Wenn zwanghafte Gedanken dein Leben leiten

Wenn zwanghafte Gedanken dein Leben leiten
Adriana Reyes Zendrera

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Adriana Reyes Zendrera.

Letzte Aktualisierung: 21. Dezember 2022

Gedanken spielen in unserem Leben eine sehr wichtige Rolle, weil sie uns dabei helfen, zu verstehen, wie wir fühlen und handeln. Sie ermöglichen es uns, nachzudenken und unserem Leben eine Bedeutung zu geben. Zum Problem werden sie, wenn wir beginnen, zwanghafte Gedanken zu fassen, die schließlich unser Leben dominieren. Nicht all unsere Gedanken sind hilfreich und es gibt Zeiten, in denen Gedanken schädlich wirken können.

Es gibt gewisse Gedanken, die ganz und gar nicht förderlich sind. Stattdessen blockieren sie uns und lassen uns verängstigt und überwältigt fühlen. Denke an eine Person, die sich fragt, ob sie die Tür verschlossen hat. Die nicht aufhören kann, darüber nachzudenken, obwohl sie es sogleich überprüft hatte, nachdem sie durch den Vorgarten gegangen war. Den Umgang mit wiederholenden Gedanken zu lernen kann in solchen Situationen entscheidend sein, um erneut geistige Gesundheit zu erreichen.

Zu viel zu denken ist anstrengend, zwanghafte Gedanken sind schädlich

Normalerweise widmen wir uns unseren Sorgen, indem wir versuchen, Lösungen für unsere Probleme zu finden. Auf diese Weise erarbeiten wir uns neue Perspektiven, die uns beim Umgang mit dem helfen, was vor sich geht. Doch dieser natürliche Prozess der inneren Reflexion findet nicht immer so statt, wie er es sollte. Anstatt uns Klarheit zu verschaffen, vernebelt er zuweilen unser Urteilsvermögen und zieht uns in eine Spirale negativer Gedanken. Diese werden zu Eindringlingen, besetzen unseren Verstand. Und wenn wir sie ignorieren, können sie am Ende zu Zwangsvorstellungen werden, die unser Leben erobern.

Vernebelter Kopf

Das Bedürfnis, über unsere Sorgen zu grübeln, kann in jeder Situation auftreten. Es könnte auf der Arbeit, beim Shoppen oder beim Zähneputzen aufkommen. Ohne, dass wir es bemerken, machen sich dann negative Gedanken in unserem Kopf breit und beeinflussen unsere Stimmung. Dabei sind negative Gedanken nicht immer zwanghafte Gedanken.

Zwanghafte Gedanken sind wiederkehrende und unfreiwillige Vorstellungen. Sie konzentrieren sich für gewöhnlich auf Sorgen, Befürchtungen und Ängste. Sie halten dich davon ab, dich auf die Gegenwart zu fokussieren. Angst und Stress sind die Hauptursachen von zwanghaften Gedanken, die schließlich auch dein Verhalten steuern können: Sagen wir, eine Person kann nicht damit aufhören, sich mit Bakterien zu beschäftigen. Wahrscheinlich putzt sie sehr oft und meidet Orte, die sie als schmutzig ansieht. Ihre negativen Gedanken können dann die Form von Vorstellungen annehmen, die immer wieder wiederholt und unkontrollierbar werden. Ein Zyklus wird erschaffen, aus dem nur schwer wieder hinauszufinden ist.

Es ist, als ob wären Betroffene in einem Wirbelsturm aus Gedanken gefangen, der sich mit überwältigender Macht dreht. Ihr Grübeln ist so intensiv, dass es sogar süchtig machen kann. Je mehr sie versuchen, mit dem Denken aufzuhören, desto größer wird die Anzahl an zwanghaften Gedanken.

Ist es normal, zwanghafte Gedanken zu haben?

Eine intensive Angststörung oder eine Phase des anhaltenden Stresses kann zu eindringlichen Gedanken führen, die augenblicklich unseren Alltag dominieren. Es ist normal, dass negative Gedanken Besorgnis und Zweifel erzeugen und umgekehrt. Alle Menschen erfahren das in gewissen Zeiten ihres Lebens. Abhängig davon, wie sie mit diesen Gedanken umgehen, können sie am Ende zu zwanghaften Gedanken werden. Stelle dir zum Beispiel eine Mutter vor, die sich vorstellt, dass jemand ihr Kind entführt. Wenn sie diesen Gedanken sofort verwirft, ist es ein intrusiver Gedanke, der ihr nicht wichtig ist und keine Zwangsvorstellung darstellt. Wenn er aber dazu führt, dass sie ihr Verhalten darauf ausrichtet, jene Entführung zu vermeiden, dann handelt es sich um einen zwanghaften Gedanken. 

