Selbsttäuschung: Warum wir uns selbst belügen

Wir täuschen uns selbst auf viele Arten: Manchmal überschätzen wir unser Potenzial, halten an irrationalem Optimismus fest oder belügen uns in der Liebe. Die Psychologie der Selbsttäuschung hilft dir, dich besser zu kennen, deshalb laden wir dich heute ein, mehr darüber zu erfahren.
Selbsttäuschung: Warum wir uns selbst belügen
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 18. Oktober 2022

Wenn wir uns selbst belügen, verfangen wir uns oft in einem Netz aus Irrtümern, irrationalem Denken, Wunschdenken und falschen Vorurteilen oder Überzeugungen. Ein Beispiel dafür ist der Gedanke, dass das Schicksal uns bestraft oder unser Glück verhindert. Es ist nicht einfach, dieser psychologischen Dynamik zu bekommen: Wir alle lügen bewusst oder unbewusst, erfinden Notlügen oder egoistische Ausreden. Auch Selbstbetrug ist eine weitverbreitete Praxis, die wir alle kennen.

Wir verwenden diesen Mechanismus zum Selbstschutz, um unser Selbstbild zu verteidigen oder unser Selbstvertrauen nicht zu zerstören. Wenn du dir einredest, dass du alles schaffen und erreichen kannst, motivierst du dich, um Schwierigkeiten zu bewältigen. Natürlich weißt du gleichzeitig, dass dieser Optimismus nicht immer realistisch ist.

Die Psychologie der Selbsttäuschung hilft dir, dich besser zu kennen, deshalb laden wir dich heute ein, mehr darüber zu erfahren.

Die psychoanalytische Theorie hat sich tiefgehend mit der Selbsttäuschung beschäftigt, das heißt mit Lügen, mit denen wir versuchen, unsere Ängste, Sorgen oder unbequeme Realitäten zu verdrängen.

Selbsttäuschung: Warum wir uns selbst belügen
Oft lassen wir einen inneren Dialog voller Unwahrheiten zu, der uns vor Realitäten schützen soll, die uns nicht gefallen.

Wie wir uns selbst belügen und täuschen

Der Name Elizabeth Holmes ist vielen bekannt: Nach dem Abbruch ihres Studiums an der Universität Stanford gründete die junge US-Amerikanerin das Biotech-Unternehmen Theranos, dem zahlreiche bedeutende Investoren vertrauten. Die Gründerin gab vor, einen innovativen Blutschnelltester entwickelt zu haben, und wurde damit 2015 zur jüngsten weiblichen Milliardärin.

Inzwischen wurde sie jedoch wegen Betrugs verurteilt. Sie erreichte ihr hochgestecktes Ziel durch Täuschung und Selbsttäuschung. Elizabeth Holmes ist ein perfektes Beispiel dafür, dass Betrüger auch sich selbst belügen, um andere zu täuschen. Sie reden sich ein, dass ihre Handlungen gerechtfertigt sind und glauben, dass ihre Lügen nie aufgedeckt werden. Selbstbetrug ist ein ausgeklügelter Mechanismus, der von mangelnden moralischen Werten begleitet wird.

Eine Studie der Harvard Business School zeigt, dass viele Menschen ihr unethisches Handeln rationalisieren, so wie Elizabeth Holmes. Die Lügen, die wir uns selbst erzählen, können aber auch nützlich sein und unter anderem unser Selbstvertrauen stärken.

Personen, die sich für einen Job bewerben, treten selbstsicherer und selbstbewusster auf, wenn sie eine positive Einstellung mitbringen und sich selbst ins Gewissen reden, dass sie die gewünschte Stelle bekommen werden. Wir sprechen von einer Strategie, die Nervosität und Angst entgegenwirkt und tatsächlich erfolgreich sein kann.

Anschließend betrachten wir verschiedene Arten von Lügen, mit denen wir uns selbst häufig täuschen.

Die Ausrede, keine Zeit zu haben, ist eine Selbstlüge, denn wenn wir etwas wirklich tun möchten, nehmen wir uns die Zeit dafür. 

