Konkurrenz oder Kooperation: Was ist in der Erziehung wichtiger?

Was ist besser, um Kindern etwas beizubringen: Konkurrenzdenken, um Ziele zu erreichen, oder die Fähigkeit zur Zusammenarbeit?
Konkurrenz oder Kooperation: Was ist in der Erziehung wichtiger?
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 18. Oktober 2022

Wir leben in einer stark wettbewerbsorientierten Gesellschaft, in der nur jene motiviert sind, die sich nicht vor täglichen Herausforderungen scheuen, um erfolgreich zu sein. In diesem sozialen Gefüge sehen wir uns oft gezwungen, mit anderen zu konkurrieren, um voranzukommen. Der stille Druck ist auch in der Schule spürbar: Bei den meisten Aktivitäten ist das Konkurrenzdenken eine Konstante. Sport hat zweifellos zahlreiche Vorteile, doch muss er unbedingt auf Medaillen und Überlegenheit abzielen? Oder sollten wir besser Kooperation und Teamwork fördern?

Die Freude an der Bewegung kommt oft zu kurz, wenn im Training nur der Sieg über den Gegner zählt. Dies bedeutet nämlich, dass Kinder oder Jugendliche nur wegen ihrer Leistungen geschätzt werden, nicht weil sie so sind, wie sie sind. Diese Realität wird in vielen Lebensbereichen immer deutlicher, deshalb laden wir dich ein, mit uns darüber nachzudenken.

Kinder lieben es, zu kooperieren, doch die Erziehung ist in den meisten Fällen sehr wettbewerbsorientiert.

Konkurrenz oder Kooperation: Was ist im Unterreicht besser?
In der frühen Kindheit ist das Hauptziel, Freunde zu finden, Spaß zu haben und die Welt zu entdecken.

Konkurrenz oder Kooperation: Was ist in der Erziehung wichtiger?

Kooperation ist ein wesentlicher Pfeiler für den Erhalt unserer Zivilisation. Ohne sie gäbe es unsere Kultur nicht, unsere Gesellschaften würden nicht existieren und auch unsere eigene Entwicklung als Menschen wäre nicht so erfolgreich gewesen. Wir wissen, dass Helfen und Teilen Praktiken sind, die unserem gegenseitigen Wohlergehen dienen, doch wir behindern diese Einstellung oft selbst.

Kinder kommen von Natur aus kooperativ auf die Welt. Forschungen der Universität Yale zeigen zum Beispiel, dass Kinder bereits im Alter von einem Jahr kooperative, unterstützende und sozial verbundene Verhaltensweisen zeigen.

Gegenseitigkeit ist in Kindergärten und frühkindlichen Bildungseinrichtungen eine Konstante. Kinder werden jedoch allmählich von der Gesellschaft, den Eltern und der sozialen Dynamik geprägt. Wenn man sie vor die Wahl stellt, ob sie konkurrieren oder kooperieren wollen, entscheiden sie sich im Durchschnitt für Letzteres, aber oft lenkt der erzieherische Druck Kinder in die andere Richtung.

Ab einem Alter von 14 Monaten haben Kinder bereits die kognitive Fähigkeit entwickelt, zu helfen und mitzuarbeiten. Die Förderung dieser Dimension von klein auf würde es uns ermöglichen, eine respektvollere Gesellschaft zu gestalten.

Eltern wollen gewinnende Kinder

Es gibt ein sehr interessantes Buch mit dem Titel Playing to Win: Raising Children in a Competitive Culture” (2013), in dem die Soziologin Hilary Friedman einige sehr relevante Daten zu den aktuellen Erziehungsstilen liefert.

Eltern investieren immer mehr Geld in die Beteiligung ihrer Kinder an wettbewerbsorientierten Aktivitäten. Sie sehnen sich nach erfolgreichen Kindern und wollen nicht, dass diese Fußball, Tanzen, Basketball, Eiskunstlauf oder Schach lieben, sondern dass sie Trophäen gewinnen und die Besten sind.

Die Erziehung zur Wettbewerbsfähigkeit ist eine zweispurige Straße: Einerseits wollen die Eltern stolz auf ihre Kinder sein, andererseits wissen sie, dass ein wettbewerbsfähiges Kind im Leben eher erfolgreich ist. Dies ermutigt sie zu einer Erziehung unter den Aspekten Anstrengung, Überwindung von Herausforderungen und ständiger Motivation.

