Die VERA-Methode zur Ableitung von Täterprofilen

Die VERA-Methode zur Ableitung von Täterprofilen
Gema Sánchez Cuevas

Geprüft und freigegeben von der Psychologe Gema Sánchez Cuevas.

Geschrieben von Sonia Budner

Letzte Aktualisierung: 14. Februar 2023

VERA leitet sich von den spanischen Wörtern für Opfer, Tatort, Rekonstruktion und Täter ab. Die gleichnamige Methode findet Anwendung in Fällen von Mord, Totschlag, Entführung, bei Überfallen und sexuellen Übergriffen, sowohl wenn sich dabei um Einzeltaten handelt, als auch wenn nach Serientätern gesucht wird.

Täterprofile sind ein essenzielles Werkzeug in der polizeilichen Untersuchungsarbeit. In verschiedenen Einheiten und Ländern kommt diesbezüglich die VERA-Methode zum Einsatz, auch wenn dafür aus sprachlichen Gründen zuweilen andere Kürzel verwendet werden. Die ursprüngliche VERA-Methode wurde von Juan Enrique Soto Castro entwickelt, dem einstigen Leiter der Abteilung für Verhaltensanalyse der spanischen Nationalpolizei und späteren Chef dieser Polizeibehörde. Soto Castro ist Polizist, hat selbst umfangreiche Erfahrungen der Aufklärung von Verbrechen gesammelt, und er ist Psychologe.

Die VERA-Methode wurde von ihm eingeführt und ist inzwischen zu einem unverzichtbaren Mittel geworden, um Täterprofile für schwere Verbrechen, wie sie oben genannt wurden, abzuleiten. Diese Methode baut auf psychologischen Konzepten und Prinzipien auf, auf Studien zu polizeilichen Ermittlungen und der persönlichen Erfahrung des jeweiligen Polizeibeamten.

Die Beweisaufnahme – eine Zusammenstellung von Daten

Während der Beweisaufnahme und Zusammenstellung von Daten zum jeweiligen Verbrechen wird jeder einzelne Information einem bestimmten Bereich zugeordnet. Auf der einen Seite haben wir die Daten, die zum Opfer gehören, auf der anderen Angaben zum Tatort und Hinweise auf den Täter. Weitere Bereiche können definiert werden, wenn das aufzuklärende Verbrechen es erfordert. Um die Zuordnung auch später noch nachvollziehen zu können, wird sie schriftlich festgehalten, wobei die einzelnen Daten mit einem individuellen Code identifiziert werden.

Dieser Code beginnt mit einem “D” für “Daten”. Der zweite Buchstabe bezeichnet den Bereich, etwa “O” für “Opfer” und “T” für Täter. Je nach Polizeibehörde können die genauen Bezeichnungen unterschiedlich ausfallen. Schließlich wird dem einzelnen Beweisstück bzw. der Information eine fortlaufende Nummer zugeschrieben.

Es ist wichtig, dass bei der Ordnung der Beweise sorgfältig vorgegangen wird, damit wichtige Hinweise auf Tathergang und Täter nicht in den Akten verschwinden.

Sorgfalt bei der Beweisaufnahme

In der sich anschließenden Phase der Ermittlungsarbeit wird versucht, aus den vorliegenden Hinweisen Schlüsse zu ziehen. Es stimmt zwar, dass die meisten Verbrechen recht komplexe Angelegenheiten sind, aber sie sind stets von einem roten Faden durchzogen. Es gibt einen Zusammenhang zwischen den gesammelten Daten und es ist die Aufgabe des Ermittlerteams, sie so zu einer Geschichte zusammenzufügen, dass sich die Tat rekonstruieren lässt. Dazu müssen die gesammelten Informationen sowohl einzeln als auch gemeinsam analysiert werden.

Wie schon in der Beweisaufnahme werden auch die hier gezogenen Schlussfolgerungen schriftlich festgehalten und katalogisiert. Eine verbreitete Methode der Kodifizierung besteht in der Verwendung des Buchstabens “S” für “Schluss” und einem weiteren Buchstaben für den jeweiligen Bereich, den er betrifft. So könnte “SO” für einen Schluss bezüglich des Opfers und “ST” für eine mögliche Assoziation mit dem Täter stehen. Da sie die Basis für die weitere Aufarbeitung des Verbrechens darstellen, muss bei der Erarbeitung von Schlüssen unbedingt objektiv vorgegangen werden.

