Wenn psychische Störungen Häuser wären, wie sähen sie aus?

Wenn psychische Störungen Häuser wären, wie sähen sie aus?
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 24. April 2023

Wenn psychische Störungen Häuser wären, dann wäre das “Depressionshaus” wohl das einsamste. Das “Angsthaus” wäre ein erstickendes Gefängnis. Das “Schlaflosigkeitshaus” wäre voll von Uhren ohne Stunden- oder Minutenzeiger, weil die Zeit darin still stünde. Das dachte sich zumindest Federico Babina. Babina ist ein italienischer Architekt, der uns zeigen wollte, wie es aussähe, wenn unsere Gedankenwelten plötzlich zu realen Welten würden.

Jeder Mensch, der jemals unter einer psychischen Störungen gelitten hat, wird sich zweifellos mit diesen interessanten und beeindruckenden Kunstwerken identifizieren können. Du musst allerdings keine dieser Störungen am eigenen Leib erlebt haben, um sie zu verstehen. Denn jeder wird sie begreifen, der jemals Kontakt hatte zu einem Menschen mit Morbus Alzheimer, einer Autismus-Spektrum-Störung, einer Phobie oder chronischer Schlaflosigkeit.

“Psychischer Schmerz ist weniger dramatisch als körperlicher Schmerz, aber er ist häufiger. Und schwerer auszuhalten.”

C. S. Lewis

Die Metapher zu nutzen, dass psychische Störungen wie Orte seien, wo Leute in der Falle sitzen, isoliert oder verloren seien, ist nicht ungewöhnlich. Aber unabhängig davon, wie offensichtlich dies den meisten Lesern erscheinen mag, gibt es doch diejenigen, die es nicht sehen oder verstehen wollen. Psychische Störungen – ob es uns nun gefällt oder nicht – sind immer noch ein Tabuthema in unserer Gesellschaft.

Abgesehen davon hat die Gedankenwelt eines jeden Menschen dicke Mauern, die sie von der Welt trennen. Das stellt sich jedenfalls Federico Babina so vor. Er möchte seine Kunst dazu benutzen, die Herausforderungen, die psychische Störungen mit sich bringen, in Bilder zu verwandeln. Sein Projekt heißt “Archiatric”. Es lohnt sich, einen Blick darauf zu werfen.

Psychische Störungen

1. Depression

Betrachten wir zunächst eine der häufigsten psychischen Störungen, die Depression. Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnete die Depression jüngst als Epidemie. In den nächsten Jahren könnte die Depression eine der hauptsächlichen Ursachen für Invalidität werden.

Viele Menschen wissen nicht, dass durch eine Depression gleichzeitig das Risiko für Herzerkrankungen, Diabetes mellitus und Medikamentenmissbrauch steigt. Die Depression ist eine ernste Sache. Sie beeinträchtigt die Lebensqualität beträchtlich und verschlingt alles um sie herum.

Depression vom italienischen Architekten Babina dargestellt

2. Angststörung

Angst ist für Federico Babina wie ein Haus, das mit Ketten umhüllt und mit Stacheldraht eingezäunt ist. Es sperrt seine Bewohner in ein Gefängnis und erstickt sie darin. Wie du sehen kannst, stellt der Künstler die Angst als ein Haus ohne Fenster oder Türen dar. Die Angst schnürt dich ein und lässt dich ausweglos zurück …

Angst vom italienischen Architekten Balbina dargestellt.

3. Schizophrenie

Nun wenden wir uns der Schizophrenie zu, einer gravierenden psychischen Störung, die mit fortschreitendem psychologischen Zerfall einhergeht. Fähigkeiten werden gemindert, die in Zusammenhang mit  Wahrnehmung, Informationsverarbeitung, logischem Denken, Willenskraft und Gefühlen stehen.

Der Verstand ist in Stücke gebrochen. Ungeordnet zerfällt er langsam, auf eine schreckliche und nicht mehr zu reparierende Weise. Federico Babina zeigt diesen Vorgang sehr gut im folgenden Bild: Du kannst den Hausbewohner erkennen, wie er am Dachvorsprung des zusammenbrechenden Hauses hängt.

Man darf nicht vergessen, dass die Schizophrenie auch ein Frühstadium der Demenz sein kann. Was viele Leute zudem nicht wissen, ist, dass Menschen mit dieser Störung für gewöhnlich vorzeitig sterben.

Schizophrenie vom italienischen Architekten Balbina dargestellt.

4. Morbus Alzheimer

Morbus Alzheimer ist eine bekanntesten degenerativen Erkrankungen und wahrscheinlich jene, die uns am traurigsten stimmt. Sie hat eine enorme Auswirkung auf die Familie der betroffenen Person und heutzutage gibt es immer noch keine Chance auf Heilung. Der Wandel ist unaufhaltbar.

Wenn Morbus Alzheimer ein Haus wäre, sähe sie wie ein verfallendes Gebäude aus. Ein Heim, das einst sehr schön war. Jetzt aber wird es von Rissen durchzogen. Es vermodert und löst sich langsam auf.

Alzheimer vom italienischen Architekten Balbina dargestellt.

5. Autismus-Spektrum-Störung

Zuletzt betrachten wir noch die Autismus-Spektrum-Störung, eine entwicklungsbedingte neurobiologische Störung. Wie die medizinische Terminologie schon erahnen lässt, ist jeder betroffene Mensch auf einem bestimmten Punkt des weiten Spektrums verortet. Keine zwei Kinder und keine zwei Erwachsene zeigen die gleichen Merkmale. Jedes Individuum weist wiederkehrende Verhaltensmuster auf. Das jeweilige intellektuelle Vermögen und der Gebrauch von Sprache weichen allerdings stark voneinander ab.

Was viele Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen dennoch gemeinsam haben, ist die gesellschaftliche Isolation. Wenn sie also ein Haus wäre, könnte man sie in der Tat als Haus darstellen, das von einem weiteren Haus beherbergt wird. Mit anderen Worten: Sie ist wie ein psychologisches Labyrinth.

Autismus vom italienischen Architekten Balbina dargestellt.

Zusammengefasst lässt sich sagen, wie du in Federico Babinas Arbeit erkennen kannst, dass sich psychische Störungen auf vielerlei Art und Weise ausdrücken lassen. Alle haben jedoch eines gemeinsam: das Leid und die Isolation. Menschen mit diesen Störungen, Individuen mit Namen und Persönlichkeiten, sind manchmal der Ansicht, dass die Wände ihres eigenen Hauses sie unaufhaltsam immer weiter einengen würden.

Wenn unsere geneigte Leserschaft am Schluss noch mehr über die Arbeiten dieses Architekten und sein Projekt “Archiatric” wissen will, gibt es nachfolgend noch ein Video zum Anschauen:

https://www.youtube.com/watch?v=a3fTw-xzEM4


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.