Wie verändert sich das Gehirn im Alter?

Erfahre, wie sich das Gehirn mit zunehmendem Alter verändert und welche Strategien dir helfen, es möglichst lange fit zu halten.
Wie verändert sich das Gehirn im Alter?
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 20. Juli 2023

In den vergangenen 150 Jahren hat sich unsere Lebenserwartung mehr als verdoppelt. Sie liegt in Deutschland bei Männern bei gut 78 Jahren und bei Frauen bei über 83 Jahren. Der Degenerationsprozess des Gehirns beginnt im Durchschnitt jedoch bereits ab dem 30. bis 40. Lebensjahr. Ab einem Alter von 60 Jahren nehmen die kognitiven Fähigkeiten schließlich ab. Doch wie verändert sich das Gehirn im Alter und welche Strategien können diesen Prozess effektiv verlangsamen?

Ein aktiver Lebensstil, kognitives Training, das tägliche Lernen neuer Dinge sowie soziale Kontakte sind wichtige Voraussetzungen für eine gute kognitive Gesundheit. Erfahre anschließend Wissenswertes über dieses Thema.

“Gehirne sind wie Fingerabdrücke. Wir alle haben einen, aber jeder ist anders.”

David Eagleman¹

Wie sich das Gehirn im Alter verändert

Mit zunehmendem Alter werden die Haare grau, es bilden sich Falten im Gesicht und der Körper wird allmählich zerbrechlicher und schwächer. Auch das Gehirn und unsere kognitiven Fähigkeiten verändern sich, dieser Prozess ist jedoch sehr langsam. Eine in der Zeitschrift Nature veröffentlichte Studie zeigt, dass sich die Anzahl der Stammzellen im Gehirn allmählich verringert. Wir schauen uns anschließend die Veränderungen im Gehirn etwas genauer an.

Verlust an Hirnvolumen

Mit zunehmendem Alter reduzieren sich Volumen und Masse des Gehirns, da neuronale Verbindungen verloren gehen. Dabei sind unter anderem folgende Prozesse zu beobachten:

  • Im Frontallappen und Hippocampus geht am meisten Volumen verloren.
  • Das Volumen des Frontallappens kann um bis zu 12 % abnehmen (DeCarli et al., 2005).
  • Die Ausdünnung der Kortikalis wird mit einer langsameren Informationsverarbeitung in Verbindung gebracht.
  • Der Rückgang dieser Regionen äußert sich auf kognitiver Ebene durch eine Beeinträchtigung von Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Konzentration.

Veränderungen in der weißen Substanz

Die weiße Substanz ist einer der tiefsten Bereiche des Gehirns. Sie besteht aus myelinumhüllten Nervenfasern, die die Kommunikation zwischen verschiedenen neurologischen Regionen unterstützen. Eine in der Zeitschrift Brain Pathology veröffentlichte Studie sowie andere Forschungen zeigen, dass im Alter häufig Läsionen in dieser Region auftreten.

Anatomische Veränderungen in dieser Struktur sind auf vaskuläre Probleme, Depressionen und mögliche Anzeichen von Demenz zurückzuführen. Diese kleinen Läsionen in der weißen Substanz führen zu Einschränkungen beim Verstehen und Verarbeiten von Reizen.

Veränderungen der neuronalen Struktur

Wie sich das Gehirn im Alter verändert, hat viel mit der Biochemie unserer Nervenzellen zu tun. Eines der häufigsten Phänomene ist die Ansammlung von überschüssigen Proteinen. Viele hören auf, funktionsfähige Synapsen zu bilden, andere verkümmern graduell.

Es ist wichtig zu wissen, dass dies ein Teil des natürlichen Alterungsprozesses ist: Nicht alle diese Veränderungen haben mit einer neurodegenerativen Erkrankung zu tun.