Es ist dennoch möglich, dass sich bestimmte Schlüsse widersprechen – es handelt sich schließlich um Ableitungen, nicht um bewiesene Tatsachen. In diesem Sinne ist es oft notwendig, einen Teil der Schlüsse zu verwerfen, wenn neue Beweise das erfordern.

Bei Abschluss dieser Phase der polizeilichen Untersuchungsarbeit liegt den Beamten eine Reihe an Schlüssen vor, aus denen nun Hypothesen abzuleiten sind. Im Idealfall ist die Beweislage so klar, das nur eine einzige Hypothese formuliert werden muss. Bei schweren Verbrechen ist das jedoch selten der Fall und es wird erforderlich, verschiedene Hypothesen aufzustellen und wiederum zu klassifizieren. Jede einzelne Hypothese wird mit dem Buchstaben “H” und einer individuellen Nummer gekennzeichnet.

Diese Hypothesen sind die Grundlage der Erstellung eines Täterprofils. Dabei ist zu beachten, dass sich Hypothesen nicht nur aus Schlüsseln ableiten, sondern auch auseinander. Die Entwicklung der Hypothesen erfolgt also progressiv.

Erstellung des Täterprofils

Die anfänglich gesammelten Daten umfassen auch die Eigenschaften des Opfers, denn für die Erstellung eines Täterprofils ist es wesentlich, die Frage zu beantworten, warum eben diese Person zum Opfer wurde. Wurde sie zufällig ausgewählt? Gehört sie zu einer bestimmten Gruppe an Personen, die gewisse Eigenschaften teilen? Oder zielte der Täter genau auf dieses eine Individuum ab? Die Untersuchung des Tatorts und mit ihm in Bezug stehender Szenen können wertvolle Informationen liefern, um diese Fragen zu klären.

Die Rekonstruktion des Tathergangs führt zur Klärung des Modus operandi, der Inszenierung, des Rituals oder persönlichen Siegels des Täters. Es geht darum, zu verstehen, wie das Verbrechen geschehen ist, um daraus auf die Interaktion zwischen Täter und Opfer zu schließen. Diese wiederum dient als Basis für die Analyse des Verhaltens des Täters. Jener abstrakte Teil der Ermittlungsarbeit basiert auf psychologischen Theorien, auf Studien und Untersuchungen im Bereich der Psychologie und Kriminologie.

Der Sammlung von Hinweisen zum Täter wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet, denn Schlüsse und Hypothesen die sich daraus ergeben erlauben eine präzisere Verhaltensanalyse. So kann schließlich ein mehr oder weniger exaktes Bild des Täters präsentiert werden – was seine Physe und Psyche betrifft. Mit jedem Schritt, den die Ermittler gehen, erhöht sich die “Auflösung” jenes Bildes vom Täter.

Weiteres zur VERA-Methode

Die VERA-Methode ist eine progressive und kumulative Methode. Die zuvor erklärten Phasen der Ermittlungsarbeit überschneiden sich oft. Die Arbeit mit Schlüssen und Hypothesen mag zu neuen Beweisen führen, die wieder aufgenommen und katalogisiert werden müssen. Das erlaubt weitere Schlüsse und eine Neubewertung der bisherigen sowie die Erstellung neuer Hypothesen. Wenn wir noch einmal die Metapher des Bildes vom Täter bemühen wollen, dann gleicht die polizeiliche Untersuchungsarbeit der eines Zeichners, der auch mal zum Radiergummi greift, um zu korrigieren, was nicht länger zum Motiv passt. Er tut dies so lange, bis das Täterprofil ausreichend genau erarbeitet ist und der Verbrecher identifiziert werden kann.

Vernehmung eines Zeugen

Die VERA-Methode hat sich als äußerst effektiv erwiesen, was die Erstellung psychologischer Täterprofile angeht. Aber nicht nur für die Aufklärung einzelner Fälle ist sie nützlich: Der Abschluss der Verhaltensanalyse bietet sich selbst nach Festnahme und Verurteilung des Täters an, um die polizeilichen Statistiken zu vervollständigen. Taten und Tathergänge lassen sich dabei bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen zuordnen, was für den Erfolg zukünftiger Ermittlungen entscheidend sein kann.

Ein ähnliches Ziel wird verfolgt, wenn das erstellte Täterprofil mit dem realen Persönlichkeitsprofil des nun zur Verfügung stehenden Täters abgeglichen wird. So lässt sich die Präzision dieses Werkzeugs, gewissermaßen die Zeichentechnik, immer weiter verbessern. Tatsächlich wird bei der Erstellung eines Täterprofils immer auch auf vergangene Fälle mit ähnlichen Merkmalen zurückgegriffen.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.