BeReal, die App, die verspricht, dass du dich besser fühlst

Nutzt du BeReal? Diese Anti-Instagram-App wirbt mit Authentizität und psychischem Wohlbefinden. Doch kann sie dieses Versprechen auch halten?

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 05. März 2023

Traust du dich, in weniger als zwei Minuten ein paar Fotos mit deiner Front- und Rückkamera zu machen? Das resultierende Bild kann nicht bearbeitet werden, hat keine Filter und wird sofort in deiner Follower-Gruppe veröffentlicht. Du kannst auch nicht auf deine Galeriefotos zurückgreifen, bei denen jede Aufnahme untersucht und verändert werden kann, um ein außergewöhnliches (aber unwirkliches) Ergebnis zu erzielen. BeReal ist eine neue Plattform, mit Authentizität und guten Gefühlen wirbt. Doch hält sie tatsächlich, was sie verspricht?

Sei real, ohne Angst und ohne Masken, und teile jeden Augenblick deines Lebens, so wie er tatsächlich ist: Im Pyjama beim Frühstück, schlecht gelaunt vor deinen Büchern, bei einer Tasse Kaffee oder ungeschminkt im Jogginganzug. Das Ziel ist, das reale Leben in einem sozialen Netz widerzuspiegeln. Die App will außerdem das psychische Wohlbefinden verbessern. Doch ist tatsächlich alles so idyllisch, wie die Entwickler versprechen?

BeReal, das neue Anti-Instagram

Während Instagram oder TikTok alle User einladen, das Beste von sich zu zeigen, will BeReal authentische, einfache und reale Fotos ohne Filter und Masken. Diese App wünscht sich, dass sich Nutzerinnen und Nutzer so zeigen, wie sie wirklich sind. Barreyat und Perreau stellten dieses soziale Netzwerk am 21. Dezember 2019 vor, mit der sie eine Wendung in Social Media erzielen möchten. Doch sind wir tatsächlich gewillt und bereit, unser wahres Leben zu zeigen? 

Wie funktioniert BeReal?

Dieses soziale Netzwerk ist sehr einfach. Nach der Anmeldung erhält die Nutzerin oder der Nutzer Benachrichtigungen mit der Einladung, Fotos zu machen und zu teilen: ein Foto mit der Frontkamera, ein weiteres mit der Rückkamera. Es geht darum, zu zeigen, was du in diesem Augenblick gerade machst. Es gibt keine Filter oder Bearbeitungsmöglichkeiten, denn die Fotos werden in Echtzeit (Zeitrahmen von 2 Minuten) veröffentlicht. Solltest du das Foto erst später teilen, werden die anderen User informiert.

Authentizität als Ziel

In sozialen Netzwerken wissen wir nie, welche Bilder authentisch sind und was alles verändert wurde. Auf Instagram oder TikTok haben wir das Gefühl, dass alles Fake ist oder durch Filter manipuliert wurde. Wir wissen auch, dass der soziale Vergleich auf diesen Plattformen sehr negative Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl hat und Ängste oder psychologische Störungen auslösen kann. Eine Studie der Universität Singapur unterstreicht diese Tatsache ebenso wie die Notwendigkeit, die digitale Bildung zu verbessern, um die psychische Gesundheit junger Menschen zu gewährleisten.

BeReal geht davon aus, dass das authentische Selbst unter den richtigen Bedingungen offengelegt werden kann. Dadurch können mehr Menschen dazu gebracht werden, dieser Idee zu folgen, die über kurz oder lang Fakes und verzerrte Bilder in den beliebtesten sozialen Netzwerken reduzieren könnte.

Wird BeReal das soziale Netzwerk der Zukunft sein? Pro und Contra

Wenn man bedenkt, dass die Nutzerzahlen von BeReal seit Januar dieses Jahres um mehr als 2.154 % gestiegen sind, ist der Erfolg dieser App nicht zu leugnen. Doch abgesehen von den Gewinnen, die dieses französische Unternehmen zweifellos macht, sollten wir die psychologischen Auswirkungen näher betrachten.

In einer digitalen Landschaft, die von Instagram und TikTok beherrscht wird, könnte BeReale eine positive Wendung darstellen. Das Versprechen, authentisch zu sein, klingt interessant, doch was verbirgt sich dahinter? Fühlen sich die User und Userinnen tatsächlich besser, weil sie normale, unvollkommene und unbearbeitete Bilder sehen, die der Tendenz zur Perfektion entgegenwirken?

Wir möchten folgende Aspekte hervorheben:

• Diese App zielt wie TikTok auf sehr junge Menschen ab: Sie wird ab 13 Jahren empfohlen und ist in dieser Altersgruppe sehr beliebt. Die veröffentlichten Bilder können nicht nur zwischen Freunden ausgetauscht, sondern auch mit der Öffentlichkeit geteilt werden. Es kann also praktisch jeder sehen, wo sich eine Person gerade aufhält und was sie macht.
• Die User können die Zeit der Veröffentlichung des Fotos nicht selbst bestimmen, denn wenn es erst später geteilt wird, ist es nicht mehr authentisch. Sie haben keine Kontrolle über den Zeitpunkt und werden dazu gedrängt, Fotos zu teilen. Jeder Nutzer kann natürlich selbst entscheiden, ob er teilnimmt oder nicht, doch es ist ein gewisser Druck vorhanden. Wer sehen möchte, was andere veröffentlichen, muss auch selbst Fotos ins Netz stellen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Nachricht “Es ist Zeit für ein BeReal” auch in bildschirmfreien Zeiten, beim Abendessen oder bei anderen Aktivitäten eintreffen kann. Auch wenn täglich nur eine Nachricht kommt, haben die User oft den Wunsch, das Handy immer zur Hand zu haben, da sie ja den Zeitpunkt der Einladung nicht kennen.
• Es kommt immer wieder vor, dass auf den Fotos auch Personen zu sehen sind, die nichts davon wissen und sich nicht in sozialen Netzwerken wiederfinden möchten. Die User sollten immer genug Zeit haben, die Fotos vor dem Teilen noch einmal zu prüfen, um die Rechte anderer nicht zu verletzen. Sie sollten natürlich auch überlegen, ob sie sich selbst in gewissen Räumen oder Posen zur Schau stellen möchten, denn jeder kann Screenshots machen und die Fotos danach nach Belieben teilen.
• Die meisten verwenden gleichzeitig andere Apps wie TikTok und verbringen viel Zeit in sozialen Netzwerken. Viele sind nicht bereit, ihr wahres Ich zu zeigen und bevorzugen die unrealistische, verzerrte Welt der Filter und der Perfektion, verwenden BeReal jedoch als zusätzliches Spielzeug.

Die Idee von BeReal ist positiv, schließlich möchte sie der Online-Perfektion entgegenwirken. Doch in Wahrheit verbirgt diese App gewisse Gefahren, über die Nutzerinnen und Nutzer unbedingt Bescheid wissen sollten.