Kinder brauchen Möglichkeiten zum emotionalen Ausdruck

Kinder brauchen Möglichkeiten zum emotionalen Ausdruck
Gema Sánchez Cuevas

Geschrieben und geprüft von der Psychologe Gema Sánchez Cuevas.

Letzte Aktualisierung: 17. Februar 2023

“Weine nicht”, “Ein Indianer kennt keinen Schmerz”  oder “Du musst stark sein”  sind Ausdrücke, die Erwachsene sehr häufig benutzen, um verletzte und aufgebrachte Kinder zu trösten. Es mag den Anschein haben, dass sie bei einigen Kindern auch helfen, zumindest kurzfristig. Auf lange Sicht hingegen ermutigen sie die Kinder, ihre Gefühle im Inneren zu verschließen. Dieses „Herunterschlucken“ kann schwerwiegende Folgen für die psychologische und soziale Entwicklung haben, denn Kinder Möglichkeiten zum emotionalen Ausdruck haben.

Gefühle zu ignorieren oder zu verdrängen, ist gefährlich für die emotionale Gesundheit. Daher ist es besser, solches Verhalten zu vermeiden. Nur weil sie als Kinder noch klein sind, bedeutet das nicht, dass ihre Gedanken und Emotionen nicht wichtig wären. Tatsächlich ist eher das Gegenteil der Fall.

Die Wahrheit ist, dass ihre Welt genauso wichtig ist wie unsere, einschließlich ihrer Gefühle und Wahrnehmungen. Unsere Aufgabe ist es, sie zu unterstützen, wenn sie sich selbst kennenlernen. Lass uns tiefer in diese doch schöne Aufgabe eintauchen, Kindern Möglichkeiten zum emotionalen Ausdruck zu gewähren und ihre Gefühle zu verstehen.

Die Gefahr darin, Möglichkeiten zum emotionalen Ausdruck zu unterdrücken

Wut, Irritation oder Traurigkeit sind natürliche Reaktionen von Kindern auf verschiedene Situationen. Sie kommen beispielsweise dann auf, wenn sie nicht verstehen, was gerade passiert. Oder wenn sie nicht das bekommen haben, was sie wollten. Was auch immer der Grund für ihren Gefühlsausbruch ist, diese Emotionen vermitteln eine Botschaft, die mehr sagt als nur: “Ich bin verärgert!”  Unsere Aufgabe ist es nun, diese Botschaft zu verstehen.

Wenn du die emotionalen Ausbrüche eines Kindes zurückweist, bringst du ihm bei, seinen Kummer hinunterzuschlucken.

Die richtige Herangehensweise ist, Tränen oder Wut unserer Kinder zu interpretieren und herauszufinden, wo genau das Problem liegt. Wenn wir stattdessen ihre Gefühle unterdrücken oder ihnen nicht genug Aufmerksamkeit schenken, tragen wir nur zu ihren negativen Emotionen bei. Darüber hinaus ist es so, als würden wir ihre Identität ablehnen. Wir ermöglichen damit zwar ein für uns angenehmes Verhalten des Kindes, aber das beruht auf Angst und emotionaler Zurückweisung.

Mädchen mit geschlossenen Augen

Wenn wir die Emotionen unserer Kinder unterdrücken, werden sie zu Erwachsenen, welche die emotionale Sprache nicht beherrschen. Das wird sich negativ auf ihre Psyche und auf den Umgang mit anderen auswirken. Es wird auch die Entwicklung ihrer emotionalen Intelligenz begrenzen. Der Psychologe Daniel Goleman sagt dazu, das Wissen um sich selbst und die eigenen Gefühle sei der Eckpfeiler der emotionalen Gesundheit. Es sei die Grundlage für das persönliche Wachstum.

Die emotionalen Ausdrucksmöglichkeiten von Kindern

Wir haben nicht so viel Übung darin, Kindern beizubringen, ihre Emotionen zu identifizieren ihnen und freien Lauf zu lassen. Dies gilt insbesondere, wenn wir über negative Emotionen wie Wut oder Frust sprechen. Wir glauben oft, dass Kinder diese Art von Emotionen zeigen, weil sie unhöflich, unreif oder aggressiv wären. Wenn wir ihnen nicht beibringen, sich mit ihrem emotionalen Ich zu verbinden, werden sie jedoch niemals lernen, sich selbst zu verstehen. Infolgedessen werden sie niemals in der Lage sein, ihre Gefühle zu bewältigen.

Wenn wir emotional intelligente und gesunde Kinder großziehen wollen, müssen wir damit beginnen, ihnen zu erlauben, ihre Gefühle offen zu zeigen. Wenn wir das nicht tun, werden sie sich beispielsweise in ihre Wut mehr und mehr hineinsteigern, bis sie sich auf andere Weise Gehör verschaffen. Sie werden somit zu Gefangenen ihrer Gefühle.

Unangenehme Emotionen zu kanalisieren, bringt Erleichterung und Heilung. Es hilft uns auch, im Leben voranzukommen und uns selbst zu verstehen. Deshalb ist es so wichtig. Wenn Kinder schon in jungem Alter Möglichkeiten zum emotionalen Ausdruck erlernen, werden sie zu emotional gesunden Erwachsenen. Kinder brauchen also eine entsprechende Anleitung. Es ist daher eine Investition in ihre Zukunft, wenn wir unsere Kinder emotional fördern. Das sollten wir nicht vergessen.