Andererseits gibt es auch eine Reihe von Funktionsstörungen, die mit dem Alter einhergehen und ebenfalls nicht immer pathologisch sind. Zu diesem Schluss kommen zumindest die Fachleute der Abteilung für Neurologie der Hangyang Universität in Seoul. Hier ist eine Liste mit einigen dieser Leiden:

  • Mitochondriale Dysfunktion
  • Veränderungen in der zellulären DNA
  • erhöhte Entzündungsreaktionen
  • Beeinträchtigung der adaptiven Stressreaktion
  • Veränderungen in der Freisetzung und Produktion von Neurotransmittern
  • Beeinträchtigung der zellulären Abfallentsorgungsmechanismen

Die Aktivität der Amygdala ist geringer

Bei vielen älteren Menschen ist eine größere Gelassenheit und eine positivere Stimmung zu beobachten. Das ist sicherlich interessant, denn dieser Faktor könnte laut Wissenschaft auf ein neurologisches Phänomen zurückzuführen sein, das mit dem Altern zusammenhängt. Es hat sich gezeigt, dass mit dem Alter die Hyperaktivität der Amygdala abnimmt (Cacciopo et al., 2011).

Diese Region des limbischen Systems, die für die Regulierung unserer emotionalen Reaktionen zuständig ist, zeigt eine Veränderung ihrer Funktionalität, die sich positiv auf unser Wohlbefinden auszuwirken scheint. Dies könnte dazu beitragen, dass wir im Alter ein geringeres Risiko haben, an Depressionen zu erkranken.

Die Amygdala ist mit zunehmendem Alter tendenziell weniger aktiv. Dies führt zu einer geringeren emotionalen Reaktivität und einer besseren Regulierung der depressiven Symptome.

Geringere Plastizität des Gehirns

Die Plastizität des Gehirns bezeichnet die Fähigkeit dieses Organs, sich zu verändern und sich an neue Gewohnheiten und Erfahrungen anzupassen. Interessanterweise verändert sich diese wichtige Fähigkeit mit dem Alter. Das kann sich auf folgende Weise auswirken:

  • Probleme beim Erlernen neuer Fähigkeiten
  • Einschränkung der Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Situationen
  • Erhöhte Schwierigkeit, auf alltägliche Probleme und Herausforderungen zu reagieren

Obwohl die Plastizität mit dem Alter abnimmt, kann sie durch gute Lebensgewohnheiten gefördert werden. Ein Artikel in der Zeitschrift Aging weist darauf hin, dass ältere Menschen eine gute kognitive Stimulation und neue Herausforderungen benötigen, um diese Fähigkeit zu erhalten.

Um die Plastizität des Gehirns zu verbessern und die kognitiven Fähigkeiten zu erhalten, ist es wichtig, Neues zu lernen, den Geist zu trainieren und soziale Kontakte zu pflegen.

Schlüssel zur Förderung und Pflege der Gehirngesundheit

Einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Neurowissenschaften ist zweifelsohne David Eagleman. Sein Buch Livewired: The Inside Story of the Ever-Changing Brain² ist eine Referenz für ein besseres Verständnis der Mechanismen der Gehirnplastizität. Du entdeckst darin auch die Mechanismen seiner Veränderungen und die Geheimnisse seiner Funktionsweise.

Dieses Werk zeigt unter anderem auf, dass die Art und Weise, wie sich das Gehirn mit zunehmendem Alter verändert, viel mit unseren Lebensgewohnheiten und dem Kontext, der uns umgibt, zu tun hat. Es gibt zwar Faktoren, auf die wir keinen Einfluss haben (z. B. die Entwicklung einer neurodegenerativen Krankheit), aber wir können immer etwas tun, um die Gesundheit unseres Gehirns zu fördern. Einige Schlüssel sind:

  • Kümmere dich um deine geistige Gesundheit.
  • Achte auf deine Ernährung.
  • Stimuliere deine Neugierde.
  • Lerne jeden Tag etwas Neues.
  • Fördere deine emotionale Intelligenz.
  • Lerne Techniken zur Stressregulierung.
  • Mache Übungen zur kognitiven Stimulation.
  • Lies oder lerne, ein Musikinstrument zu spielen.
  • Genieße soziale Kontakte, lerne neue Leute kennen.
  • Praktiziere einen aktiven Lebensstil, gehe spazieren, treibe Sport.
  • Setze dir Ziele und Herausforderungen; höre nie auf, auf ein Ziel hinzuarbeiten.

Schütze dein Gehirn

Abschließend laden wir dich ein, diese Tipps in die Praxis umzusetzen, um deine kognitiven Fähigkeiten möglichst lange zu bewahren.

▶ Lese-Tipps

  1. The Brain: Die Geschichte von dir, David Eagleman, Panntheon Verlag 2017
  2. Livewired: The Inside Story of the Ever-Chaning Brain, David Eagleman, Canongate Books 2021

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