Es ist mir egal, was die Leute sagen

Wir hören diese Antwort oft, doch es handelt sich um eine Selbsttäuschung. Die Meinung anderer ist für die meisten wichtig, auch wenn sie dies nicht zugeben möchten. Wir neigen dazu, uns über falsche Werturteile anderer zu ärgern oder Sorgen zu machen. Wer hört nicht lieber ein wohlgesinntes Wort als Kritik?

Mir wird das nicht passieren

Auch dies ist ein weitverbreiteter Gedanke, der nicht der Realität entspricht. Wir alle können Situationen erleben, die wir nie für möglich halten und nur aus der Zeitung kennen. Jeder kann zum Opfer eines Betrugs werden oder in einer spezifischen Situation völlig anders reagieren als gedacht. Die theoretische Beobachterrolle hat mit der Hauptrolle, die wir im tatsächlichen Leben spielen, oft nichts gemeinsam.

Ich habe keine Zeit

Wir belügen uns selbst, wenn wir die Ausrede vorbringen, keine Zeit zu haben. Trotz vielfältiger Verpflichtungen, Druck und Sorgen können wir uns für Dinge, die wir als besonders wichtig empfinden, Zeit nehmen. Vergiss nicht, dass du deine Zeit selbst kontrollierst. Wenn du in deiner Routine gefangen bist, kannst du die Entscheidung treffen, deine Ketten abzulegen.

Wenn wir uns selbst belügen und die Wahrheit nicht hören wollen
Versuche, deine Selbstlügen zu identifizieren und eine realistischere Herangehensweise zu entwickeln.

Wenn ich das tue, mache ich mich beliebt

Das Bedürfnis nach Anerkennung oder Liebe beflügelt in vielen Fällen die Selbsttäuschung. Unlogische Handlungen und verzerrte Gedanken stoßen hier auf einen besonders fruchtbaren Boden. Viele reden sich ein: “Wenn ich mich ändere, wird mich mein Partner wieder lieben und schätzen.” Es handelt sich um verzweifelte Ideen, die sich von Selbstbetrug nähren, wenn das Herz blind ist.

Die Welt muss mich gut behandeln, weil ich gut bin

Auch dies ist ein Trugschluss, denn gute Menschen sind keine Ausnahme: Du belügst dich selbst, wenn du glaubst, dass dir nur Gutes geschehen wird; oder dass dich das Schicksal früher oder später auf jeden Fall belohnen muss. Auch wenn wir uns diese Gerechtigkeit wünschen, sind diese Gedanken weit entfernt von der Realität.

Andere müssen so sein, wie ich sie haben will

Der Gedanke, dass sich andere verändern oder deinen Vorstellungen entsprechen müssen, sorgt vielfach für großes Leid. Viele Eltern experimentieren dies und belügen sich selbst, wenn sie glauben, dass ihre Kinder dem von ihnen geplanten Weg folgen oder ihrem Ideal entsprechen müssen. Kinder sind eigenständige Wesen, die oft die Erwartungen ihrer Eltern nicht erfüllen. Sie müssen ihren eigenen Weg gehen, auch wenn es für die Eltern nicht einfach ist, dies zu akzeptieren.

Die Psychologie der Selbsttäuschung: Warum belügen wir uns selbst?

Viele von uns leben mit einer ganzen Fabrik von ungeprüften Lügen, die wir uns selbst erzählen. Es ist eine Tatsache, dass solche psychologischen Kunstgriffe unser Potenzial schmälern und oft Unbehagen und Unglück schüren. Diese psychologischen Erzählungen versuchen, Ängste zu lindern, um schmerzhafte und unangenehme Situationen zu bewältigen.

Niemand gibt gerne zu, dass ihm die Gedanken anderer Sorgen bereiten. Es ist auch nicht leicht zu akzeptieren, dass es keinen Weg mehr gibt, die abgestumpfte Liebe zurückzugewinnen. Das Leben ist komplex, fehlbar und unsicher. Deshalb greift das Gehirn auf seine eigenen Rettungsleinen zurück, um uns über Wasser zu halten.

Es schadet nie, die von Selbstbetrug beherrschten mentalen Enklaven zu identifizieren und zu prüfen. Wenn du sie deaktivierst, kannst du deine Realität besser kontrollieren und bist fähig, zu dir selbst und zu anderen ehrlicher zu sein.


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