Der Pratfall-Effekt oder warum kleine Fehler sympathisch sind

Irren ist menschlich und macht deshalb herausragende Persönlichkeiten oder hochintelligente Menschen liebenswert.
Der Pratfall-Effekt oder warum kleine Fehler sympathisch sind
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 22. Juli 2023

Ein intelligenter und kompetenter Mensch, der trotzdem kleine Fehler macht, hat einen ganz besonderen Charme. Für die Figur des ungeschickten Genies, die in der Filmwelt immer wieder porträtiert wird, gibt es eine psychologische Erklärung, die kurios und verblüffend ist. Wir sprechen nachfolgend über den Pratfall-Effekt – oder darüber, wie brillante Menschen unsere Sympathie gewinnen, indem sie Fehler machen.

Auch im Alltag können wir häufig beobachten, dass sich hochintelligente Menschen irren und sich damit beliebt machen. Wenn der typische Besserwisser im Klassenzimmer stolpert oder ein Getränk verschüttet, ist er gleich viel sympathischer und liebenswerter. Fehler machen uns menschlicher und auch zugänglicher. Dieses psychologische Phänomen ist wohlbekannt und kommt in verschiedenen Situationen bewusst zum Einsatz. Erfahre hier mehr darüber.

Fehlbar zu sein, macht uns menschlich und liebenswert.

Frau denkt über den Pratfall-Effekt nach
Oft scheinen uns Menschen, die Fehler machen, viel näher zu sein und haben eine größere emotionale Wirkung auf uns.

Der Pratfall-Effekt: Was ist das?

Der Pratfall-Effekt wurde 1966 von dem Sozialpsychologen Elliot Aronson nach einem kuriosen Experiment an der Universität von Minnesota geprägt. Die Teilnehmer sahen sich Aufnahmen von anderen Studierenden an, die über ihre akademischen Leistungen sprachen. In der Gruppe waren Studierende mit herausragenden akademischen Leistungen und leistungsschwächere Studierende. Ein leistungsstarker Student ließ seinen Kaffee fallen und die Teilnehmer schätzten ihn deshalb als attraktiv, freundlich und ansprechbar ein. Bei kleinen Fehlern von mittelmäßigen Studenten war die Wahrnehmung dagegen nicht so positiv. Dies veranlasste Aronson zu der Vermutung, dass diejenigen, die sich ihrer hohen Kompetenz bewusst sind, mehr Einfluss erlangen können, wenn sie Fehlbarkeit zeigen.

Der Pratfall-Effekt bezeichnet die Anziehungskraft einer intelligenten Person, die Fehler macht.

Wir mögen Prominente lieber, wenn sie öffentlich Fehler machen

Jennifer Lawrence ist dafür bekannt, immer wieder Fehler zu begehen. Sie zeichnet sich außerdem durch Aufrichtigkeit und Spontaneität aus. Und diese Kombination macht die Schauspielerin so beliebt. Eine bekannte Persönlichkeit, die keinen Raum für Improvisation und Natürlichkeit lässt, kommt nicht in den Genuss dieses Vorteils – auch wenn wir diese Person für ihre berufliche Leistung bewundern. Denn eine kompetente Person wird immer als positiver wahrgenommen, wenn sie sich erlaubt, in der Öffentlichkeit auch gelegentlich Fehler zu machen.

Wenn sie jedoch ständig ins Fettnäpfchen tritt, macht sie sich nicht mehr beliebt, sondern lächerlich. Der Pratfall-Effekt entsteht nur, wenn die kleinen Fehler sporadisch auftreten.

Der Pratfall-Effekt und die Theorie des sozialen Vergleichs

Machen wir uns nichts vor: Wenn wir jemandem begegnen, der brillant, entschlossen und kompetent ist, sind wir immer beeindruckt. Schnell fühlen wir uns im Nachteil. Wenn wir aber sehen, dass diese Person stolpert oder einen Fehler macht, sieht die Sache schon anders aus: Diese Situation schafft Nähe und Vertrauen.

Der Pratfall-Effekt basiert auf der Theorie des sozialen Vergleichs. Wie Leon Festinger 1954 erklärte, bewerten wir uns selbst, indem wir uns mit anderen vergleichen. Jemanden zu sehen, der zielstrebiger und kompetenter ist als wir selbst, kann manchmal unangenehm sein. Macht dieses Person jedoch Fehler, weckt sie unser Mitgefühl, da wir uns mit ihr identifizieren können. Das stärkt auch unser eigenes Selbstwertgefühl und gibt uns ein gutes Gefühl. Denn wenn jemand mit so vielen Tugenden eine gewisse Ähnlichkeit mit uns hat, bedeutet das, dass wir auch etwas Besonderes sind.

Der Pratfall-Effekt und die Theorie des sozialen Vergleichs
Sehr intelligente Menschen sind sich des Pratfall-Effekts bewusst und können ihn nutzen, um soziale Anziehungskraft zu erzeugen.

Irren macht menschlich

Es ist wahr: Irren macht menschlich. Nichts bringt uns einander näher als die Erkenntnis, dass wir alle bisweilen Fehler machen. Egal, wie brillant, niemand ist gegen den dümmsten Fehler, den zufälligen Sturz, den öffentlichen Fauxpas immun … Und dieses Phänomen ist der Wissenschaft, den Medien und den klügsten Köpfen wohlbekannt.

Wie wir eingangs erwähnt haben, stellt die Filmwelt Wissenschaftler vielfach als etwas geistesabwesende Genies dar. Der Pratfall-Effekt sorgt dafür, dass wir diese Figuren trotzdem lieben und sympathisch finden. Aber Vorsicht: Intelligente Menschen sind sich dieses Phänomens bewusst und können es nutzen, um noch einflussreicher zu sein.

Eine Studie zeigt jedoch, dass es Ausnahmen gibt: Menschen mit einem sehr hohen oder sehr geringen Selbstwertgefühl sehen zum Beispiel nicht wohlwollend auf den brillanten Menschen, der Fehler macht. Sie bevorzugen unfehlbare Menschen.


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  • Aronson, E., Willerman, B., & Floyd, J. (1966). The effect of a pratfall on increasing interpersonal appeal. Psychonomic Science.
  • Ein-Gar, D., Shiv, B., & Tormala, Z. L. (2012). When blemishing leads to blossoming: The positive effect of negative information. Journal of Consumer Research, 38(5), 846-859.
  • Mettee, D. R., & Wilkins, P. C. (1972). When similarity” hurts”: Effects of perceived ability and a humorous blunder on interpersonal attractiveness. Journal of Personality and Social Psychology, 22(2), 246.
  •  Helmreich, R., Aronson, E., & LeFan, J. (1970). To err is humanizing sometimes: Effects of self-esteem, ability, and a pratfall on interpersonal attraction. Journal of Personality and Social Psychology, 16(2), 259.

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