Diese Dreierregel funktioniert jedoch nicht immer. Kinder, die unter dem Druck aufwachsen, die Besten sein zu müssen, sind am Ende oft die Unglücklichsten.

Viele Eltern “bestechen” ihre Kinder sogar. Sie drängen diese dazu, die Besten in der Klasse zu sein oder im Sport Trophäen oder Medaillen zu gewinnen und dafür Belohnungen wie Spielzeug, Technik oder Reisen zu bekommen.

Kinder wollen nicht die Besten sein, sie wollen einfach nur Spaß haben

Es gibt eine bemerkenswerte Tatsache, die Friedman in ihrem Buch hervorhebt: Wenn Kinder gefragt werden, was sie bevorzugen, wählen sie die Kooperation. Bei Sportwettkämpfen geht es den Kindern darum, mit anderen Kindern Spaß zu haben. Ihr Ziel ist es, Freunde zu finden und soziale Kontakte zu Gleichaltrigen zu knüpfen.

Der Wettbewerbs- und Erfolgsdruck erzeugt Stress und ein hohes Maß an Angst. Jungen und Mädchen, die von ihren Eltern von Kindesbeinen an in allem, was sie tun, unter Druck gesetzt werden, haben nicht immer schulischen Erfolg. Sie haben oft ein höheres Risiko, Depressionen zu entwickeln.

Wenn wir unsere Kinder dazu erziehen, ständig nach Leistung und Verdienst zu streben, führt das nicht direkt zu Spitzenleistungen. Eine solche Dynamik kann die Identität eines Kindes verzerren. Das Selbstverständnis dieser Kinder hängt ausschließlich davon ab, was sie erreichen, und nicht davon, wer sie wirklich sind.

Unsere Gesellschaft erzieht zur Wettbewerbsfähigkeit. Das führt dazu, dass die Gewinner gelobt und belohnt werden und die Verlierer kritisiert, herabgesetzt und beschämt.

trauriger Junge will mehr Kooperation und weniger Konkurrenz
Wenn wir unseren Kindern vermitteln, dass Konkurrenzdenken der einzige Weg zum Erfolg ist, kann das zu Stress und Ängsten führen.

Konkurrenz oder Kooperation: Was ist besser?

Was sollten wir unseren Kindern beibringen? Die Wahrheit ist, dass beide Bereiche gleichermaßen wichtig sind. Die Erziehung zu einem gesunden Wettbewerb, bei dem das Kind lernt, sich auszuzeichnen und ein Ziel anzustreben, ist legitim und sehr positiv. Problematisch wird es jedoch, wenn die Wettbewerbsfähigkeit kein Einfühlungsvermögen kennt und zu Aggressivität führt.

Es ist gut, über angemessene Fähigkeiten zu verfügen, um wettbewerbsfähig zu sein, aber es ist auch notwendig zu lernen, kooperativ und unterstützend zu sein. Die eine Realität sollte weder im Widerspruch zur anderen stehen noch ihr Gegenteil sein. Aber als Gesellschaft überbewerten wir den Wettbewerb und verherrlichen damit diejenigen, die gewinnen, und verachten jene, die verlieren, die es nicht schaffen, die zurückbleiben.

Wenn wir darüber nachdenken, sind die glücklichsten Menschen diejenigen, die kooperieren, die anderen helfen – Männer und Frauen, die wissen, wie man zusammenlebt, und die nicht nur darauf aus sind, erfolgreich zu sein oder Ziele zu erreichen. Kinder sollen sich bei Sport oder anderen Lieblingsbeschäftigungen auf das konzentrieren, was sie am meisten mögen: Spaß haben, Freunde finden und sich amüsieren.


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  • Friedman, Hilary (2013) Playing to Win: Raising Children in a Competitive Culture. ‎ University of California Pres
  • Olson KR, Spelke ES. Foundations of cooperation in young children. Cognition. 2008 Jul;108(1):222-31. doi: 10.1016/j.cognition.2007.12.003. Epub 2008 Jan 28. PMID: 18226808; PMCID: PMC2481508.

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