Lernen, im eigenen Körper zu leben

Lernen, im eigenen Körper zu leben
Beatriz Caballero

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Beatriz Caballero.

Letzte Aktualisierung: 21. Dezember 2022

Ein Großteil der Fasern des Nervus vagus, der das Gehirn mit vielen unserer inneren Organe verbindet, sind afferente Fasern. Mit anderen Worten, diese Fasern verlaufen aus der Peripherie unseres Körpers hinauf in unser Gehirn. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass wir durch Atmung und Bewegung unseren Geist trainieren und steuern können.

Diese Art, den Körper zu trainieren, kennt man in China und Indien seit Jahrhunderten. Das Studium der östlichen und alternativen Medizin zeigt uns diese und andere Möglichkeiten auf, unseren Allgemeinzustand auf natürliche Weise zu verbessern. Leider ist unsere westliche Kultur demgegenüber immer noch sehr skeptisch eingestellt.

An deinem Körper arbeiten, um dich selbst zu finden

Wir alle können ein- und ausatmen, die Luft auch mal anhalten. Aber zu lernen, die Atmung zu beruhigen und zu verlangsamen, ist eine ganz andere Sache. Dabei ist das enorm wichtig für Menschen, die ihre psychische Gesundheit erhalten oder gar wiedererlangen möchten.

Eine Frau atmet bewusst ein und aus.

Wenn du zum Beispiel die Auswirkungen eines Traumas oder eines Verlustes verarbeitest, kann eine adäquate emotionale Regulation einen großen Unterschied in den Ergebnissen machen. Ein Aspekt dabei ist die Atemkontrolle. Je fokussierter du auf deine Atmung bist, desto mehr Vorteile kannst du erreichen.

Wenn du bewusst tief und langsam atmest, teilst du deinem Körper mit, dass er den Sympathotonus zugunsten des Parasympathikus (zu dem der Nervus vagus gehört) herunterfahren soll. Dabei ist es wichtig, auf den Beginn und das Ende eines jeden Atemzuges zu achten. Wenn einer abgeschlossen ist, warte einen Moment, bevor du einen anderen beginnst. Wenn du bemerkst, dass die Luft aus deinem Körper entweicht und wiederkommt, wirst du diese lebendige, natürliche Aktion besser verstehen.

Harmonisierung von Körper und Geist durch Yoga

Yoga ist eine weitere traditionelle Lehre aus dem östlichen Kulturkreis. Yoga ist mehr als nur eine Form der körperlichen Betätigung oder Entspannungstechnik; es zielt darauf ab, eine körperliches und geistiges Wohlbefinden zu erreichen. Weiterhin besteht eine Verbindung zu den Meditationspraktiken des Hinduismus, Buddhismus und Jainismus. Einige Arten von Yoga können dir daher helfen, dich mit den tiefsten und vergessensten Teilen deiner selbst zu verbinden.

Hier nennen wir die wichtigsten Vorteile von Yoga:

  • Es stärkt dein Bewusstsein. Derweilen hilft es dir auch, dir deines Potenzials und deiner Fähigkeiten bewusst zu werden, deiner inneren Widerstände und Ängste.
  • Es sorgt für inneren Frieden. Dank seiner beruhigenden Wirkung hilft es dir, ruhig und selbstbewusst durch das Leben zu gehen.
  • Deine Fähigkeit, in deinem eigenen Leben präsent zu sein, wird verbessert. Damit werden Schmerzen gelindert und Stress reduziert.
  • Es kräftigt deine Gesundheit. Es gibt eine lange Liste gesundheitlicher Vorteile, die Yoga hat. Zum Beispiel ist es ideal für das Herz-Kreislauf-System, die Atmung, die Beweglichkeit, die Gewichtskontrolle, etc.

Eine Studie des National Institute of Health der Vereinigten Staaten zeigte, dass zehn Wochen Yoga Symptome, die im Zusammenhang mit posttraumatischen Belastungsstörungen auftreten, reduziert. Die Patienten, die am besten reagierten, hatten zuvor keinen Erfolg mit anderen Behandlungen.

“Wenn du deinem Körper respektvoll begegnest, wenn du lernst, deinen Geist objektiv zu betrachten die Realität deiner inneren Welt zu akzeptieren, dann ziehst du die meisten Vorteile aus dem Yoga.”

Eine Frau praktiziert Yoga auf einem Berg.

Bewegungsarten, die deine Gesundheit verbessern können

Einige asiatische und anderswo angesiedelte Schulen konzentrieren sich darauf, das Bewusstsein für die Bewegung und den gegenwärtigen Moment zu erhöhen. Dies sind Fähigkeiten, mit denen Menschen häufig Probleme haben, wenn sie ein Trauma erfahren haben. Kampfkünste wie Aikido, Judo, Taekwondo, Jiu Jitsu und Capoeira – letztere stammt aus Brasilien – können dir genau dabei helfen. Sie alle vereinen körperliche Bewegung, Atmung und Meditation. Auch Yoga, Tai Chi, Qigong oder rhythmisches Trommeln aus Afrika bestärkten die Überzeugung, dass Selbsterkenntnis den Weg zur Verbesserung ebnet.

Jon Kabat-Zinn ist einer der Pioniere auf diesem Gebiet, welches versucht, die Kommunikationswege zwischen Körper und Geist effektiver zu nutzen. 1979 gründete er die Stress Reduction Clinic mit dem Ziel, den Menschen zu helfen, ihr Selbstbewusstsein zu stärken.

“Wenn du aufhörst, dich selbst größer zu machen, als du bist, aus Angst, dass du weniger wärst, als du bist, wird das Leben mit demjenigen, der du wirklich bist, viel leichter und glücklicher und einfacher.”

Jon Kabat-Zinn

Die Aufmerksamkeit auf deine körperlichen Empfindungen zu lenken, kann dir helfen, die Höhen und Tiefen deiner Emotionen zu identifizieren. Sobald du sie erkannt hast, wird es einfacher für dich sein, sie zu kanalisieren, denn das Training der Selbstwahrnehmung beruhigt das sympathische Nervensystem. Es verringert damit die Wahrscheinlichkeit einer Kampf-oder-Flucht-Reaktion. Dies bedeutet, dass das Körperbewusstsein dir hilft, Gefühle oder Impulse loszulassen, die dich momentan noch lähmen.

Eine Frau praktiziert Yoga in einem Wald.

Deine Welt der Sinne kommt vor dir zum Zug

Du kannst dich nicht vollständig heilen, wenn du dich in deiner eigenen Haut nicht sicher fühlst. Wenn du deine körperliche Anspannung jedoch überwindest, wirst du auch deine Gefühle ausleben können. Bewegung hilft dir, tiefer zu atmen und diese Spannungen aus deinem Körper zu vertreiben. Diese Strategie funktioniert bei missbrauchten Kindern, Soldaten mit posttraumatischen Belastungsstörungen, Opfern von sexuellem Missbrauch, Flüchtlingen, etc. Alle ihre Geschichten sind ein Beweis dafür, wie effektiv expressive Therapien sein können.

Unterstützung und Anerkennung für neue therapeutische Behandlungen werden allerdings nur verteilt, wenn ihre Effektivität wissenschaftlich bewiesen werden kann, aber das kann erfahrungsgemäß dauern: Von der Entdeckung des Penicillins im Jahre 1928 bis zum Verständnis von dessen Wirkungsweise im Jahre 1965 vergingen fast vier Jahrzehnte.


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