Wieder in Trauer: Wenn wir keinen Ausweg aus dem Tunnel finden

Wieder in Trauer: Wenn wir keinen Ausweg aus dem Tunnel finden
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 15. November 2021

In Trauer zurückfallen, das passiert häufiger, als wir vielleicht denken. Anstatt diese Entwicklung als einen Rückschritt zu sehen, sollten wir sie als eine manchmal zu erwartende Tatsache, als etwas Normales innerhalb des Trauerprozesses betrachten. Zwei Schritte zurückzugehen, kann ab und an die beste Strategie sein, um Auftrieb zu finden. Letztendlich ist es doch so, dass niemand innerhalb von zwei Tagen einen Ausweg aus diesem Tunnel findet. Es ist eine lange Reise, auf der es normal ist, zwischendurch stillzustehen und auch mal ein paar Schritte zurückzukehren.

Jeder Therapeut, der Erfahrungen mit der Behandlung von Depressionen, Angststörungen, Süchten und anderen mentalen Erkrankungen hat, weiß, dass seine Patienten einen gut durchdachten Präventionsplan benötigen, um auf Rückfälle reagieren zu können. So wie es der Spezialist weiß, ist es wichtig, dass sich auch der Patient darüber im Klaren ist, dass Rückfälle möglich sind.

„Deine Gefühle sollten dich nicht paralysieren. Sie sollten sich nicht selbst verteidigen. Sie sollten dich nicht daran hindern, all das zu sein, was du sein kannst.“

Wayne W. Dyer

Wer trauert, hofft, dass dieser Zustand, der manchmal sehr hart und fast unmöglich zu ertragen ist, so schnell wie möglich vorbeigehen möge. Er wünscht sich vor allem, dass bald der Moment kommt, in dem er endlich wieder atmen kann, ohne dass es ihm wehtut, dass der Tag naht, an dem er mehrere Stunden am Stück schlafen kann, ohne tränenüberströmt aufzuwachen. Wir nehmen den Heilungsprozess als eine gerade Linie wahr, auf der wir mit jedem Schritt nach vorn die Distanz zu dem in unendlich weiter Ferne erkennbaren Ziel verringern.

Deshalb ist es wichtig, dass wir verstehen, dass das nicht immer so funktioniert. Es ist häufig der Fall, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt die gerade Linie verlassen und einen Umweg nehmen, oder was noch schmerzhafter ist, zum Ausgangspunkt der Trauer zurückkehren. Um das zu vermeiden, ist es notwendig, uns mit Werkzeugen auszurüsten, mit denen wir uns beschützen und uns wieder Wind unter die Flügel kommen lassen können.

Herbstblatt, das in einer Pfütze liegt

Wieder in Trauer: Wieso passiert das?

Laut einer in der Zeitschrift Biological Psychiatry  veröffentlichten Studie bestimme die Art und Weise, wie wir Informationen verarbeiten, darüber, ob wir in unserer Trauer zurückfallen. Beispielsweise konnte mithilfe von Magnetresonanz festgestellt werden, dass es verschiedene „Arten“ von Gehirnen gibt, wobei manche besser auf traumatische, komplexe oder herausfordernde Ereignisse reagieren als andere.

Es gibt Menschen, die die Trauerphase hinter sich bringen, weil sie resistenter, resilienter und gleichzeitig flexibler sind. Andere Menschen hingegen trauern langsamer und fallen immer wieder in ihre Trauer zurück, weil sie dazu neigen, das, worum sie trauern, immer wieder durchzugehen. Das führt sie an einen Punkt der Erschöpfung, zu einem Energieverlust, der dazu beiträgt, dass der Patient in seiner Trauer hängen bleibt und nur schwer Schritte nach vorn machen kann.

Dass es verschiedene Formen gibt, Informationen zu verarbeiten und dass sehr unterschiedliche Einstellungen existieren, bedeutet aber nicht, dass bestimmte Menschen dazu verdammt wären, immer wieder Rückfälle beim Trauern erleben zu müssen. Wenn es etwas gibt, dass wir über das Gehirn wissen, dann, dass seine Plastizität erstaunlich ist, dass wir es trainieren und anpassen können, um das abzubauen, was uns verletzlicher macht.

