist es für einen Moment effektiv, weil es ihre Angst reduziert.

Frau, die ihren Kopf in den Händen hält

Das herzzerreißende und emotionale Gedicht eines Mannes mit einer Zwangsstörung

Liebe und Herzschmerz sind tiefe Gefühle, die wir alle schon einmal erfahren haben. Nichtsdestotrotz wissen wir nur sehr wenig darüber, wie Menschen mit einer Zwangsstörung Liebe und Herzschmerz erfahren.

Diese Gefühle sind sicher eine Säule jenes Tempels, in dem unser emotionaler Erfahrungsschatz liegt. Und es ist wirklich sehr schwierig, eine so einzigartige emotionale Erfahrung zu beschreiben oder sie zu theoretisieren. Deshalb hilft es uns, wenn jemand seine Gefühle mit der Welt teilt, um seinen Standpunkt zu verstehen.

Die Alltagsbewältigung für jemanden, der an einer Zwangsstörung leidet, und für seinen Partner ist wahrscheinlich nicht einfach. Neil Hilborn macht das in seinem Gedicht klar. Er ist Autor und Dichter aus den Vereinigten Staaten, und leidet an einer Zwangsstörung. Er versucht im folgenden Gedicht auszudrücken, was während des Verliebtseins in seinem Kopf passierte. Er spricht auch darüber, was die schlussendliche Trennung für ihn bedeutete.

Als ich sie das erste Mal sah…
Alles in meinem Kopf wurde still.
All die Ticks, all die ständig wiederkehrenden Bilder verschwanden einfach.
Wenn du eine Zwangsstörung hast, erlebst du keine wirklich ruhigen Momente.

Selbst im Bett frage ich mich noch:
Habe ich die Türen verschlossen? Ja.
Habe ich meine Hände gewaschen? Ja.
Habe ich die Türen verschlossen? Ja.
Habe ich meine Hände gewaschen? Ja.

Aber als ich sie sah, war das Einzige, woran ich denken konnte, die Kurve ihrer Lippen…
Oder die Wimper auf ihrer Wange –
die Wimper auf ihrer Wange –
die Wimper auf ihrer Wange.

Ich wusste, dass ich mit ihr sprechen musste.
Ich habe sie sechsmal in dreißig Sekunden gefragt, ob sie mit mir ausgehen möchte.
Sie sagte nach dem dritten Mal ja, doch es fühlte sich noch nicht richtig an, deshalb machte ich weiter.

Auf unserem ersten Date verbrachte ich mehr Zeit damit, mein Essen nach Farben zu sortieren als damit, es zu essen, oder verdammt nochmal mit ihr zu reden…
Aber sie liebte es.
Sie liebte es, dass ich sie zum Abschied sechzehnmal küssen musste, oder vierundzwanzigmal, falls es Mittwoch war.
Sie liebte es, dass ich ewig brauchte, um nach Hause zu laufen, weil so viele Risse auf dem Gehweg zu sehen sind.

Als wir zusammenzogen, sagte sie, dass sie sich sicher fühlte, dass uns niemand jemals ausrauben würde, weil ich die Tür definitiv achtzehnmal abgeschlossen habe.

Ich musste immer auf ihren Mund sehen, wenn sie sprach –
wenn sie sprach –
wenn sie sprach –
wenn sie sprach
wenn sie sprach;
als sie sagte, dass sie mich liebte, verzog sich ihr Mund zu einem leichten Lächeln.

Nachts lag sie im Bett und sah mir dabei zu , wie ich alle Lichter ausschalte… Und ein, und aus, und ein, und aus, und ein, und aus, und ein, und aus, und ein, und aus, und ein, und aus, und ein, und aus, und ein, und aus, und ein, und aus, und ein und aus, und ein, und aus.
Sie schloss ihre Augen und stellte sich vor, wie die Tage und Nächte an ihr vorbeizogen.

An manchem Morgen begann ich, sie zum Abschied zu küssen, aber manchmal ging sie einfach, weil sie sonst wegen mir zu spät zur Arbeit käme…
Wenn ich vor einem Riss am Gehweg stehen blieb, lief sie einfach weiter…
Wenn sie sagte, dass sie mich liebte, blieb ihr Mund eine gerade Linie.
Sie sagte mir, dass ich zu viel ihrer Zeit in Anspruch nehme.

Letzte Woche fing sie an, bei ihrer Mutter zu schlafen.
Sie sagte mir, dass sie es nicht hätte zulassen sollen, dass ich mich so von ihr abhängig machte, dass die ganze Sache ein Fehler war, aber…
Wie kann es ein Fehler sein, wenn ich meine Hände nicht waschen muss, nachdem ich sie berühre?

Liebe ist kein Fehler, und es bringt mich um, dass sie weglaufen kann und ich nicht.
Ich kann es nicht – ich kann nicht rausgehen und jemand Neuen finden, weil ich immer an sie denke.
Für gewöhnlich sehe ich, wie sich Keime in meiner Haut einnisten, wenn ich mich in etwas hineinsteigere.
Ich sehe mich selbst von einer endlosen Reihe an Autos zerdrückt…

Und sie war die erste wunderschöne Sache, an der ich jemals hängen blieb.
Ich will jeden Tag aufwachen und daran denken, wie sie ihr Lenkrad festhält.
Wie sie die Wasserhähne aufdreht, als würde sie einen Safe öffnen.
Wie sie Kerzen ausbläst –
Kerzen ausbläst –
Kerzen ausbläst –
Kerzen ausbläst –
Kerzen ausbläst –
ausbläst…

Jetzt denke ich ich nur noch daran, wer sie sonst küsst.
Ich kann nicht atmen, weil er sie nur einmal küsst – es ist ihm egal, ob der Kuss perfekt ist!
Ich möchte sie so sehr zurück…
Ich lasse die Tür unverschlossen.
Ich lasse die Lichter an.

Neil Hilborn

Wie lebst du mit einer Person, die an einer Zwangsstörung erkrankt ist?

Diejenigen, die an der Seite von Menschen mit einer Zwangsstörung leben, müssen verstehen, dass die Person, die von der Krankheit betroffen ist, ihre Bessessenheit und Zwänge nicht kontrolliert. Dieser Mensch ist sich vielleicht bewusst, dass seine Gedanken und sein Handeln irrational sind, aber ohne Hilfe wird er ihrer nicht Herr.

Du solltest die Person, die von der Zwangsstörung betroffen ist, nicht verurteilen und auch nicht versuchen, sie davon abzuhalten, ihrer Routine nachzugehen. Dies kann zu noch mehr Stress führen und eine noch größere Wunde öffnen. Du kannst sie nicht davon überzeugen, anders zu denken oder zu handeln. Es ist wichtig, sie mit Geduld und Freundlichkeit zu behandeln. Du solltest aber auch kein Teil der Routinen sein. Deine Unterstützung sollte selbstverständlich sein. Du solltest dich nicht verstecken und eine aktive Kommunikation anregen, die das Verständnis und die Akzeptanz fördern.

Zu guter Letzt können wir diesen Beitrag nicht beenden, ohne die Notwendigkeit hervorzuheben, psychologische Hilfe zu suchen, durch einen Spezialisten auf dem Gebiet der Zwangsstörungen. Die Person, die an dieser psychischen Erkrankung leidet, und auch ihre Mitmenschen, sollten Hilfe von einer qualifiziertem Fachkraft erhalten, die ihnen dabei helfen kann, die Situation zu bewältigen und das Alltagsleben für alle zu verbessern.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.