Es ist wichtig, Kindern zu vermitteln, dass alle Emotionen notwendig und sinnvoll sind.

Wie können wir Kinder emotional fördern?

Es gibt viele Möglichkeiten für Kinder, auszudrücken, wie sie sich fühlen. Besonders, wenn es darum geht, ihre negative Energie zu kanalisieren. Das reicht von Tränen bis hin zum Schreien. Es ist ein Prozess, indem sie Schritt für Schritt ihre Gefühle identifizieren.

Das Wichtigste ist, sich der Notwendigkeit dieses Prozesses bewusst zu sein. Reagiere niemals mit Wut, Kritik oder Drohungen auf die Emotionen deines Kindes. Denn wir sollten niemals die Kontrolle verlieren. Wir müssen in schwierigen Zeiten eine Stütze sein, weil unsere Kinder ihre Probleme noch nicht allein bewältigen können. Das gilt besonders in den ersten Lebensjahren. Kinder müssen in einer ruhigen Umgebung aufwachsen, nicht mit Menschen, die ihren Ärger nur noch schüren.

Unsere Haltung gegenüber Kindern muss von einem Fundament der Liebe, des Zuhörens und der Empathie ausgehen. Auf diese Weise können wir ihnen helfen, herauszufinden, was ihre Emotionen verursacht und wie sie sie ausdrücken können. Zusätzlich wird ihnen dieser Prozess dabei helfen, ihre Emotionen zu regulieren.

Ein Mädchen umarmt seine Mutter

Eine Sache, die es zu vermeiden gilt, ist der Versuch, mit Kindern zu argumentieren, wenn sie wütend oder niedergeschlagen sind. Wir können ihnen dann nur vorschlagen, dass sie ihre Gefühle beschreiben, doch in der Regel haben sie sich nach ein paar Minuten wieder beruhigt.

Dann ist der beste Moment für einen positiven Dialog gekommen. Wir können unsere Kinder ermutigen, das zu beschreiben, was sie gerade fühlen. Fragen wir sie danach, was sie brauchen, um sich besser zu fühlen. Es ist auch wichtig, ihnen verständlich zu machen, dass sie die Möglichkeit haben, bei jeder aufkommenden Emotion über diese nachzudenken und dementsprechend zu handeln. Die Faustregel dabei ist, niemanden zu beleidigen oder zu verletzen. Selbstverständlich funktioniert dies nicht von heute auf morgen. Geduld ist hier ein wichtiger Faktor.

Die Ampeltechnik

Eine beliebte Technik, Kindern die Möglichkeiten zum emotionalen Ausdruck beizubringen, ist die Ampeltechnik. Ihr Ziel ist es, Kinder dazu zu bringen, die Farben einer Ampel mit ihren Emotionen und Verhaltensweisen zu verbinden. Male dazu eine Ampel und erkläre Folgendes:

  • Rotes Licht. Wir kennen diese Farbe, wissen, dass wir im Straßenverkehr bei Rot anhalten müssen. Also, wenn dein Kind wütend oder nervös ist, oder es schreien oder kämpfen will, erinnere es daran, dass das rote Licht leuchtet und es aufhören muss. Es ist, als wäre es der Fahrer eines Autos, der an einer roten Ampel anhält. Die Nachricht lautet: “Stopp! Beruhige dich und denke nach.”
  • Gelbes Licht. Diese Farbe bedeutet auch Halt. Dein Kind soll darüber nachdenken, was das Problem ist und was es gerade fühlt. An dieser Stelle kannst du deinem Kind sagen, dass die Fahrer bei gelbem Licht ebenfalls stehen bleiben, nachdenken, nach Lösungen suchen und sich darauf vorbereiten, erst bei Grün weiterzufahren. In diesem Fall kannst du sagen: „Denke an mögliche Lösungen, aber auch an Konsequenzen.“
  • Grünes Licht. Diese Farbe bedeutet, dass die Autos weiterfahren können. Dein Kind soll die beste Lösung wählen und umsetzen. Die Nachricht, die deinem Kind in diesen Fällen hilft, lautet: „Mach weiter und strebe eine Lösung an.“

Eine andere Technik, um mit verärgerten Kindern zu arbeiten, besteht darin, sie zu bitten, ihre Wut zu malen. Sprecht dann über alles, was sie brauchen. Im letzten Schritt sollen sie ihr Bild zerreißen. Das ist ein symbolischer Vorgang, um die Wut auch wirklich loszuwerden, nachdem sie ihre Botschaft kommunizieren konnten.

Du kannst mit deinem Kind auch bis zehn zählen, mehrmals tief durchatmen oder es ein paar Momente allein verbringen lassen. Später könnt ihr dann gemeinsam überlegen, was dein Kind dazu gebracht hat, sich so zu fühlen. Sprecht darüber, wie es seine Gefühle kanalisieren und seine Probleme lösen kann. Der letzte Teil wird sowohl das Bewusstsein als auch die Möglichkeiten zum emotionalen Ausdruck und die Eigenverantwortung fördern.

Ein Mädchen genießt den Duft von Sonnenblumen

Wie wir sehen konnten, können Kinder durchaus ihre negativen Emotionen ausdrücken und einmal Dampf ablassen. Es ist nur so, dass sie nicht von selbst wissen, wie das geht. Unsere Aufgabe ist es, ihnen dabei zu helfen. Indem wir eine positive emotionale Erziehung, basierend auf Verständnis und Liebe, anwenden, können wir unsere Kinder emotional fördern.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.