Das kann uns allen gelingen. Schauen wir uns nun nachfolgend an, wie wir das schaffen können.

Blaues, leuchtendes Gehirn

Strategien, um zu vermeiden, in der Trauer zurückzufallen

Wie wir bereits gesagt haben, wissen gute Psychologen, dass zwei Handlungspläne notwendig sind, um jegliche Erkrankung, Störung oder problematische Ereignis aufzuarbeiten: die Interventionsstrategie selbst und ein Präventionsplan, um Rückfälle zu vermeiden oder zumindest zu begrenzen und den Zustand aufrechtzuerhalten, in dem der Patient die notwendige Kraft findet, um weiterzumachen.

Nachfolgend möchten wir dich dazu einladen, über die folgenden Vorbeugungsmaßnahmen nachzudenken, die wir in unserem Alltag anwenden können.

Akzeptiere die Möglichkeit, dass du während deiner Trauer einen Rückfall erleidest

Manchmal zwingen uns unsere Lebensumstände dazu, erneut zu lernen, „zu gehen“. Ein Verlust, sei es ein physischer oder emotionaler Verlust, bringt Trauer mit sich, die uns herunterzieht und wegen der wir uns gezwungen sehen, uns neu zu erschaffen. Es ist die Trauer, wegen der wir lernen müssen, wieder aufzustehen und trotz allem weiterzugehen.

Bei diesem Prozess kommt es häufig vor, dass wir einen Schritt nach vorn und zwei Schritte zurück machen. Das sollten wir nicht als ein Problem oder einen Rückschritt sehen, der es uns unmöglich machen würde, voranzukommen. Wir sollten verstehen, dass wir manchmal einen Schritt zurückgehen müssen, um wieder neuen Auftrieb zu finden.

Rückfälle können viele Formen annehmen

Es ist wichtig, dass wir verstehen, wie sich Rückfälle zeigen. Wenn wir auf sie vorbereitet sind, können wir schneller auf sie reagieren.

  • Oft zeigt sich ein Rückfall durch Lustlosigkeit und schlechte Laune.
  • Ermüdung und fehlende Energie können ebenfalls Anzeichen dafür sein, aber wir können auch Unruhe und das Bedürfnis verspüren, immer etwas tun zu wollen. Wir wollen dann Vieles machen, um nicht nachdenken zu müssen.
  • Wir müssen auch achtgeben, ob bestimmte Substanzen im Übermaß konsumiert werden. Manche trauernde Menschen haben z. B. das verstärkte Bedürfnis, Alkohol zu trinken oder greifen sogar auf Medikamente zurück, um ihren Schmerz zu dämpfen.
Meditierende Frau am Meer

Mindfulness zur Vorbeugung von Rückfällen

Achtsamkeitsübungen sind für jeden sehr nützlich, der einen Trauerprozess abgeschlossen, eine Depression überwunden hat oder gerade dabei ist, eine Sucht zu überwinden. Mit diesen Übungen wird erreicht, dass derjenige, der sie praktiziert, mehr Kontrolle über seinen Geist erlangt und so einen mächtigen Kanal öffnet, um besser mit seiner Angst umgehen zu können. Darüber hinaus eignet sich Mindfulness besonders dafür, um negative Verhaltensweisen oder wiederkehrende Gedanken zu mindern und erzeugt innere Ruhe sowie eine bessere Regulierung von Gefühlen wie Wut, Frustration oder Traurigkeit.

Achtsamkeit stattet den Patienten mit den notwendigen Werkzeugen aus, um einen produktiven inneren Dialog, ein hinterfragendes Bewusstsein und die Verbindung zu sich selbst zu fördern, um Bedürfnisse, Ängste oder Sorgen aufzudecken, um im gleichen Moment darauf reagieren zu können.

Zum Schluss sollten wir nicht ungesagt lassen, dass Mindfulness-Übungen regelmäßig praktiziert und in unsere alltägliche Routine eingebaut werden sollten, damit sie uns wirklich etwas bringen und uns dabei unterstützen, einen Rückfall zu vermeiden.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.