Ein Gedanke wird pathologisch, wenn wir beginnen, ihm zu glauben und ihn nicht infrage stellen. Obwohl wir alle irgendwann Gedanken wie die oben beschriebene Mutter fassen, kommen sie häufiger bei Menschen mit einer Zwangsstörung vor. Menschen, die an einer Zwangsstörung leiden oder Angst erleben, können dabei verschiedene Arten von zwanghaften Gedanken haben. Deshalb werfen wir nun einen Blick auf die häufigsten zwanghaften Gedanken:

  • Bedenken darüber, zu erkranken, angesteckt zu werden, nicht sauber genug zu sein.
  • Das Bedürfnis, die Dinge auf eine bestimmte Weise zu organisieren; die Besessenheit von Symmetrie und Ordnung.
  • Gedanken dazu, die Tür offen gelassen oder den Herd nicht ausgeschaltet zu haben.
  • Grübelzwang, der mit sexuellen Übergriffen, Vergewaltigung usw. zu tun hat.
  • Besorgnis und Gefühle darüber, eine Gefahr darzustellen. Dies bezieht sich darauf, verletzt worden zu sein und andere verletzen zu können.
Frau blickt nach unten und fasst sich an den Kopf

Die Konsequenzen der Gefangenschaft in zwanghaften Gedanken

Diese Gedanken zehren voneinander und üben auf das Leben der Menschen einen negativen Einfluss aus. Da ist zum Beispiel der Mann, der davon besessen ist, seine Arbeit mehrere Male zu prüfen. Er kann niemals zufrieden mit dem Ergebnis sein. Deshalb kommt er jeden Tag sehr spät nach Hause.

Weitere mögliche Konsequenzen solcher zwanghaften Gedanken sind folgende:

  • Gewisse Dinge aus Angst vermeiden: Wenn uns eine Situation Angst macht, vermeiden wir es vielleicht, das Haus zu verlassen, mit dem Auto oder Rad zu fahren, Objekte zu berühren, die wir als schmutzig ansehen usw. Dies schränkt unser Alltagsleben ein und hindert uns daran, normal zu leben.
  • Immer wieder überprüfen, um sicher zu sein: Dies ist eine Art des Zwangs, der für eine Zwangsstörung typisch ist. Wenn wir die Haus- oder Autotür schließen und zehnmal überprüfen, ob sie verschlossen ist, ist das ein zwanghaftes Verhalten. Es beruhigt uns vorübergehend, doch in Wahrheit nährt es nur unsere Angst und Besessenheit.
  • Aktivitäten auf einen anderen Zeitpunkt verschieben: Die Idee, dass man etwas später tun könne, führt häufig dazu, dass man es letztendlich gar nicht tut. Stell dir zum Beispiel vor, dass du gärtnern möchtest, aber eine irrationale Angst davor hast, Spinnen zu sehen. Dieser Gedanke führt vielleicht dazu, dass du von jener Aktivität ablässt, für die du einst eine Leidenschaft hattest.
  • Das Bedürfnis, perfekt zu sein: Perfektionismus ist gefährlich. Sie kann dich verlangsamen, weil du mit ihr versuchst, das Unmögliche zu erreichen. Zum Beispiel wird eine Person, die von ihrer Arbeit besessen ist, wohl wichtige Momente mit ihrer Familie verpassen, weil sie zu sehr auf ihre Verpflichtungen auf der Arbeit fokussiert ist.

5 Schritte, um dich von deinen zwanghaften Gedanken zu befreien

Akzeptiere den Gedanken, statt zu versuchen, ihn zu unterdrücken

Jedes Mal, wenn du versuchst, deine zwanghaften Gedanken zum Verschwinden zu bringen, wirst du ihnen noch mehr Kraft geben. Sie werden sich weiterhin unaufhörlich wiederholen. Tu so, als würdest du sie aus der Distanz beobachten. So, als wären sie Autos, die eine Straße entlangfahren. Auf diese Weise bleibst du nicht an ihnen hängen. Stattdessen kannst du sie durch Akzeptanz gehen lassen.

Setze deiner Obsession Grenzen

Lasse nicht zu, dass dich deine Besessenheit kontrolliert. Kontrolliere sie stattdessen selbst. Um dies zu tun, kannst du jedes Mal, wenn eine Obsession auf dich zukommt, „Genug!“  sagen. Damit hältst du den Gedanken auf, der dich stört.

Verschiebe den Gedanken auf später

Indem du den Gedanken auf später verschiebst, täuschst du dein Gehirn. Später wird der Gedanke schwächer und verschwindet vielleicht. Versuche, dir zu sagen: „Ich werde später darüber nachdenken, ich werde mich zu einem anderen Zeitpunkt mit dieser Sorge beschäftigen.“

 

Plane deine Besessenheit ein

Lege einen Zeitplan für deine zwanghaften Gedanken fest: Heute nachmittag zwischen 17 und 18 Uhr kannst du dich mit ihm beschäftigen. Auf diese Weise machst du dich für die Situation verantwortlich, statt dies deinen negativen Gedanken zu überlassen.

Führe Entspannungstechniken durch

Entspannungstechniken durchzuführen, wie die tiefe Atmung oder progressive Muskelentspannung nach Jacobson, sind sehr hilfreich, um Zwänge zu neutralisieren.

Nachdenkende Frau

Zusammenfassend können sich zwanghafte Gedanken in unserem Verstand breitmachen und die Kontrolle über unser Leben übernehmen. Wenn wir beginnen, sie zu akzeptieren und sie dann infragestellen, wird es für uns einfacher sein, mit ihnen umzugehen. Denke daran, dass wir viel mehr als unsere Gedanken sind. Wenn wir lernen, uns zu lösen, werden wir unnötige Probleme und Sorgen loslassen können, die unser Leben nur bitter machen.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.